Justizvollzug

Justizvollzug
Zellentrakt in Alcatraz

Unter Strafvollzug im weiteren Sinne des Wortes versteht man den Vollzug gerichtlich ausgesprochener Strafen, beispielsweise auch der Todesstrafe. Im engeren und meist so benutzten Sinn bezeichnet der Begriff lediglich den Vollzug der Freiheitsstrafe. Diese hat sich in den westlichen Gesellschaften im Verlauf des 19. Jahrhunderts als Hauptstrafe durchgesetzt.

Der Strafvollzug in diesem engeren Sinn findet im Rahmen eines rechtsförmigen Strafvollstreckungsverfahrens statt und wird durch das Strafvollzugsrecht geregelt. Er erfolgt in Gefängnissen, die in Deutschland Justizvollzugsanstalten (JVA), in Österreich Justizanstalten und in der Schweiz Strafanstalten heißen.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Außenanlagen der JVA Bochum

Gegenstand des deutschen Strafvollzugs ist die Vollstreckung der gerichtlich verhängten Freiheitsstrafe. Nicht zum Strafvollzug gehören der Maßregelvollzug (§ 63, § 64 Strafgesetzbuch), die Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB, die Untersuchungshaft, der Vollzug der Jugendstrafe und die Abschiebehaft. Untersuchungshaft, Sicherungsverwahrung und gelegentlich auch Abschiebehaft werden in Justizvollzugsanstalten vollzogen, die Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten, die Jugendstrafe in besonderen Justizvollzugsanstalten für jugendliche Täter (Jugendstrafanstalten).

Strukturen des deutschen Strafvollzugs

Der gegenwärtige Strafvollzug in Deutschland war zunächst durch das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) sowie durch bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften (VVen) bundeseinheitlich gesetzlich geregelt. Die VVen stellen keine verbindlichen Rechtsvorschriften dar, sondern sind lediglich (justizverwaltungsinterne) Ermessens- bzw. Auslegungsrichtlinien. Durch die Föderalismusreform von 2006 wurde die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes für den Strafvollzug durch eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder abgelöst. Einzelne Bundesländer haben bereits eigene Strafvollzugsgesetzes erlassen, die in ihrem Geltungsbereich dem ansonsten weitergeltenden Bundesrecht vorgehen.

Vollzugsziel und Vollzugsgrundsätze

In § 2 Satz 1 StVollzG ist als Vollzugsziel die Resozialisierung festgeschrieben. Häufig wird jedoch auch von (Re-) Sozialisation gesprochen, da man annimmt, dass ein Teil der zu Freiheitsstrafe Verurteilten im Rahmen des Strafvollzugs erstmals mit den gesellschaftlich verbindlichen Normen vertraut gemacht wird. Darüber hinaus gehört zu den weiteren Aufgaben des Strafvollzugs der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten (§ 2 Satz 2 StVollzG). Allerdings handelt es sich dabei nach herrschender Meinung nicht um ein gleichrangiges Ziel des Vollzugs. Vielmehr soll dadurch lediglich der Sicherungs-Aspekt der Freiheitsstrafe (negative Spezialprävention) als Minimal-Aufgabe des Vollzugs der Freiheitsstrafe zum Ausdruck gebracht werden. Die Berücksichtigung anderer Strafzwecke wie Schuldausgleich, Generalprävention etc. bei der Gestaltung des Vollzugs ist dagegen nach herrschender Meinung nicht zulässig.

Die Vollzugsgrundsätze sind in § 3 StVollzG geregelt:

  1. Nach dem Angleichungsgrundsatz sollen die Verhältnisse innerhalb der JVA so weit es geht den Verhältnissen der Außenwelt angeglichen werden, etwa durch Arbeit, Freizeit und Ausbildung.
  2. Nach dem Gegensteuerungsgrundsatz ist den schädlichen Folgen der Haft entgegenzuwirken, beispielsweise durch Besuche oder Vollzugslockerungen wie Ausgang, Freigang und Urlaub.
  3. Nach dem Wiedereingliederungsgrundsatz soll der Gefangene auf sein Leben nach der Haft vorbereitet werden, etwa durch Urlaub zur Entlassungsvorbereitung (§ 15 StVollzG), Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes (§ 16), Hilfe zur Entlassung (§ 74) sowie Entlassungsbeihilfe (§ 75 StVollzG).

