Joseph Wittig

Joseph Wittig

Joseph Wittig (* 22. Januar 1879 in Neusorge b. Schlegel, Landkreis Neurode/Schlesien; † 22. August 1949 Göhrde/Niedersachsen) war ein deutscher Theologe, Schriftsteller und Heimatforscher der Grafschaft Glatz.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Herkunft

Joseph Wittig besuchte die Volksschule in Schlegel und wurde von Dezember 1892 bis März 1893 von dem damaligen Schlegler Kaplan Heinrich May für die Aufnahmeprüfung in die Untertertia des St.-Matthias-Gymnasiums in Breslau vorbereitet, das er ab April 1893 bis zum Abitur 1899 besuchte. Seine Eltern waren der Zimmermann Eduard Wittig und Johanna, geb. Strangfeld.

Studium und Hochschullaufbahn

Joseph Wittig studierte an der Universität Breslau Katholische Theologie und promovierte 1903 zum Doktor der Theologie. Im gleichen Jahr wurde er in der Breslauer Kreuzkirche durch Bischof Georg Kardinal Kopp zum Priester geweiht und war anschließend Kaplan in Lauban.

Ab 1904-1905 verbrachte er mit dem Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom zu Vertiefung seiner Studien der Christliche Archäologie. Hier traf er den gleichaltrigen Franz Joseph Dölger, mit dem zusammen er eine kurze Studienreise nach Nordafrika unternahm. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er zuerst Kaplan in Patschkau, dann in Breslau bei St. Maria auf dem Sande. 1909 wurde er durch die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Breslau für das Fach Kirchengeschichte habilitiert. Anschließend übernahm er als Privatdozent die Vertretung seines erkrankten Lehrers Max Sdralek. In dieser Zeit war er auch Vize- bzw. Präses des Gesellenvereins.

1911 wurde er zum außerordentlichen Professor für Alte Kirchengeschichte und Christliche Archäologie, 1915 zum ordentlichen Professor für Kirchengeschichte, Patrologie und kirchliche Kunst an der Theologischen Fakultät der Universität Breslau ernannt, wo er im Studienjahr 1917/1918 auch das Amt des Dekans ausübte.

Aus der Bahn geworfen

Mit dem Aufsatz Die Erlösten, der 1922 in der Kulturzeitschrift Hochland erschien, begannen die Schwierigkeiten mit der Amtskirche. In dem Artikel stellte Wittig der Theologie, deren Aussagen zur Erlösung oft schwer verständlich waren, in erzählerischer Form die von Alltagserfahrungen getragenen Ängste und Erlösungswünsche der einfachen Christen gegenüber. Er griff z.B. die katholische Beichtordnung an und forderte "mehr Seligkeit, mehr Gottesfreude". Noch im gleichen Jahr entband ihn der Breslauer Erzbischof und Kardinal Bertram von der Leitung der Marianischen Kongregation, und es wurde ihm nahe gelegt, das Amt des Universitätspredigers aufzugeben. 1925 wurden mehrere seiner wissenschaftlichen Schriften, in denen er sich für Reformen in der katholischen Kirche eingesetzt hatte, auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Die Auseinandersetzungen mit der Amtskirche hatten die Beurlaubung an der Universität und schließlich im Jahre 1926 die Exkommunikation zur Folge.

Weiteres Leben

Joseph Wittig kehrte enttäuscht in sein Heimatdorf Neusorge zurück und lebte dort als Privatgelehrter und Schriftsteller. 1927 heiratete er Bianca Geisler, Tochter des Bürgermeisters von Habelschwerdt, und gründete eine Familie.

Neben der Bearbeitung theologischer Themen schrieb er viele volkstümliche Geschichten und wirkte für Zeitschriften und Rundfunkanstalten. Zusammen mit dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber und mit Viktor von Weizsäcker gab er die Zeitschrift Die Kreatur heraus. Er verfasste die umfangreichen Chroniken von Schlegel und Neurode. Die Stadt Neurode ernannte ihn zum Ehrenbürger.

1946 wurde die Exkommunikation aufgehoben. Kurz danach erfolgte die Ausweisung aus seiner geliebten Heimat. Am 22. August 1949 starb Joseph Wittig in Göhrde. Seine letzte Ruhestätte fand er in Meschede/Westfalen. In seinem ehemaligen Haus in Neusorge, das 1945 als Folge des Zweiten Weltkriegs an Polen fiel, befindet sich heute ein Museum.

