Johannes Becher

Johannes Becher
Johannes R. Becher (mit Brille), 1951
Johannes R. Becher auf einer DDR-Briefmarke von 1971
Bronze „Johannes R. Becher“ von Fritz Cremer im Bürgerpark Berlin-Pankow (Ausschnitt)

Johannes Robert Becher (* 22. Mai 1891 in München; † 11. Oktober 1958 in Berlin) war ein deutscher Dichter und Politiker sowie erster Präsident des Kulturbundes der DDR. Er ist vor allem bekannt dafür, den Text der Nationalhymne der DDR verfasst zu haben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1891–1924

Johannes R. Becher wurde als Sohn des Rechtskonzipienten und nachmaligen Amtsrichters, Staatsanwalts und Richters am Bayerischen Obersten Landesgerichts, Heinrich Becher, und dessen Ehefrau Johanna, geborene Bürck, in München geboren.

Im April 1910 versuchte er als Gymnasiast zusammen mit seiner Freundin Selbstmord zu begehen. Er schoss auf seine sieben Jahre ältere Geliebte Fanny Fuß, eine Zigarettenhändlerin, und danach auf sich selbst. Nur Becher überlebte, wenn auch schwer verletzt. Durch den Einfluss seines Vaters kam es zu keiner Bestrafung wegen festgestellter Unzurechnungsfähigkeit im Sinne von Paragraph 51 des Strafgesetzbuches, doch musste sich Becher einer psychiatrischen Behandlung unterziehen.

Ab 1911 studierte er Medizin und Philosophie in München und Jena, brach das Studium aber ab, um Schriftsteller zu werden. Wegen seiner von dem Selbstmordversuch herrührenden Verletzung war er im Ersten Weltkrieg dienstuntauglich. Ab 1913 erschienen erste expressionistische Werke Bechers. Zwischen 1914 und 1918 wurde er aufgrund seiner Morphiumsucht mehrmals in eine Klinik eingewiesen. 1917 trat er in die USPD ein und wechselte 1918 zum Spartakusbund, aus dem im Januar 1919 die KPD hervorging. 1920 verließ Becher, enttäuscht über das Scheitern der Revolution, die KPD und näherte sich der Religion an. 1923 trat er der KPD jedoch wieder bei und engagierte sich in der Folge stark in der Partei. Künstlerisch stand er in seiner expressionistischen Phase, von der er sich später distanzieren sollte, der Magdeburger Künstlervereinigung Die Kugel nah und veröffentlichte unter anderem in den Zeitschriften Verfall und Triumph, Die Aktion und Die neue Kunst.

1925–1944

1925 erschien Bechers Antikriegsroman Levisite oder Der einzig gerechte Krieg, der dazu führte, dass er wegen "literarischen Hochverrats" angezeigt wurde. Erst 1928 wurde das Verfahren endgültig eingestellt. 1928 war Becher einer der Mitbegründer des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS), dessen erster Vorsitzender er wurde. In der Folge war er auch Mitherausgeber der Zeitschrift des BPRS Die Linkskurve. Ab 1932 war er Herausgeber der Zeitung Die Rote Fahne. Im selben Jahr trat er als Kandidat der KPD bei den Reichstagswahlen an.

Nach dem Reichstagsbrand konnte Becher, der auf einer Schwarzen Liste der Nationalsozialisten stand, einer Großrazzia in der Berliner Künstlerkolonie nahe dem Breitenbachplatz in Berlin-Wilmersdorf entkommen. Am 15. März 1933 reiste er, unterstützt vom Sekretär des Bundes proletarisch revolutionärer Schriftsteller, Willy Harzheim, nach Brünn und von dort nach einigen Wochen über Prag, Zürich und Paris 1935 schließlich in die UdSSR. In Moskau wurde er Chefredakteur der Exilzeitschrift Internationale Literatur – Deutsche Blätter und Mitglied des Zentralkomitees der KPD.

Schon bald geriet Becher, obwohl selbst Stalin-Bewunderer, in Moskau in die Fänge der Stalinistischen Säuberungen. Bereits 1935 warf man Becher „trotzkistische Schwankungen“ vor. Er beteiligte sich aber auch selbst daran, „Angaben“ über angebliche politische Verfehlungen anderer Schriftsteller zu machen. Ab 1936 durfte er als „Abweichler“ die UdSSR nicht mehr verlassen. 1941 wurde Becher nach Taschkent umgesiedelt, wo er mehrmals versuchte, sich das Leben zu nehmen. 1943 war Becher einer der Mitbegründer des Nationalkomitee Freies Deutschland. Aus der Zeit des Exils stammt seine Freundschaft mit dem Philosophen und Literaturtheoretiker Georg Lukács, der ihn dazu anregte, sich intensiv mit der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts zu beschäftigen. Literarisch wandte sich Becher in dieser Zeit von der Moderne ab, und seine Werke standen nun im Zeichen des Sozialistischen Realismus.