Offener oder geschlossener Vollzug

Nachdem die Verurteilung rechtskräftig geworden ist, kommt der Inhaftierte in eine Anstalt des offenen oder des geschlossenen Vollzuges. Der Unterschied zu einem geschlossenen Vollzug ist, dass die Gefangenen sich innerhalb des Gefängnisses frei bewegen können. Im geschlossenen Vollzug sind die einzelnen Hafträume der Häftlinge abgesperrt und werden nur zu bestimmten Zeiten geöffnet. Auf Antrag können Insassen des Offenen Vollzuges sogar ihrer Arbeit nachgehen oder Freigang erhalten. Während der Haft ist ein Wechsel zwischen beiden Einrichtungen möglich.

Das Strafvollzugsgesetz schreibt in § 10 vor, dass ein Gefangener im offenen Vollzug untergebracht wird, wenn keine Befürchtung besteht, dass der Gefangene entweichen oder die besonderen Möglichkeiten missbrauchen würde. Die Kriterien zur Entscheidung, ob einem Gefangenen die Fähigkeit zur Einhaltung der Regeln zugetraut wird, sind je nach Bundesland unterschiedlich festgelegt.

War der Verurteilte zum Zeitpunkt der Verurteilung in Straf- oder Untersuchungshaft oder handelt es sich um einen Rückfalltäter, wird die Freiheitsstrafe meist im geschlossenen Vollzug vollstreckt. Wenn der Gefangene während der Haft als nicht fluchtgefährdet und nicht für die Gemeinschaft gefährlich eingeschätzt wird und an der Umsetzung des Vollzugsziels mitarbeitet, kann er in den offenen Vollzug verlegt werden. Umgekehrt werden Gefangene in den geschlossenen Vollzug (zurück) verlegt, wenn sie Regeln missachten. Die Interpretation des im Strafvollzugsgesetz gegebenen Entscheidungsspielraums zeigt unter anderem in Abhängigkeit von politischen Grundeinstellungen eine erhebliche Bandbreite.

Im Jugendstrafvollzug gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, Jugendliche und Heranwachsende im Jugendstrafvollzug in freien Formen nach § 91 (3) JGG unterzubringen. Diese Vollzugsform zwischen geschlossenem und offenen Strafvollzug wird zur Zeit nur in Baden-Württemberg durchgeführt. Jugendstrafgefangene können im Projekt Chance Creglingen vom Christlichen Jugenddorfwerk oder im Seehaus Leonberg von Prisma e.V. untergebracht werden.

Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplan

Zu Beginn des Strafvollzugs wird mit Beteiligung des Gefangenen eine Behandlungsuntersuchung nach § 6 StVollzG durchgeführt. Hier erfasst man das Verhältnis des Gefangenen zu seiner Tat bezüglich Schuldeinsicht und Erklärungsversuchen, zu den Lebensumständen vor der Tat und in der Sozialisation sowie seine Möglichkeiten und Grenzen der Resozialisierung während der Verbüßung.

Bei Gewalt- und Sexualstraftätern wird besonders gründlich verfahren, indem die psychische Verfassung und die Bedeutung eventuell vorhandener Persönlichkeitsdefizite für das Tatgeschehen und das Verständnis der Person mittels Psychologischer Diagnostik beschrieben werden. Hierzu werden gegebenenfalls alle verfügbaren Informationsquellen herangezogen, insbesondere Urteil, Gutachten und Auszug aus dem Bundeszentralregister.

