Johannes Stark

Johannes Stark
Johannes Stark

Johannes Stark (* 15. April 1874 in Schickenhof, heute zu Freihung; † 21. Juni 1957 in Traunstein) war ein deutscher Physiker, Träger des Nobelpreises für Physik und Anhänger des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johannes Stark, geboren in Thansüß im Kreis Amberg studierte nach dem Abitur am Alten Gymnasium in Regensburg die Fächer Physik, Mathematik, Chemie und Kristallographie in München. Er promovierte 1897 bei Eugen von Lommel zum Thema Untersuchung über einige physikalische, vorzüglich optische Eigenschaften des Rußes und blieb danach noch als Assistent bei seinem Doktorvater in München.

1900 ging er als (unbezahlter) Privatdozent nach Göttingen, wo er 1906 außerordentlicher Professor wurde. In diese Zeit fiel im Jahre 1905 die Entdeckung des optischen Doppler-Effektes in Kanalstrahlen. Im Jahre 1908 erhielt er einen Ruf nach Aachen und wurde ordentlicher Professor an der dortigen RWTH Aachen. Der Nachweis der heute als Stark-Effekt bezeichneten Aufspaltung der Spektrallinien in elektrischen Feldern fiel in diese Schaffenszeit. Den Physik-Nobelpreis erhielt er 1919 für die beiden genannten Entdeckungen als Professor der Universität Greifswald, wo er seit 1917 lehrte. Mit seinem Nobelpreisgeld gründete er ein privates Labor. Nach dieser Ehrung ging er 1920 nach Würzburg, aber schon 1922 verließ er die Universität, weil er infolge seiner Unterstützung der Habilitation des Einstein-Gegners Ludwig Glaser in Konflikt mit seinen Professorenkollegen geriet und daraufhin zurücktrat. Da er vehement die Quantentheorie und andere Teile der modernen Physik ablehnte, gelang es ihm trotz Nobelpreises nicht, eine andere Berufung zu erlangen.

Mit der sogenannten Machtergreifung der Nazis 1933 änderte sich dies. Die politische Neuausrichtung wurde von ihm entschieden unterstützt: Endlich ist die Zeit gekommen, da wir unsere Auffassung von Wissenschaft und Forschern zur Geltung bringen können. Stark wurde vom neuen Reichsinnenminister zum Präsidenten der Physikalisch Technischen Reichsanstalt (PTR) nach Berlin berufen, als Nachfolger des als Gegner der Nationalsozialisten abgesetzten Friedrich Paschen. Im September 1933 äußerte Stark auf einer Tagung der deutschen Physiker, dass nun, wie der „Führer die Verantwortung für das deutsche Volk übernähme, er (Stark) die Verantwortung für die Physik übernehmen wolle“. Stark beabsichtigte eine völlige Neuorganisation des Faches Physik in Deutschland unter der Steuerungsoberhoheit der Reichsanstalt. Weiteren Machtzuwachs erhielt Stark, als er 1934 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde. Die Organisation entschied über die Förderungswürdigkeit von Projektanträgen von Wissenschaftlern. Stark soll Anträge von Wissenschaftlern häufig durch ein persönliches Votum abgelehnt haben: Präsident Stark verfügt Ablehnung.[1] 1939 ging er als Präsident der PTR in den Ruhestand.

Nach Kriegsende wurde er in Bayern vor Gericht gestellt und hatte dabei mehrere deutsche Spitzenphysiker, darunter Max von Laue, Werner Heisenberg und Arnold Sommerfeld als Zeugen gegen sich. Am 20. Juli 1947 wurde er als Hauptschuldiger eingestuft und zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. Bei der Berufungsverhandlung 1949 wurde er jedoch als Mitläufer eingestuft und musste nur noch eine Geldbuße zahlen.[1] Albert Einstein war im Entnazifizierungsverfahren um eine Einschätzung gebeten worden. Einstein attestierte Stark eine paranoide Persönlichkeit.

Stark verstarb 1957 in Traunstein in Oberbayern.

