Amtliches Werk

Amtliches Werk

Unter einem amtlichen Werk versteht man im Urheberrecht ein vom Urheberrechtsschutz ausgenommenes Werk amtlichen Charakters (vor allem Gesetze, Gerichtsentscheidungen), das an sich die Anforderungen an urheberrechtlichen Schutz erfüllen würde. Amtliche Werke stellen einen Unterfall der urheberrechtlichen Schranken dar.

Inhaltsverzeichnis

Nationale Rechtslage

Deutschland

§ 5 des deutschen Urheberrechtsgesetzes lautet seit 2003 (damals wurde Absatz 3 eingefügt):

(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
(2) Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, dass die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.
(3) Das Urheberrecht an privaten Normwerken wird durch die Absätze 1 und 2 nicht berührt, wenn Gesetze, Verordnungen, Erlasse oder amtliche Bekanntmachungen auf sie verweisen, ohne ihren Wortlaut wiederzugeben. In diesem Fall ist der Urheber verpflichtet, jedem Verleger zu angemessenen Bedingungen ein Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung einzuräumen. Ist ein Dritter Inhaber des ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung und Verbreitung, so ist dieser zur Einräumung des Nutzungsrechts nach Satz 2 verpflichtet.

Während in Absatz 1 eine Veröffentlichung nicht erforderlich ist, ist Absatz 2 – anders als im bis 1965 gültigen Recht – nur auf Veröffentlichungen anwendbar. Absatz 2 wird von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt. Voraussetzung für die Anwendung des Absatz 2 ist ein spezifisches Verbreitungsinteresse einer Behörde. Das öffentliche Interesse muss gegenüber dem Verwertungsinteresse des Verfassers des Werkes überwiegen und die möglichst weite und von Urheberrechten freie Verbreitung erfordern. Diese Voraussetzung ist bei amtlichen Werken ohne regelnden Inhalt nicht ohne weiteres gegeben. Nicht ausreichend ist das allgemeine Interesse, das die Allgemeinheit an jeder Veröffentlichung einer Behörde hat. Ein solches, besonderes Interesse ist vor allem dann gegeben, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht, da in solchen Fällen die rasche und umfassende Information der Allgemeinheit erforderlich ist.[1] Anerkannt ist auch, dass Patentschriften zu den Werken im Sinne des Absatzes 2 zählen. Auch diese sind urheberrechtlich nicht geschützt, doch ist – wie auch bei der Panoramafreiheit – eine Quellenangabe erforderlich und die Werke dürfen nicht verändert werden.

Scan aus dem Hessischen Staatsanzeiger 1983

Werden urheberrechtlich geschützte Bilder in amtliche Bekanntmachungen oder Gerichtsentscheidungen eingefügt (etwa als Bildzitate), so ist es zulässig, sie bei der Wiedergabe im Kontext der amtlichen Werke zu reproduzieren. Eine gesonderte Verwertung, die nur das Bild betrifft, dürfte aber nicht statthaft sein (vgl. Wolfgang Maaßen, Bildzitate in Gerichtsentscheidungen und juristischen Publikationen, in: ZUM 2003, S. 830–842). Zu einer anderen Auffassung kommt das LG München (Az. 21 S 20861/86), das die Abbildung einer Briefmarke im Amtsblatt des Bundesministeriums für Post- und Fernmeldewesen unter § 5 Abs. 1 und damit als gemeinfrei subsumiert. Dies wird jedoch von Seiten der Literatur vielfach kritisiert.[2]

Auch interne Verwaltungsvorschriften, soweit sie eine Außenwirkung entfalten, zählen zu den nicht geschützten amtlichen Rechtsnormen.[3]

Ausländische und supranationale amtliche Werke werden nach deutschem Recht behandelt (Territorialitäts- und Schutzlandprinzip). Amtliche Fassungen von EU-Richtlinien sind daher zum Beispiel nach deutschem Recht gemeinfrei.

Österreich

§ 7 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes lautet:

„1. Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlässe, Bekanntmachungen und Entscheidungen sowie ausschließlich oder vorwiegend zum amtlichen Gebrauch hergestellte amtliche Werke der im § 2 Z. 1 oder 3 bezeichneten Art genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
2. Vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hergestellte oder bearbeitete (§ 5 Abs. 1) und zur Verbreitung (§ 16) bestimmte Landkartenwerke sind keine freien Werke.“

Zum Abs. 2 siehe → Rechte an Geoinformationen: Österreich

Schweiz

Art. 5 Schweizer Urheberrechtsgesetz hat den Wortlaut [4]:

Durch das Urheberrecht nicht geschützt sind:
a. Gesetze, Verordnungen, völkerrechtliche Verträge und andere amtliche Erlasse;
b. Zahlungsmittel;
c. Entscheidungen, Protokolle und Berichte von Behörden und öffentlichen Verwaltungen;
d. Patentschriften und veröffentlichte Patentgesuche.
Ebenfalls nicht geschützt sind amtliche oder gesetzlich geforderte Sammlungen und Übersetzungen der Werke nach Absatz 1.

Zu den Entscheidungen nach lit. c werden auch Gerichtsentscheidungen gezählt.