Dies mündet in einen Vollzugsplan, der den Verlauf der Haft bezüglich individueller Ziele skizziert (Arbeit, Ausbildung, schulische Bildung, Förderung sozialer Kontakte, Indikation psycho- oder sozialtherapeutischer Behandlung, Lockerungseignung etc.). Der Vollzugsplan wird regelmäßig fortgeschrieben, um Ziele und erforderliche Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Der Behandlungsauftrag des Strafvollzugs (§§ 2, 3, § 4 StVollzG) verlangt sowohl von den JVAen, Angebote der Behandlung anzubieten, als auch von dem Gefangenen, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuarbeiten.

§ 9 StVollzG schreibt vor, dass Gefangene, die wegen einer Sexualtat verurteilt wurden, in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen sind, wenn die Behandlung angezeigt ist. Zur Indikation der sozialtherapeutischen Behandlung gehört, dass der Gefangene einen Bearbeitungsbedarf sieht und die Motivation hat, an seinen Schwierigkeiten zu arbeiten. Ist dies nicht gegeben, wird er in den Normalvollzug verlegt, allerdings ist weiterhin zu versuchen, die Motivation zur Mitarbeit zu wecken und über eine Verlegung zu entscheiden (§ 7 Abs. 4 StVollzG).

Der erste Vollzugsplan ist in der Regel wesentlich umfangreicher als die folgenden Fortschreibungen.

Mit Blick auf Lockerungen (Ausgang, Urlaub) können im Vollzugsplan konkrete Zeiten und Kriterien festgelegt werden, an denen sich Gefangene orientieren können. Bei Gewalt- und Sexualtätern wird meist jedoch lediglich auf einen Zeitpunkt verwiesen, an dem Lockerungen geprüft werden, was nicht mit Gewährung von Lockerungen gleichzusetzen ist. Die Prüfung der Lockerungen fällt je nach Art des bedrohten Rechtsguts (also einer zu befürchtenden Straftat im Falle des Versagens des Gefangenen) unterschiedlich gründlich aus. Hier wird vor allem geprüft, inwieweit der Gefangene an der Erreichung des Vollzugsziels mitarbeitet, also sich mit seiner Tat und seinen künftigen Lebensumständen angemessen auseinandersetzt.

Vollzugslockerungen

Lockerungen werden nach eingehender Prüfung gewährt, wenn der Gefangene bestimmte Kriterien zu erfüllen vermag, insbesondere nicht als missbrauchs- oder fluchtgefährdet erscheint (vgl. Abschnitt Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplan).

Zu Lockerungen zählen das begleitete Verlassen der Anstalt (Ausführung) oder eigenständige Aufenthalte außerhalb ohne unmittelbare Begleitung, also Freigang zur Arbeit, Ausgang und Urlaub (§ 11, § 13, § 15 StVollzG).

Ausführungen stellen oft erste Schritte in Richtung selbstständiger Lockerungen dar. Bei besonders langstrafigen, etwa zu lebenslanger Haft verurteilten Gefangenen, werden gegebenenfalls über Jahre hinweg zunächst nur gesicherte Ausführungen zur Motivationsförderung gewährt.

Neben Ausgängen können Gefangene bis zu 21 Tage Urlaub im Jahr erhalten. Dieses Kontingent wird im offenen Vollzug meist ausgeschöpft. Im geschlossenen Vollzug wird in der Vollzugsplanung skizziert, wie viele Ausgänge und Urlaube gewährt werden, bevor der Gefangene nach dieser Vorbereitung in einen offenen Vollzug verlegt wird.

Entlassungsvorbereitung

Zur Vorbereitung der Entlassung können zusätzliche Ausführungen, Ausgänge und Urlaube sowie Hilfen zur Vorstellung bei Arbeitgebern, zur Wohnungssuche etc. gegeben werden. Die Entlassungsvorbereitungen sollten spätestens drei Monate vor dem voraussichtlichen Haftende beginnen. Bei Freigängern, also lockerungsberechtigten Gefangenen, können diese bereits neun Monate vor Strafende beginnen (§ 15 StVollzG).