Mit seinen aggressiv vorgetragenen antisemitischen Positionen, die ihn schon in den frühen 1920er Jahren in die Nähe des Nationalsozialismus brachten, ist Stark einer der geistigen Wegbereiter des Holocaust. Nicht zuletzt deshalb ist Stark heute ein „vergessener“ Nobelpreisträger, wenn man die Präsenz der Namen anderer deutscher Preisträger in der Öffentlichkeit etwa in Form von Sonderbriefmarken, Gedenkmünzen, Straßennamen etc. heranzieht; Johannes-Stark-Straßen gibt es in Amberg, Weiden und zwei kleineren Orten der näheren Umgebung. In der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald gibt es zwei Stark-Gedenktafeln.

Stark war der Gründer des Jahrbuchs für Radioaktivität und Elektronik, das er von 1904 bis 1913 herausgab.

Politischer Hintergrund

Siehe auch: Kritik an der Relativitätstheorie

Albert Einstein wurde 1914 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik, eine Stelle, die Stark gerne erhalten hätte und die er Einstein nicht gönnte. Diese Ablehnung liegt zum Teil in der generellen Geringschätzung der theoretischen Physik und speziell der Relativitätstheorie begründet. Der Experimentalphysiker Stark achtete nur Laborarbeit. Seine eigenen Entdeckungen, für die er die höchste Auszeichnung der Wissenschaft erhielt, hatte er in langwieriger Laborarbeit gemacht. Einsteins theoretische Leistung erschien ihm geringer.

Johannes Stark bekämpfte allerdings Einstein, mit dem er einstmals freundschaftlich verbunden war, und dessen Theorien nicht auf wissenschaftliche Weise, sondern bediente sich auch der antisemitischen Lehren des aufkommenden Nationalsozialismus. Mit dieser wollte er einen Unterschied zwischen deutscher bzw. arischer Physik und jüdischer Physik konstruieren, ein aufgrund der Universalität der Naturgesetze absurdes Unterfangen. Sein verletzender, herabsetzender Angriff auf seine Kollegen (In: Die gegenwärtige Krise der deutschen Physik, 1922), der nicht nur die Relativitätstheorie, sondern auch die Bohr-Sommerfeldsche Quantentheorie als dogmatisch verwarf, isolierte Stark unter den deutschen Physikern und warf ihn für elf Jahre aus der akademischen Laufbahn.

Starks Gefühl, nicht Angreifer, sondern Opfer zu sein, und sein streitsüchtiges Temperament trieben ihn in die Arme der völkischen Bewegung, und schon 1924 erklärte er sich mit Adolf Hitler verbunden. Seine Waffe gegenüber denen, die ihn aus dem akademischen Leben vertrieben hatten, war nun der Rassismus, und er fand Ausdruck in Angriffen auf die „jüdische Physik“, der es nach seiner Auffassung nicht um die Beobachtung von Fakten, um Experimente und wissenschaftliche Objektivität ging. Kollegen an der Universität Greifswald spotteten: Was man nicht verstehen kann, sieht man drum als jüdisch an.

Am 1. April 1930 wurde er Mitglied in der NSDAP. Neben Philipp Lenard war er der einflussreichste Physiker, der versuchte, die Naturwissenschaften in die NS-Weltanschauung einzuflechten. Nach Hitlers Machtergreifung versuchte er, die physikalische Lehre und Forschung an deutschen Universitäten unter der NS-Führung neu zu organisieren und auch die Richtung zu bestimmen, die die naturwissenschaftliche Forschung einzuschlagen habe.

Johannes Stark war – eingesetzt durch den Reichsinnenminister Wilhelm Frick – vom 1. April 1933 bis 1939 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) in Berlin. Gleichzeitig bekleidete er von 1934 bis 1936 das Amt des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), wobei er den NS-Chefideologen Alfred Rosenberg zum Schirmherrn und Ehrenpräsidenten der DFG berief.[2] Verloren hatte Stark sein DFG-Präsidentenamt, weil sich neben Bernhard Rust und seinen Beamten auch die SS und die Wehrmacht gegen ihn stellten.[2] Er nutzte seine Machtposition auch für Polemik gegen die andere damalige revolutionäre Entwicklung der Physik, der Quantenmechanik.