Rumänien

Das Gesetz Nr. 8/1996 über das Urheberrecht, Kapitel III, Artikel 9 definiert, was nicht urheberrechtlich geschützt ist [5] .

a) ideile, teoriile, conceptele, descoperirile stiintifice, procedeele, metodele de functionare sau conceptele matematice ca atare si inventiile, continute intr-o opera, oricare ar fi modul de preluare, de scriere, de explicare sau de exprimare;
b) textele oficiale de natura politica, legislativa, administrativa, judiciara si traducerile oficiale ale acestora;
c) simbolurile oficiale ale statului, ale autoritatilor publice si ale organizatiilor, cum ar fi: stema, sigiliul, drapelul, emblema, blazonul, insigna, ecusonul si medalia;
d) mijloacele de plata;
e) stirile si informatiile de presa;
f) simplele fapte si date.

zu deutsch:

a) Ideen, Theorien, Konzepte, wissenschaftliche Entdeckungen, Vorgehen, Betriebsmethode oder mathematische Konzepte als solche und Erfindungen, die in einem Werk beinhaltet sind, ungeachtet der Überlieferungsart, der Schrift oder der Erklärung sowie der Ausdrucksform;
b) offizielle Texte im Bereich Politik, Gesetzgebung, Regierung, Gericht sowie offizielle Übersetzungen derselben;
c) offizielle Symbole des Staates, der öffentlichen Behörden und der Organisationen, wie zum Beispiel: Wappen, Siegel, Flagge, Emblem, Wappen, Abzeichen, Schild und Medaille;
d) Zahlungsmittel;
e) Nachrichten und Informationen der Presse;
f) einfache Fakten und Daten.

Rechtslage in weiteren Ländern

Viele freie Projekte schätzen die Tatsache, dass in den USA kein Copyright hinsichtlich der dienstlichen Arbeiten von Beschäftigten der Bundesverwaltung besteht. Sie sind in den USA Public Domain, nicht jedoch außerhalb. Allerdings verzichten die meisten US-amerikanischen Bundesbehörden darauf, Rechte im Ausland geltend zu machen.

Unfreie Bearbeitungen amtlicher Werke

Durch die Einfügung von Überschriften in Gesetzestexten oder die Ergänzung von Rechtsprechung bzw. redaktionelle Bearbeitung oder Hinzufügung eigener nicht-amtlicher Leitsätze bei Urteilen können diese Bearbeitungen urheberrechtlichen Schutz genießen.

Schutz amtlicher Datenbanken

Private Sammlungen von Gesetzen usw. in gedruckter Form oder im Internet können als rechtlich geschützte Datenbanken im Sinn des EU-weiten Datenbankschutzrechtes angesehen werden (in Deutschland umgesetzt in §§ 87a ff. UrhG). Umstritten ist die Frage, ob von amtlicher Seite veranlasste Datenbanken (etwa öffentliche Register) diesem Datenbankschutz unterliegen. Urteile des Oberlandesgerichts Dresden und des österreichischen OGH haben die Auffassung vertreten, dies sei aufgrund der abschließenden Regelung von Art. 9 der EU-Datenbank-Richtlinie der Fall.

Nach Auffassung des deutschen Bundesgerichtshofs hingegen gilt § 5 UrhG auch für amtliche Datenbanken. Zur Frage, ob diese Auslegung mit der EU-Datenbank-Richtlinie vereinbar ist, hat er mit Beschluss vom 28. September 2006 (Az. I ZR 261/03 - "Sächsischer Ausschreibungsdienst") eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs eingeholt. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus.

Jedenfalls einzelne Entnahmen von gemeinfreien Gesetzestexten aus einer geschützten Datenbank, soweit diese nicht systematisch erfolgen, dürften allerdings nicht gegen die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers verstoßen.

In Deutschland beanspruchen die Verwaltungsabteilungen von Gerichten bzw. Justizministerien häufig - für Kritiker in Widerspruch zu § 5 UrhG - ein überwiegend mit dem Datenbankschutz begründetes Schutzrecht auf die von ihnen im Internet präsentierten Entscheidungssammlungen, für die sie einen gewerblichen Gebrauch ausschließen möchten.

Private Normwerke

Auf Druck der Ersteller von Normwerken wie DIN e.V. wurde 2003 Absatz 3 in § 5 des deutschen Urheberrechtsgesetzes eingefügt. Der Einsatz der Initiative gegen die Direktgeltung privater Normen im Bauwesen (IDIN) gegen die Änderung der Rechtslage war damit erfolglos.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - I ZR 185/ 03 - Bodenrichtwertsammlung
  2. vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 5, Rdnr. 4; Schricker GRUR 1991, 645, 652 f.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl., Rdnr. 517; Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 5, Rndr. 20; Möhring/Nicolini/Gass, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 5 Rdnr. 14; Schmid/Wirth, Urheberrechtsgesetz Handkommentar, § 5 Rn. 4; Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 31 Rdnr. 10 m.w.N.; a.A. Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht, 9. Aufl., S. 207, der allerdings für Sondermarken auch dagegen ist.
  3. Hirte
  4. SR 231.1 Art. 5 Nicht geschützte Werke (Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte)
  5. Legea dreptului de autor: Legi inter net
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