Entlassung

Der Strafvollzug endet für den Gefangenen mit der Entlassung, die möglichst früh am Tage stattfindet. Fällt die Entlassung auf ein Wochenende oder einen Feiertag, kann der Termin auch um wenige Tage vorgezogen werden, um Zeit für nötige Behördengänge etc. zu haben. Mit der Entlassung erhält der Gefangene seine Habe und das sogenannte Überbrückungsgeld, das während der Haft vom Arbeitslohn zwangsweise angespart wurde. Voll angespart handelt es sich um eine Summe von über 1.000 Euro, die als Starthilfe zur Wohnungssuche und für unmittelbar nötige Anschaffungen direkt zur Verfügung steht. Hat der Gefangene Kinder, erhöht sich das „Ü-Geld“ (oder „die Brücke“). Gefangene, die während der Haft nicht oder nur wenig arbeiteten, haben deshalb bei der Entlassung oft kein Überbrückungsgeld zur Verfügung.

Als Entlassungszeitpunkt ist neben der Vollverbüßung gemäß §§ 57, 57a, 57b StGB auch eine vorzeitige Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt, zur Therapie nach § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtmG) sowie in sehr seltenen Fällen auf dem Wege des Gnadenersuchens möglich. Die Reststrafe wird dann in einer sogenannten „bedingten Entlassung“ zur Bewährung ausgesetzt. In manchen Bundesländern finden „Weihnachtsamnestien“ statt, die bei Erfüllung bestimmter Kriterien eine Entlassung zur Weihnachtszeit an einem vorgezogenen Datum im November ermöglichen.

Reststrafenentlassung
Ab dem Zwei-Drittel-Termin, mit geringerer Erfolgsaussicht auch schon zum Halbstrafentermin, kann der Inhaftierte einen Antrag auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB an die Strafvollstreckungskammer (StVK) stellen. Viele Inhaftierte machen sich große Hoffnungen auf eine vorzeitige Haftentlassung. Die Staatsanwaltschaft erfragt in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörde von der Anstalt eine Stellungnahme im Sinne einer Sozialprognose für die Zeit nach der Entlassung. Die StVK erhält sowohl diese Stellungnahme als auch weitere Vollstreckungsdaten als Grundlage der Entscheidungsfindung und verschafft sich unter Umständen weitere Informationen in Form von externen Gutachten. Der Gefangene wird von der StVK angehört, im Anschluss daran wird ein Beschluss gefasst. Bei einer für den Inhaftierten positiven Entscheidung wird die Entlassung eingeleitet, wenn die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel dagegen eingelegt hat. Bei negativen Beschlüssen wird gelegentlich vereinbart, welche Kriterien der Gefangene erfüllen sollte, um zu gegebener Zeit einen neuen Antrag zu stellen.
§ 35 Betäubungsmittelgesetz
Wenn der Gefangene eine Tat aufgrund von Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, kann er mit der Auflage, sich einer Therapie zu unterziehen, entlassen werden. Die Verbüßung der Strafe bzw. Reststrafe wird dann zurückgestellt. Dies gilt nur bei Freiheitsstrafen (auch Reststrafen) bis zu zwei Jahren. Voraussetzung ist, dass er einen Therapieplatz und eine Kostenzusage vorweisen kann und die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zustimmt.
Gnadengesuch
Sollte ein Reststrafengesuch für den Inhaftierten ohne Erfolg geblieben sein oder eine außerordentliche Situation eintreten, auf Grund derer der Inhaftierte unbedingt vorzeitig entlassen werden möchte, kann er eine gnadenweise vorzeitige bedingte Haftentlassung beantragen (Gnadengesuch). In der Praxis ist dies jedoch langwierig und selten erfolgreich.

