Josua Reichert

Josua Reichert

Josua Reichert (* 1937 in Stuttgart) ist ein deutscher Drucker, Typograf, Grafiker und Autor, der in Haidholzen (Gemeinde Stephanskirchen) in der Nähe von Rosenheim lebt und arbeitet.

Inhaltsverzeichnis

Werk

Auf dem Gebiet der Typografie gilt Josua Reichert als der wichtigste, zeitgenössische europäische Künstler. In den Werken Reicherts, der entscheidende Impulse durch HAP Grieshaber und Hendrik Nicolaas Werkman empfing, verschmelzen Schrift und Bild, Text und Typografie zu einer neuen Einheit und führen in eine neuartige ästhetische Dimension. Reicherts ebenso singuläres wie innovatives Werk, das in fünf Jahrzehnten entstand, besticht durch innere Kohärenz und äußerste Konsequenz.

Mit seinen kraftvollen, farbigen Schrift-Bildern spannt Reichert einen weiten Bogen über die Schriftkulturen, Weltliteraturen und Zeiten. Er druckt mit lateinischen, griechischen, kyrillischen, hebräischen und arabischen Schriften; sein Textkanon reicht von der Antike bis in die Gegenwart. Eine Beschränkung auf Kulturkreise und Epochen lässt er nicht gelten. Maßstab für die Auswahl der Gedichte, Fragmente und Sentenzen, die der Literaturliebhaber aus den Büchern aller Zeiten herausholt und in Schrift-Bilder verwandelt, ist ihre poetische Qualität und Gültigkeit. Die Texte müssen sein Innerstes berühren und seine typografische Fantasie beflügeln. Die Schrift-Bilder, die er dem Betrachter vor Augen führt, verlangen sowohl Lesen als auch Sehen.

Von Anbeginn an druckt er auch Typobilder, die er „Poesia Typographica“ nennt: Buchstabenarchitekturen und Buchstabenlandschaften zumeist, aber auch Bilder, auf denen Buchstaben, gar Wörter gänzlich fehlen, Kompositionen aus Linien, Punkten, Kreisen, Rechtecken und Dreiecken.

Das Gesamtwerk Reicherts, der 1968 an der documenta 4 teilnahm, umfasst die Werkgruppen „Stempeldrucke“, „Poesia Typographica“, „Collagen“, „Einblattdrucke“, den „Haidholzener Psalter“ (über einhundert verschiedene Drucke von rund dreißig Psalmen), „Plakate“ (seit 1960 entstanden rund 160 Künstlerplakate), „Handdrucke“ (Reiberdrucke mit dem Löffel, die wie gemalt erscheinen), „Schrift-Bilder“ sowie „Mappenwerke, Codices, Bücher und Faltbogen“.

Zu seinen Büchern gehören „Der Druckereiwagen. Aus dem Reise-, Tage-, Märchen- und Bilderbuch des Druckers“ und das „Schöpfungsalfabet aus dem Buch Sohar“, beide als Drucke der Sisyphos Presse in Leipzig erschienen.

Ein Spezifikum in Reicherts Werk stellt eine Reihe von Heften, Broschüren und Konvoluten dar, die er seit Ende der 1980er Jahre druckt und deren Anzahl mittlerweile auf etwa 60 angewachsen ist. Die Druckstücke, in Format und Umfang unterschiedlich, enthalten Originaltypos, Abbildungen, Fotos sowie eigene und fremde Texte. Es sind Beiträge verschiedener Autoren zu Reicherts Druckkunst und autobiografische Abrisse und sorgfältig ausgearbeitete Selbstvergewisserungen vor der Geschichte der Typografie. In der Folge der Hefte entsteht eine Autobiografie, eine work-in-progress-Dokumentation, wie es sie vergleichbar in Literatur und bildender Kunst nicht gibt. Gerade in diesen Heften tritt der Autor Reichert in Erscheinung.

Mehrere Hundert Werke des Druckers befinden sich im öffentlichen Besitz. Sie hängen zumeist in Bibliotheken, Bildungsstätten, Verwaltungsgebäuden, Gerichten, Kliniken und in einer Schlosskapelle. So sind zum Beispiel die „Stuttgarter Drucke“, 36 großformatige Arbeiten, in der Württembergischen Landesbibliothek zu sehen. In Garching bei München steht vor der Speicherbibliotkek der Bayerischen Staatsbibliothek eine sechs Meter hohe Cortenstahl-Plastik des Künstlers.

