Anadoluda Vakit

Anadoluda Vakit
Anadolu'da Vakit
Beschreibung türkische Tageszeitung
Erstausgabe 2001
Erscheinungsweise täglich
Auflage ca. 56 000[1] Exemplare
Chefredakteur Harun Aksoy
Herausgeber Nuri Aykon
Weblink www.vakit.com.tr

Anadolu'da Vakit (Die Zeit in Anatolien) ist eine türkische Tageszeitung. Die türkischsprachige Europa-Ausgabe erschien seit Dezember 2001[2] im Verlag Yeni Akit GmbH in Mörfelden-Walldorf, der 2005 verboten wurde. Sie war unter anderem durch Verharmlosung des Nationalsozialismus und Antisemitismus in die Kritik geraten. Nach Verlagsangaben lag die Europa-Auflage bei 10.000 Exemplaren[3], die Auflage in der Türkei liegt bei ca. 56.000 Exemplaren.[1]

Inhaltsverzeichnis

Islamistisches Profil

Dem Hessischen Verfassungsschutz zufolge sind Anzeigen für Veranstaltungshinweise und Werbung für die Milli Görüş (IGMG) häufig zu finden.[3] Den „Familientag“ der IGMG bezeichnete die Anadoluda Vakit als vorbildlich und meinte, im Gegensatz zur Türkei, wo das soziale Leben von der Herrschaft der kulturellen Werte einer muslimischen Gesellschaft geformt sei, bestehe in Europa eine völlig fremde sozio-kulturelle Struktur, die auf völlig gegensätzlichen Werten beruhe.[4] Der Geschäftsführer der Yeni Akit war Vorstandsmitglied des Islamischen Vereins Hanau, ein zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs gehörender Moscheeverein[5], und zweiter Vorsitzender des Hanauer Ausländerbeirats.[6] Der Verfassungsschutzbericht 2004 ordnete die türkischsprachige Zeitung keiner bestimmten Organisation zu, wies aber auf ein islamistisches Profil hin, das sich insbeson­dere in antisemitischen und antiamerikanischen Beiträgen zeige.[2]

Verbot in Deutschland

Der Bayerische Verfassungsschutz berichtet, ein Kolumnist habe am 5. November 2004 die „Feinde des Islam“ bedroht und damit den Mord an dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh gerechtfertigt.[7] Am 15. November 2004 schrieb die Anadoluda Vakit in einem als „Freitagspredigt” hervorgehobenen Beitrag:

„Der Islam ist die Religion unseres Erschaffers, die er für die Menschheit vorgesehen hat. Der Islam ist das Lebensprogramm eines jeden Menschen und die Quelle seines Glücks … Alle Wesen, die an die einzig wahre göttliche Religion nicht glauben oder daran glauben, aber die Gebote nicht befolgen, sind potenzielle Quellen des Bösen. Ihr Tod kann nur eine Befreiung für alle anderen Wesen bedeuten.”

Der Verfassungsschutz Schleswig-Holsteins bewertet dies als Denken in „Feindbildern, die jederzeit für beliebige politische Zwecke instrumentalisiert“ werden können.[8]

MdB Kristina Köhler berichtete 2004 im Bundestag von den rechtswidrigen und bis dahin unbeachteten Äußerungen der Vakit. Daraufhin bezeichnete die Zeitung sie als „Schachfigur der Zionisten“. Nach einer Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Vakit druckte diese ein Foto der Abgeordneten Köhler und schrieb: „Köhler startet dort, wo Hitler aufgehört hatte und sie nennt das Vorbeugen“. In einer anderen Ausgabe hieß es: „Ihr werdet den Nerven dieser Frau schaden, dass sie krank wird.“[9]

Am 25. Februar 2005 wurde der Verlag vom Bundesministerium des Innern mit sofortiger Wirkung verboten, Beweismaterial und Vermögenswerte der Yeni Akit GmbH wurden beschlagnahmt. In einer Pressemitteilung des Ministeriums wird dazu erläutert:

„Rechtsgrundlage für das Verbot sind die §§ 3 und 17 VereinsG in Verbindung mit § 130 StGB (Volksverhetzung). Die Yeni Akit GmbH richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, ihr Zweck und ihre Tätigkeit laufen den Strafgesetzen zuwider. In einer Vielzahl von Artikeln wird der Holocaust geleugnet oder verharmlost und anti-semitische / anti-westliche Propaganda verbreitet.“

Das Verlagsverbot verhindert nicht, dass die in Deutschland lebenden Abonnenten der Vakit die türkische Originalausgabe der in der Türkei noch immer erscheinenden islamistischen Tageszeitung erhalten.