Werke

  • Papst Damasus I. Quellenkritische Studien zu seiner Geschichte und Charakteristik. Rom: Herder/Spithöver 1902 (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, Supplementheft 14)
  • Die altchristlichen Skulpturen im Museum der deutschen Nationalstiftung am Campo Santo in Rom. Rom: Typographia Polyglotta 1906
  • Filastrius, Gaudentius und Ambrosiaster. Breslau: Aderholz 1909
  • Die Friedenspolitik des Papstes Damasus I. und der Ausgang der arianischen Streitigkeiten. Breslau: Aderholz 1912
  • Zum Jubelfeste. Beilage zu Schlesische Volkszeitung Nr. 484 vom 20. Oktober 1912
  • Das Papsttum. Seine weltgeschichtliche Entwicklung und Bedeutung in Wort un Bild. Hamburg: Hansa o. J. (1913)
  • Vincenz von Paul. Leipzig: Quelle & Meyer 1920
  • Ein Apostel der Karitas. Der Breslauer Domherr Robert Spiske und sein Werk. Für die Kongregation der Ehrwürdigen Schwestern von der hl. Hedwig zur Hundert-Jahr-Feier des Geburtstages ihres Stifters und geistlichen Vaters. Breslau: Verlag des Mutterhauses der Schwestern von der hl. Hedwig / C. König 1921
  • Gerhard Rauschen, Grundriß der Patrologie mit besonderer Berücksichtigung des Lehrgehalts der Väterschriften. 6. und 7. Aufl. neu bearbeitet von Joseph Wittig. Freiburg: Herder 1921 (8. und 9. Aufl.: Grundriß der Patrologie. Die Schriften der Kirchenväter und ihr Lehrgehalt. Ebd. 1926)
  • Des hl. Basilius d. Gr. Geistliche Übungen auf der Bischofskonferenz von Dazimon 374/5 im Anschluß an Isaias 1-16. Breslau: Aderholz 1922
  • Herrgottswissen von Wegrain und Straße. Freiburg: Herder 1922
  • Wiedergeburt. Habelschwerdt: Franke, 2. Aufl. 1923
  • Meine "Erlösten" in Buße, Kampf und Wehr. Habelschwerdt: Frankes Buchhandlung F. Wolf 1923
  • Die Kirche im Waldwinkel und andere Geschichten vom Glauben und vom Reiche Gottes. Kempten: Kösel & Pustet 1924
  • Bergkristall. Mit Bildern von Hans Franke. Habelschwerdt: Franke 1924
  • Osterbrunnen. Elberfeld: Bergland-Verlag 1926
  • Aus der Schönen Grafschaft. 44 Bilder von Georg Marx mit Skizzen von Joseph Wittig. Habelschwerdt: Franke 1926 (2. Aufl.: 50 Bilder ..., ebd. 1929)
  • zusammen mit Eugen Rosenstock-Huessy: Das Alter der Kirche. 3 Bde. Berlin: Schneider 1927/1928
  • Der Ungläubige und andere Geschichten vom Reiche Gottes und der Welt. Heilbronn: Salzer 1928
  • Höregott. Gotha: Klotz 1929
  • Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo. Leipzig: Klotz 1929
  • Aussichten und Wege. Gotha: Klotz 1930
  • Tröst mir mein Gemüte. Heilbronn: Salzer 1930
  • Michael Gottschlichs Wanderung. Heilbronn: Salzer 1931
  • Das Schicksal des Wenzel Böhm. Eine Herrgottsgeschichte. Heilbronn: Salzer 1931
  • Getröst, getröst, wir sind erlöst! Heilbronn: Salzer 1932
  • Das verlorene Vaterunser. Heilbronn: Salzer 1933
  • Vom Warten und Kommen. Adventbriefe. Stuttgart: Klotz 1938
  • Volksglaube und Volksbrauch in der Grafschaft Glatz. Neurode: Klambt 1939
  • Chronik der Stadt Neurode. Neurode: Stadt Neurode 1937
  • Das neue Antlitz. Kempen: Thomas 1947
  • Novemberlicht. Kempen: Thomas 1948
  • Gold, Weihrauch und Myrrhe. Köln: Drei-Königen-Verlag 1948
  • Karfunkel. Weltliche Unterhaltungen und Skizzen für die heilige Weihnachtszeit. Münster: Regensberg 1948
  • Aus Joseph Wittigs verlorener Heimat, der schönen Grafschaft Glatz. Köln: Pick 1948
  • Roman mit Gott. Tagebuchblätter der Anfechtung. Stuttgart: Klotz 1950
  • Vom Warten und Kommen. Adventsbriefe. Stuttgart: Klotz 1951.
  • Chronik der Gemeinde Schlegel, Bd. I und II, Herausgeber: Heimatgemeinde Schlegel e. V. Hattingen/Neuss: Eigenverlag 1983
  • Kraft in der Schwachheit. Briefe an Freunde, hrsg. von Gerhard Pachnicke. Moers: Brendow 1993

