Johannes Pistorius der Jüngere

Johannes Pistorius der Jüngere
Johannes Pistorius

Johannes Pistorius (der Jüngere), nach seinem Geburtsort auch Niddanus genannt (* 14. Februar 1546 in Nidda; † 19. Juni 1608 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Arzt, Historiker und engagiert diskutierender katholischer Theologe in der Zeit der Konfessionalisierung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sein Vater war der protestantische Reformator Hessens, Johannes Pistorius der Ältere.

Pistorius der Jüngere studierte von 1559 bis 1567 Theologie, Recht und Medizin in Marburg, Wittenberg, Tübingen, Padua und Paris. Er promovierte 1568 zum Doktor der Medizin und wurde 1575 als Leibarzt und Historiograph zum Markgrafen von Baden-Durlach bestellt, der bei ihm auch regelmäßig Rat in politischen und theologischen Fragen suchte. 1584 wurde er Geheimer Rat des Markgrafen Jakob III. von Baden-Hachberg in Emmendingen.

Nach dem Tod seines Vaters 1583 erbte er dessen Archivalien zur Reformationsgeschichte. Die Erstarrung der Reformationsidee nach Einführung der Konkordienformel einerseits und die Aufbruchstimmung in der katholischen Kirche nach dem Tridentinum andererseits veranlassten Pistorius 1588 vom lutherischen Bekenntnis, dann Calvinismus zum Katholizismus zu konvertieren. Markgraf Jakob III. berief auf seine Initiative hin die Religionsgespräche von Baden (1589) und Emmendingen (1590) ein. Nach dem zweiten Disput konvertierten auch der Hofprediger Johannes Zehender und der Markgraf selbst zum katholischen Bekenntnis. Der 28-jährige Jakob III. starb am 17. August 1590 infolge einer Arsenikvergiftung. Sein Nachfolger wurde sein protestantischer Bruder Ernst Friedrich von Baden.

Pistorius musste den Hof verlassen. Er ging nach Freiburg im Breisgau und wurde 1591 Priester, danach bis 1594 Generalvikar von Konstanz. Im Streit um die oberbadische Okkupation unterbreitete Pistorius den Kompromissvorschlag Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach solle als kaiserlicher Kommissar das besetzte Gebiet unter Beschwörung gewisser weltlicher und geistlicher Bedingungen für etwa 28 Jahre behalten um so eine Kompensation für die offenen Forderungen gegenüber seinem Vetter Eduard Fortunat von Baden-Rodemachern, dem Markgrafen von Baden-Baden zu erhalten.

In der Folgezeit war er kaiserlicher Rat, Propst der Kathedrale von Breslau, apostolischer Notar und ab 1601 Beichtvater von Kaiser Rudolph II.. 1604 rettete Johannes Pistorius in Freiburg einem 14-jährigen Mädchen das Leben, das als Hexe verbrannt werden sollte. Er konnte erreichen, dass ihre intakte Jungfräulichkeit festgestellt wurde und somit ihr erfoltertes Geständnis (Beischlaf mit dem Teufel) erstmals als unrichtig nachweisen.

Pistorius starb am 19. Juni 1608 in Freiburg an Marasmus. Nach seinem Tod kam seine Bibliothek in den Besitz der Jesuiten von Molsheim und nach der französischen Revolution in das theologische Grand Seminaire in Straßburg.

Das Pistoriusbrückle in Emmendingen erinnert seit 1998 unter anderem an seine Verdienste um die Stadtwerdung im Jahr 1590.

Werke (Auswahl)

Johannes Pistorius: De vera curandae pestis ratione, Frankfurt 1568

Seine zahlreichen Schriften gegen den Protestantismus, gegen Luther und zeitgenössische evangelische Kontroverstheologen sind gleichermaßen gekennzeichnet durch enormes Fachwissen, gründliche Kenntnis der gedruckten Werke Luthers und archivalisch belegter kirchengeschichtlicher Vorgänge während der Reformationszeit. Sie zeichnen sich durch Klarheit in der Argumentation und, wenn er provoziert wurde, durch Schärfe bis hin zur Polemik aus.