Er polemisierte 1934 heftig gegen die theoretische Physik und hob demgegenüber die Bedeutung angewandter Forschung für Technik, Industrie, wirtschaftliche Autarkie und Kriegsproduktion hervor. In erster Linie sei der Naturwissenschaftler gegenüber der Nation verpflichtet. Demnach könnten führende Positionen im Bereich der Naturwissenschaften im NS-Staat nur von nationalbewussten, rein deutschen Wissenschaftlern eingenommen werden. Die Fähigkeit zur uneigennützigen Beobachtung der Naturphänomene sei eine Eigenschaft der nordischen Rassenseele und diese wiederum sei überwiegend eine Schöpfung der nordisch-germanischen Blutkomponenten der arischen Völker.

Werner Heisenberg, einer der geistigen Väter der Quantenmechanik, sollte 1936 den Lehrstuhl Arnold Sommerfelds erhalten, was Stark zu verhindern wusste. Dazu bediente er sich auch der NS-Propagandapresse, für die er Beiträge schrieb. Dabei griff er nicht nur die Physiker jüdischer Herkunft an, sondern bezeichnete auch Heisenberg, Max Planck und Sommerfeld als weiße Juden, womit er ihre Wissenschaft als „jüdisch“ markieren wollte.

In Himmlers Wochenblatt Das Schwarze Korps veröffentlichte Stark im Jahre 1937 unter dem Titel „›Weiße Juden‹ in der Wissenschaft“ einen ganzseitigen Artikel, in dem er Heisenberg als „›Ossietzky‹ der Physik“ verhöhnte und sich darüber beklagte, dass nach der Ausschaltung der Juden an den Hochschulen, deren Geist nunmehr „Verteidiger und Fortsetzer in den arischen Judengenossen und Judenzöglingen“ gefunden habe.[3]

Jüdische Naturwissenschaftler stellte er als egozentrisch und als geborene Advokaten hin, denen es nicht um die Wahrheit geht, sondern darum, Fakten und Unterstellungen miteinander zu vermengen. Außerdem seien sie vor allem daran interessiert, sich selber ins rechte Licht zu rücken und aus ihrer Arbeit wirtschaftlichen Profit zu ziehen. Da dem jüdischen Wissenschaftler – so Stark – die Fähigkeit zu wahrhaft schöpferischer Arbeit in den Naturwissenschaften fehle, verführe ihn sein „dogmatischer Eifer“ und sein „propagandistischer Trieb“ umso mehr dazu, seine Ergebnisse zu Markte zu tragen, und dies nicht nur in Fachzeitschriften, sondern auch in der Tagespresse und auf Vortragsreisen.

Ähnlich rassistisch argumentierte Stark in einem weiteren Pamphlet (in: Jüdische und deutsche Physik, 1941), doch dieses Mal war sein Einfluss auf die deutsche Physiker-Gemeinschaft bereits erheblich zurückgegangen, denn Stark hatte nicht nur gegen die allgemein akzeptierten Wertvorstellungen seines Berufsstandes verstoßen und Deutschlands wissenschaftliches Ansehen in der Welt untergraben, sondern es darüber hinaus fertig gebracht, verschiedene Parteistellen gegen sich aufzubringen. Er war in innerparteiliche Intrigen verwickelt, begab sich unter den Schutz von Rosenberg und hatte die Folgen zu tragen, als dessen Macht geringer wurde.