Nach 1945

Aufbahrung von Johannes R. Becher 1958, stehend von links: Anna Seghers, Erwin Strittmatter, Kurt Stern, Arnold Zweig, Janet Stern, Stefan Heym
Grab von Johannes R. Becher auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin
Denkmal an Johannes R. Becher in Bad Saarow

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Becher nach Deutschland zurück und ließ sich in der Sowjetischen Besatzungszone nieder. Er beteiligte sich an der Gründung des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, des Aufbau-Verlages und der Literaturzeitschrift Sinn und Form. Ab 1946 gehörte er dem Parteivorstand und seit dessen Gründung 1950 dem Zentralkomitee der SED an. Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurde Becher Volkskammerabgeordneter. Im Herbst 1949 schrieb er den Text „Auferstanden aus Ruinen“, der Nationalhymne der DDR, den Hanns Eisler vertonte. 1950 wurde ihm dafür der Nationalpreis der DDR verliehen. Im selben Jahr beteiligte er sich an der Gründung der Deutschen Akademie der Künste, deren Präsident er als Nachfolger von Arnold Zweig vom 23. April 1953 bis 1956 war. Im Januar 1953 erhielt Becher in Moskau den Internationalen Stalinpreis.

Von 1954 bis 1958 war Becher Kulturminister der DDR. Während der Tauwetter-Periode, mit der 1956 die Entstalinisierung begann, trat er für politische Reformen ein. Deshalb wurde er, nach scharfer Kritik durch die Parteiführung, 1957 politisch kaltgestellt. Aus gesundheitlichen Gründen musste Becher im September 1958 alle Ämter und Funktionen aufgeben. Er starb am 11. Oktober 1958 im Ost-Berliner Regierungskrankenhaus an Krebs. Becher wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte beigesetzt. Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.

Das Institut für Literatur „Johannes R. Becher“, das 1955 in Leipzig gegründet worden war, wurde im Jahr 1959 nach ihm benannt. Auch mehrere Schulen und Straßen in der DDR trugen seinen Namen.

Werke

Ersttagsbrief zum 1. Todestag, 1959
  • Der Idiot, 1913
  • Verfall und Triumph, 1914
  • Verbrüderung, 1916
  • An Europa, 1916
  • Die heilige Schar, 1918
  • Gedichte um Lotte, 1919
  • Gedichte für ein Volk, 1919
  • An Alle!, 1919
  • Ewig im Aufruhr, 1920
  • Um Gott, 1921
  • Arbeiter Bauern Soldaten - der Aufbruch eines Volkes zu Gott, 1921
  • Drei Hymnen, 1923
  • Am Grabe Lenins, 1924
  • Vorwärts, du Rote Front, 1924
  • Levisite oder der einzig gerechte Krieg, 1925 komplett lesbar als HTML
  • Maschinenrhythmen, 1926
  • Die hungrige Stadt, 1927/28
  • Im Schatten der Berge, 1928
  • Der große Plan. Epos des sozialistischen Aufbaus, 1931
  • Deutscher Totentanz 1933, 1933
  • Deutschland, ein Lied vom Köpferollen und von den Nützlichen Gliedern, 1934
  • Gewißheit des Siegs und Sicht auf große Tage. Gesammelte Sonette 1935-1938, 1939
  • Wiedergeburt, 1940
  • Abschied, 1940
  • Deutschland ruft, 1942
  • Schlacht um Moskau, 1942
  • Dank an Stalingrad, 1943
  • Das Sonett, 1945
  • Ihr Mütter Deutschlands..., 1946
  • Heimkehr, 1947
  • Wiedergeburt. Buch der Sonette, 1947
  • Die Asche brennt auf meiner Brust, 1948
  • Neue deutsche Volkslieder, 1950
  • Schöne deutsche Heimat, 1952
  • Zum Tode J. W. Stalins, 1953
  • Der Weg nach Füssen, 1956
  • Schritt der Jahrhundertmitte, 1958

Literatur

  • Jens-Fietje Dwars: Abgrund des Widerspruchs: das Leben des Johannes R. Becher . Aufbau-Verlag Berlin 1998. ISBN 3-351-02457-6
  • Horst Haase: Johannes R. Becher, Leben und Werk. Verlag Das Europäische Buch Berlin 1981. ISBN 3-88436-104-X
  • Georg Lukács/Johannes R. Becher/Friedrich Wolf u.a., Die Säuberung Moskau 1936: Stenogramm einer geschlossenen Parteiversammlung, hrsgg. von Reinhard Müller, Reinbek 1991
  • Johannes R. Becher, Briefe 1909 - 1958. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1993, hrsgg. von Rolf Harder
  • Briefe an Johannes R. Becher 1910 - 1958. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1993, hrsgg. von Rolf Harder
  • Hermann Weber: Heinrich Becher - Rat am Bayerischen Obersten Landesgericht und Vater des ersten Kultusministers der DDR, Neue Juristische Wochenschrift, Verlag C. H. Beck, München und Frankfurt a.M., Jahrgang 2008, Seite 722 - 729

Nachlass

Siehe auch

Weblinks


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