Das Verbot wurde von der Zeitung als „Hitlermethode“ bezeichnet.[10] Aufgrund des Verbots fand sich Innenminister Otto Schily in der Kritik der Zeitung wieder. Die Zeitung diffamierte ihn als „Hitlers Linken“ und karikierte Schily mit einem Hitlerbart und in einem Auto mit Rädern aus Hakenkreuzen sitzend. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde in einer Ausgabe mit den Worten „Wie ein Nazi-Kopf“ verunglimpft und mit Hakenkreuzen als Fußstapfen abgebildet. Politiker aller Parteien sprachen sich für diplomatische Verhandlungen mit der Türkei aus, die dazu führen sollten, dass die Zeitung auch in der Türkei verboten werde. Außenminister Joschka Fischer entgegnete aber, dass dies Angelegenheit der türkischen Strafverfolgungsbehörden sei.[11] Die Schlagzeile „Merkel ist der zweite Hitler“ fand sich in der Sonntagsausgabe vom 2. September 2007 über einem Foto der Bundeskanzlerin, auf deren Arm ein rotes Hakenkreuz prangt. So wie seinerzeit Hitler versucht habe, die Deutschen zu einer überlegenen Rasse zu machen, so wolle nun Angela Merkel dieses Projekt fortsetzen, schrieb der Vakit-Kolumnist Hasan Karakaya. Anlass für diesen Aufmacher war das am 1. September in Kraft getretene neue Zuwanderungsgesetz der Bundesrepublik, das sich vornehmlich gegen Türken richte, so Vakit.[12]

Verfahren in der Türkei

Vakit war in der Türkei in verschiedene Verfahren verwickelt, unter anderen nach § 301 TCK (Beleidigung des Türkentums, der Republik und der Institutionen und Organe des Staates).[13]

Die Ermordung des Oberverwaltungsrichters Mustafa Yücel Özbilgin und der Mordversuch an vier weiteren Mitgliedern des zweiten Senats des türkischen Oberverwaltungsgerichts im Jahr 2006 war nach Angaben des Täters Alparslan Arslan auch durch die Berichterstattung der Vakit motiviert. Die Zeitung hatte ein strittiges Kopftuch-Urteil zum Aufmacher über einen längeren Zeitraum gemacht, Bilder und Namen der einzelnen Richter veröffentlicht und zum Widerstand gegen die Justiz aufgerufen.[14] Zwei Verantwortliche der Zeitung wurden schließlich zu hohen Geldstrafen verurteilt.[15]

Ein ähnlicher Fall eines Richtermordes hatte sich schon 1995 ereignet. Damals hatte die Akit (früherer Name der Vakit) das spätere Mordopfer Ali Günday wegen eines Kopftuchverbots für Anwältinnen in die Schlagzeilen gebracht und angegriffen.[16]

Einzelnachweise

  1. a b Postmedya: wöchentliche Auflagezahlen türkischer Zeitungen, abgerufen am 14. März 2008
  2. a b Verfassungsschutzbericht 2004 zu Anadoluda Vakit, Seite 245
  3. a b Bericht des Hessischen Verfassungsschutzes, S. 39, 2003, (PDF-Dokument)
  4. Verfassungsschutzinformationen Bayern, 1. Halbjahr 2004
  5. Claudia Dantschke: Volksverhetzung und ein Schweigen im Blätterwald, Sicherheit-heute vom 2. März 2005
  6. Yavuz soll zurücktreten - Kaminsky will nicht warten Frankfurter Rundschau, 19. Januar 2005, S. 35
  7. Verfassungsschutzinformationen Bayern, 1. Halbjahr 2005 (PDF)
  8. Verfassungsschutzbericht, Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, 2002 (PDF)
  9. Verbot der Vakit war lange überfällig Kristina Köhler, Hartmut Koschyk, 25. Februar 2005
  10. Pressemitteilung des BMI zum Verbot, 2005
  11. Türkische Zeitung beleidigt Schröder, Daniel Friedrich Sturm, Die Welt, 11. Mai 2005
  12. Merkel als "zweiter Hitler" Die ZEIT vom 3. September 2007
  13. Bericht des Europäischen Parlament zu Art. 301 TCK
  14. Mord an Oberverwaltungsrichter nährt Verschwörungstheorien Politischer Bericht Türkei, Konrad Adenauer Stiftung 7. Juni 2006
  15. Newspaper Fined for Incurring State Officials Erol ONDEROGLU, BIA News Center 22/03/2007
  16. Kemal Silay (Center for Islamic Pluralism, CIP) „Lawyers of Allah: Islamist Terror and Organized Crime in Turkey“, American Jewish Committee Counterterrorism Watch, December 2006

Weblinks


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