Schriften

Physikalische Schriften:

  • mit Paul Sophus Epstein: Der Stark-Effekt. Battenberg Verlag 1965 (Nachdruck seiner Arbeiten zum Stark-Effekt)
  • Die Entladung der Elektricität von galvanisch glühender Kohle in verdünntes Gas. (Sonderabdruck aus Annalen der Physik und Chemie. Neue Folge, Band 68). Leipzig 1899
  • Der elektrische Strom zwischen galvanisch glühender Kohle und einem Metall durch verdünntes Gas. (Sonderabdruck aus Annalen der Physik und Chemie. Neue Folge, Band 68). Leipzig 1899
  • Aenderung der Leitfähigkeit von Gasen durch einen stetigen elektrischen Strom. (Sonderabdruck aus 'Annalen der Physik. 4. Folge, Band 2). Leipzig 1900
  • Ueber den Einfluss der Erhitzung auf das elektrische Leuchten eines verdünnten Gases. (Sonderabdruck aus Annalen der Physik. 4. Folge, Band 1). Leipzig 1900
  • Ueber elektrostatische Wirkungen bei der Entladung der Elektricität in verdünnten Gasen. (Sonderabdruck aus Annalen der Physik. 4. Folge, Band 1). Leipzig 1900
  • Kritische Bemerkungen zu der Mitteilung der Herren Austin und Starke über Kathodenstrahlreflexion. (Sonderabdruck aus Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Jahrgang 4, Nr. 8). Braunschweig 1902
  • Prinzipien der Atomdynamik. 1. Teil. Die elektrischen Quanten. 1910
  • Schwierigkeiten für die Lichtquantenhypothese im Falle der Emission von Serienlinien. (Sonderabdruck aus Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Jahrgang XVI, Nr. 6). Braunschweig 1914
  • Bemerkung zum Bogen- und Funkenspektrum des Heliums. (Sonderabdruck aus Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Jahrgang XVI, Nr. 10). Braunschweig 1914
  • Folgerungen aus einer Valenzhypothese. III. Natürliche Drehung der Schwingungsebene des Lichtes. (Sonderabdruck aus Jahrbuch der Radioaktivität und Elektronik. Heft 2, Mai 1914), Leipzig 1914
  • Methode zur gleichzeitigen Zerlegung einer Linie durch das elektrische und das magnetische Feld. (Sonderabdruck aus Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Jahrgang XVI, Nr. 7). Braunschweig 1914
  • Natur der chemischen Valenzkräfte. 1922
  • Die Axialität der Lichtemission und Atomstruktur. Berlin 1927
  • Atomstruktur und Atombindung. A. Seydel, Berlin 1928
  • Atomstrukturelle Grundlagen der Stickstoffchemie. Leipzig 1931
  • Physik der Atomoberfläche. 1940

Politische Schriften:

  • Die gegenwärtige Krisis in der deutschen Physik. 1922
  • mit Philipp Lenard: Hitlergeist und Wissenschaft. 1924
  • Die Verjudung der deutschen Hochschulen. in: Nationalsozialistische Monatshefte, Heft 8 (November 1930)
  • Nationalsozialismus und Katholische Kirche. 1931
  • Zentrumspolitik und Jesuitenpolitik. 1931
  • Nationalsozialismus und Katholische Kirche. II. Teil: Antwort auf Kundgebungen der deutschen Bischöfe. 1931
  • Nationalsozialismus und Lehrerbildung. 1931
  • Nationale Erziehung, Zentrumsherrschaft und Jesuitenpolitik. 1932
  • Adolf Hitlers Ziele und Persönlichkeit. 1932
  • Adolf Hitler und die deutsche Forschung. Ansprachen auf d. Versammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Hannover. Berlin, 1934.
  • Nationalsozialismus und Wissenschaft. 1934
  • mit Wilhelm Müller: Jüdische und deutsche Physik. Vorträge an der Universität München, 1941

Sonstiges:

  • Johannes Stark; Andreas Kleinert (Herausgeber): Erinnerungen eines deutschen Naturforschers. Bionomica-Verlag, Mannheim 1987, ISBN 3-88208-011-6 (falsch im Buch: 3-88208-0-6)

Quellen

  1. a b Führer der Forscher. Vor 50 Jahren starb der Nobelpreisträger Johannes Stark. Er war ein Gegenspieler Einsteins. In: Berliner Zeitung. 21. Juni 2007, S. 12
  2. a b Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 355, ISBN 3-89667-148-0.
  3. Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005, S. 355 f.

Weblinks

 Commons: Johannes Stark – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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