Vita

Stipendien

Preise und Auszeichnungen

Ausstellungen

Über 200 Einzelausstellungen im In-und Ausland, zum Beispiel in Berlin, Leipzig, Stuttgart, München, Baden-Baden, Frankfurt a.M., Offenbach a.M., Altenburg, Bonn, Reutlingen, Dublin, Amsterdam, Brüssel, Paris, Mailand, Rom, Lissabon, Rabat und Istanbul.

Literatur (Auswahl)

  • Werkverzeichnis 1959 –1995. Bearbeitet von Waltraut Pfäfflin und Klaus Maurice. Mit Anmerkungen des Künstlers zu seinen Werkgruppen. Verlag Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 978-3775706414
  • Leidenschaftliche Liebe. Eine Ausstellung im Goethejahr von Josua Reichert. Offenbach am Main 1982: Klingspor-Museum
  • Josua Reichert, Jutta Penndorf (Red.): Poesia Typographica. Altenburg 1989: Staatliches Lindenau-Museum
  • Josua Reichert, Beate Grubert-Thurow (Red.). Handdrucke 1971 –1994. Städtisches Kunstmuseum Spendhaus, Reutlingen 1995, ISBN 978-3861040088
  • Ina Prinz (Hsg.): Josua Reichert im Arithmeum. Arithmeum im Forschungsinstitut für diskrete Mathematik, Bonn 1999, ISBN 978-3416029360
  • Wiederholte Spiegelungen. Typographische Bilder von HN Werkman, Willem Sandberg, HAP Grieshaber, Josua Reichert, Ewald Spieker. Mit einem Text von Wolfgang Glöckner. Städtische Galerie, Rosenheim 2005
  • Wolfgang Glöckner: Printing is a way of life. Der Drucker Josua Reichert. Städtisches Kunstmuseum Spendhaus, Reutlingen 2010
  • Josua Reichert. Der Drucker in Italien. Mit einer Einleitung von Wolfgang Glöckner. Städtisches Kunstmuseum Spendhaus, Reutlingen 2010

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Josua — (hebr. יְהוֹשֻׁעַ: Jehoschua) ist ein männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung 2 Übersetzungen 3 Namenstag 4 Varianten …   Deutsch Wikipedia

  • Reichert — ist der Familienname folgender Personen: Achim Reichert (* 1941), deutscher Landespolitiker (Hamburg) (STATT) Benjamin Reichert (* 1983), deutscher Fußballspieler Bernd Reichert (* 1941), deutscher Landespolitiker (Baden Württemberg) (CDU) Carl… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Rei — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Documenta 3 — Hans Arp: Evocation Humaine, Lunaire, Spectrale (1950) Nach dem großen Erfolg der documenta 1 und der documenta II war die Institutionalisierung der documenta als internationale Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst nur folgerichtig.… …   Deutsch Wikipedia

  • Documenta III — Hans Arp: Evocation Humaine, Lunaire, Spectrale (1950) Nach dem großen Erfolg der documenta 1 und der documenta II war die Institutionalisierung der documenta als internationale Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst nur folgerichtig.… …   Deutsch Wikipedia

  • Defet — Marianne Defet (* 19. Februar 1926; † 24. Juni 2008) war eine deutsche Pinselfabrikantin und Kunstmäzenatin. Zusammen mit Ihrem Mann Hans Friedrich Defet, genannt Hansfried, war sie Eigentümerin der da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet GmbH. Beide …   Deutsch Wikipedia

  • Documenta 4 — Sonderbriefmarke der Deutschen Post zur Documenta X 1997 – Motiv: Grafik von Frank Stella zur 4. documenta (aus seiner Wedge Series V) …   Deutsch Wikipedia

  • Documenta IV — Sonderbriefmarke der Deutschen Post zur Documenta X 1997 – Motiv: Grafik von Frank Stella zur 4. documenta (aus seiner Wedge Series V) …   Deutsch Wikipedia

  • IV. documenta — Sonderbriefmarke der Deutschen Post zur Documenta X 1997 – Motiv: Grafik von Frank Stella zur 4. documenta (aus seiner Wedge Series V) …   Deutsch Wikipedia

  • Marianne Defet — (* 19. Februar 1926; † 24. Juni 2008) war eine deutsche Pinselfabrikantin und Kunstmäzenatin. Zusammen mit Ihrem Mann Hans Friedrich Defet, genannt Hansfried, war sie Eigentümerin der da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet GmbH. Beide förderten… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”