Literatur

  • Stephan Dressler / Viktor von Weizsäcker: Medizinische Anthropologie und Philosophie. Wien, Berlin 1989 (Ueberreuter Wissenschaft, Wiener Studien zur Medizin, Geschichte und Philosophie 1)
  • Josef Hainz (Hg.): Abschied vom Gott der Theologen: Zum Gedenken an Joseph Wittig (1878–1949) – fünfzig Jahre nach seinem Tod. Kelkheim-Eppenheim, Eigenverlag, 2000
  • Josef Hainz (Hg.): Reformkatholizismus nach 1918 in Deutschland: Joseph Wittig (1879–1949) und seine Zeit. Dokumentation des Symposions der "Bibelschule Königstein e.V." am 30./31. März 2001 in Königstein. Kelkheim-Eppenhain 2002
  • Siegfried Kleymann: "... und lerne, von dir selbst im Glauben zu reden." Die autobiographische Theologie Joseph Wittigs (1879–1949); Echter: Würzburg 2000, ISBN 3-429-02190-1
  • Joachim Köhler: Joseph Wittig. In: Schlesische Lebensbilder, Bd. VIII, S. 255–262, ISBN 3-7686-3501-5
  • Das Joseph Wittig Buch (Joseph Wittig in memoriam). Mit einer Würdigung seines Lebenswerkes von Paul M. Laskowsky, Verlag Klotz, Stuttgart 1949
  • Alojzy Marcol (Hg.): Joseph Wittig – śląski teolog i historiograf (Joseph Wittig - schlesischer Theologe und Geschichtsschreiber) / Sympozjum Naukowe z Okazji Otwarcia Domu Wittiga, Nowa Ruda - Słupiec, 8 - 10 V 1997. Nowa Ruda 1997
  • Eugen Rosenstock: Religio depopulata. Zu Josef Wittigs Ächtung. Lambert Schneider, Berlin 1926
  • Horst Stephan: Ein Leben mit Höhen und Tiefem, in: Schlesischer Kulturspiegel, Jg. 44, 2009, S. 67–68

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Joseph Wittig — (January 22, 1879 August 22, 1949) was a German theologian and writer who was born in Neusorge, a village in the district of Neurode, Silesia.In 1903 he received his doctorate of theology from the University of Breslau, and was ordained a priest… …   Wikipedia

  • Wittig — ist der Name folgender Orte und Gewässer: Wittig (Fluss) Wittig (Vítkov), ehemalige Gemeinde im Okres Liberec, Tschechien, siehe Ober Wittig (Horní Vítkov), Ortsteil von Chrastava Nieder Wittig (Dolní Vítkov), Ortsteil von Chrastava Wittig ist… …   Deutsch Wikipedia

  • Wittig — Wịttig,   1) Edward, polnischer Bildhauer, * Warschau 22. 9. 1879, ✝ ebenda 3. 3. 1941; anfangs am Werk A. Rodins orientiert, ging er unter dem Einfluss von A. Bourdelle und A. Maillol zu einer Vereinfachung der plastischen Form über. Ab 1920… …   Universal-Lexikon

  • Ober Wittig — Horní Vítkov Hilfe zu Wappen …   Deutsch Wikipedia

  • Peter Joseph William Debye — Peter Debye Peter Debye (1912) Peter Joseph William Debye (24 mars 1884 2 novembre 1966) (né Petrus Josephus Wilhelmus Debije) est un physicien et chimiste néerlandais. Sommaire …   Wikipédia en Français

  • Liste der Biografien/Wit — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Eugen Rosenstock-Huessy — Infobox Person name = Eugen Rosenstock Huessy image size = caption = Eugen Rosenstock Huessy. Photo courtesy of Mariot Huessy, Eugen Rosenstock Huessy Fund birth name = Eugen Friedrich Moritz Rosenstock birth date = July 6, 1888 birth place =… …   Wikipedia

  • Slupiec — Słupiec (deutsch Schlegel) ist ein Stadtteil der Stadtgemeinde Nowa Ruda in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen. Inhaltsverzeichnis 1 Geographie 2 Geschichte 2.1 Die Gutsherrschaft 2.2 Kohleförderung …   Deutsch Wikipedia

  • Alfons Beil — (* 3. September 1896 in Gutenstein an der Donau; † 1. März 1997 in Heidelberg) war ein deutscher katholischer Priester, Monsignore und Autor. Er schrieb auch unter dem Pseudonym Albert Bieler. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Eugen Rosenstock-Huessy Gesellschaft — Eugen Moritz Friedrich Rosenstock Huessy (* 6. Juli 1888 als E. M. F. Rosenstock in Berlin Steglitz; † 24. Februar 1973 in Norwich, Vermont, USA) war ein deutscher und amerikanischer Rechtshistoriker und Soziologe, dessen lebenslanges Forschen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”