Rechtsschutz

Gefangene, die sich in ihren Rechten verletzt fühlen, können zunächst Beschwerde gegen Entscheidungen und Maßnahmen der JVA beim Anstaltsleiter gem. § 108 StVollzG geltend machen. Findet sich hier auf den Widerspruch keine zufriedenstellende Entscheidung, kann der Gefangene sich an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden. Diese fordert im Allgemeinen eine Stellungnahme zum beanstandeten Sachverhalt von der betreffenden Anstalt ein. Da Anstalt und Aufsichtsbehörde nicht in einem unabhängigen, sondern hierarchischen Verhältnis innerhalb der totalen Institution Strafvollzug zueinander stehen, mag für Gefangene gelegentlich der Eindruck entstehen, dass Entscheidungen nicht unter Berücksichtigung der gebotenen Neutralität getroffen werden und sie ihre Rechte nur unter besonderen Erschwernissen erhalten können.

Gefangene, die Entscheidungen der Aufsichtsbehörde widersprechen wollen, können Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG) stellen. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer (StVK) beim örtlichen Landgericht. Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht möglich. Die gerichtliche Entscheidung führt zur Aufhebung der beanstandeten Maßnahme oder zu einer neuen Ermessensentscheidung der Anstalt. Gegebenenfalls kann nachträglich festgestellt werden, dass eine Maßnahme rechtswidrig war. Ist der normale Rechtsweg abgeschlossen, haben Gefangene noch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht nach §§ 90 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz und der Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht.

Von der StVK wird gem. § 115 StVollzG lediglich ein Beschluss gefasst, in dem eine Maßnahme aufgehoben wird oder die Anstalt zu einer angemessen Entscheidung verpflichtet wird, was nicht immer dem angestrebten Ergebnis entspricht. Gelegentlich vollziehen die betreffenden Behörden die Anordnungen der Vollstreckungskammern nicht angemessen, auch wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist (Renitenz). Schadensersatzklagen vor den Zivilgerichten führen aufgrund hoher Folgekosten im Erfolgsfall gelegentlich auch zu veränderten Entscheidungen der Behörden. [1]

Gefangenenbestand in Deutschland

Die Belegungsfähigkeit in Deutschland zum 31. März 2007 betrug 80.214 Haftplätze (davon offener Vollzug: 12.077) in 175 geschlossenen und 19 offenen Justizvollzugsanstalten, davon 4.283 Plätze für Frauen (im offenen Vollzug: 704). Hierin sind sowohl Untersuchungsgefangene, Strafgefangene als auch Sicherungsverwahrte erfasst.

Am 31. August 2006 waren in Deutschland 77.166 Personen in Justizvollzugsanstalten inhaftiert (Statistisches Bundesamt http://www.destatis.de/download/d/veroe/fach_voe/justizvollzug07.pdf). Dies war der höchste Stand, seit Daten für ganz Deutschland veröffentlicht werden (1993). Für die alten Bundesländer (51.506) war es der höchste Stand seit 1969 (zu welchem Zeitpunkt 54.685 Personen in Justizvollzugsanstalten inhaftiert waren). Seither ist die Gesamtzahl leicht auf 75.719 zurückgegangen. In diesen Zahlen sind die Untersuchungshaft und andere Formen der Freiheitsentziehung (Zivilhaft) enthalten. Hinzukommen ebenfalls steigende Zahlen im Maßregelvollzug. Der Anstieg im Justizvollzug betrifft primär die Strafgefangenen. Hier beträgt er innerhalb der letzten zehn Jahre für das gesamte Bundesgebiet durchschnittlich 20 Prozent. In einigen Bundesländern (Sachsen-Anhalt; Thüringen) hat sich die Zahl der Strafgefangenen in diesem Zeitraum sogar mehr als verdoppelt; in Bayern liegt eine Steigerung um 25 Prozent vor. Dementsprechend herrscht hier fast durchwegs Überbelegung. Von diesem Trend gibt es nur eine Abweichung: In Hamburg ist die Zahl der Strafgefangenen um 8 Prozent zurückgegangen. Angesichts der punitiven Kriminalpolitik von Kusch (und Schill) erscheint dies auf den ersten Blick unverständlich. Die Erklärung könnte allerdings in einem paradoxen "Kusch-Effekt" liegen: Je extremer sich die für den Vollzug Verantwortlichen gebärdeten, desto zurückhaltender scheinen die Hamburger Strafrichter Gebrauch von der Freiheitsstrafe gemacht zu haben.