So veröffentlichte Pistorius einen detaillierten Bericht über die Konversion des Markgrafen Jakob III: „Jakobs Marggrafen zu Baden. . . christliche, erhebliche und wolfundirte Motifen“ (Köln, 1591). Weitere wichtige Schriften sind:

  • „Anatomia Lutheri“ (Köln, 1595–1598)
  • „Hochwichtige Merkzeichen des alten und neuen Glaubens“ (Münster, 1599)
  • „Wegweiser vor alle verführte Christen“ (Münster, 1599)

Pistorius wurde heftig attackiert. Zu seinen Gegnern gehörten Lucas Osiander der Ältere, Jacob Heerbrand, Johann Jakob Grynaeus, Jakob Andreae, Johannes Pappus, Ägidius Hunnius der Ältere, Cyriacus Spangenberg, Samuel Huber und Christoph Agricola. Theologen aus Wittenberg und Hessen schrieben Erwiderungen auf die „Anatomia Lutheri“.

Pistorius beschäftigte sich auch mit Studien der Kabbala und veröffentlichte die „Artis cabbalisticæ, h. e. reconditæ theologiæ et philosophiæ scriptorum tomus unus“ (Basel, 1587). Als Hofhistoriker des Markgrafen von Baden untersuchte er die Genealogie der Fürsten von Zähringen und brachte zwei Werke mit historischen Quellen in Umlauf: „Polonicæ historiæ corpus, i. e. Polonicarum rerum latini veteres et recentiores scriptores quotquot exstant“ (Basel 1582), in welchem Buch auch die von Aeneus Sylvius[1] (nachmalig Papst) geschriebene Historie von Polonia, Lithuania & Prussia sive Borussia, sowie Martin Cromers Polonia enthalten ist. Danach schrieb er „Rerum Germanicarum veteres jam primum publicati scriptores aliquot insignes medii ævi ad Carolum V“ (Frankfurt am Main, 1583–1607).

Einzelnachweise

  1. Johannes Pistorius Aeneus Sylvius Polonia, Lithuania, Prussia, S.1, und Martin Cromer S.74, Basel 1582

Literatur

  • Hans-Jürgen Günther: Die Reformation und ihre Kinder -- Vater und Sohn Johannes Pistorius Niddanus - eine Doppelbiographie. Niddaer Geschichtsblätter, Heft 2, Nidda 1994 (enthält ein Verzeichnis aller Pistoriusschriften), ISBN 3-98039-151-5
  • Hans-Jürgen Günther: Johannes Pistorius, Hanns Bär und der Herbolzheimer Wappenbrief, Herbolzheim 1991
  • Hans-Jürgen Günther: Dr. Johannes Pistorius (1546–1608) Ein Arzt, Humanist und Theologe prägt badische Geschichte, in: AQUAE, Arbeitskreis für Stadtgeschichte Baden-Baden,, S. 37-70, Baden-Baden 1995
  • Hans-Jürgen Günther, Louis Schlaefli: Bibliothekographie der Bücher aus der ehemaligen Bibliothek des Johannes Pistorius, die im Grand Séminaire zu Strasbourg zu finden sind. A: Katalog nach der Straßburger Bibliotheksordnung, 31 S.; B: Katalog nach Autoren, 35 S.; C: Katalog nach Erscheinungjahren der Bücher, 36 S., Emmendingen 1995
  • Hans-Jürgen Günther: Johannes Pistorius Niddanus d.J. - Humanist, Arzt, Historiker, Politiker und Theologe (1546–1608) in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, 19. Bd., 109-145, Stuttgart 1998.
  • Hans-Jürgen Günther: Pistorius, in: LThK, Bd. 8, Freiburg 1999, S. 319f.
  • Hans-Jürgen Günther: Pistorius, 1. Johannes d. Ä., 2. Johannes d. J. in: NDB, Bd. 22, Berlin 2001, S. 486f.
  • Hans-Jürgen Günther: J. Pistorius Niddanus, Vater und Sohn - Zwei Niddaer Persönlichkeiten im Jahrhundert von Reformation und katholischer Reform: Artikel in NIDDA - Die Geschichte einer Stadt und ihres Umlandes, Nidda 2003, S. 123-134
  • Hans-Jürgen Günther: Markgraf Jacob III. von Baden (1562–1590) - Ein konfessioneller Konflikt und sein Opfer in: Freiburger Diözesanarchiv 126. Band Dritte Folge, 2006, S. 201-269
  • Wilhelm GaßPistorius, Johannes (Humanist). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 199–201.
  • Hans-Jürgen Günther: Pistorius, Johannes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, S. 486 f.

Weblinks


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