Zentrale Einrichtungen in Deutschland

Da der Strafvollzug in der Zuständigkeit der Bundesländer liegt, gibt es keine bundesweit zentralen Einrichtungen.

Zwar wurde die JVA Stuttgart-Stammheim während des „deutschen Herbstes“ mehr oder weniger zentral zur Unterbringung der gefassten Straftäter aus dem Milieu der Baader-Meinhof-Bande (RAF) genutzt, war und ist aber nach wie vor eine JVA des Landes Baden-Württemberg. Manche der Terroristen waren beispielsweise auch in der JVA Köln untergebracht.

Neuere Entwicklungen in Deutschland

Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass für den Jugendstrafvollzug die verfassungsrechtlich erforderlichen, auf die besonderen Anforderungen des Strafvollzuges an Jugendlichen zugeschnittenen gesetzlichen Grundlagen fehlen und dem Gesetzgeber zum Erlass gesetzlicher Jugendstrafvollzugsregeln eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 gesetzt.

Am 7. Juli 2006 wurde von der Regierungsmehrheit aus CDU/CSU und SPD die Föderalismusreform beschlossen. Damit wurde die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes für den Strafvollzug durch eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder abgelöst. Diese Veränderung war und ist umstritten, weil sie geeignet erscheint, die Rechtseinheit im Strafrecht aufzulösen und die bestehenden Unterschiede im Vollzug zu vergrößern. Inzwischen haben sämtliche Bundesländer entsprechende Regelungen für den Jugendstrafvollzug erlassen, wobei Bayern, Hamburg und Niedersachsen den Jugendstrafvollzug in ein einheitliches Vollzugsgesetz eingebettet haben, wohingegen die anderen Bundesländer besondere Jugendstrafvollzugsgesetze geschaffen haben. Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben dabei einen gemeinsam erarbeiteten Entwurf zugrunde gelegt:

  • Baden-Württemberg: Jugendstrafvollzugsgesetz Baden-Württemberg vom 27. Juni 2007 (JStVollzG BW)
  • Bayern: Bayerisches Strafvollzugsgesetz vom 27. November 2007 (BayStVollzG)
  • Berlin: Jugendstrafvollzugsgesetz Berlin vom 15. Dezember 2007 (JStVollzG Bln)
  • Brandenburg: Brandenburgisches Jugendstrafvollzugsgesetz vom 18. Dezember 2007 (BbgJStVollzG)
  • Bremen: Bremisches Jugendstrafvollzugsgesetz vom 21. März 2007 (BremJStVollzG)
  • Hamburg: Hamburgisches Strafvollzugsgesetz vom 14. Dezember 2007 (HmbStVollzG)
  • Hessen: Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz vom 19. November 2007 (HessJStVollzG)
  • Mecklenburg-Vorpommern: Jugendstrafvollzug Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Dezember 2007 (JStVollzG MV)
  • Niedersachsen: Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz vom 10. Dezember 2007 (NJVollzG)
  • Nordrhein-Westfalen: Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2007 (JStVollzG NRW)
  • Rheinland-Pfalz: Landesjugendstrafvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz vom 3. Dezember 2007 (JStVollzG RLP)
  • Saarland: Saarländisches Jugendstrafvollzugsgesetz vom 30. Oktober 2007 (SJStVollzG)
  • Sachsen: Sächsisches Jugendstrafvollzugsgesetz vom 12. Dezember 2007 (SächsJStVollzG)
  • Sachsen-Anhalt: Jugendstrafvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt vom 7. Dezember 2007 (JStVollzG LSA)
  • Schleswig-Holstein: Jugendstrafvollzugsgesetz Schleswig-Holstein vom 19. Dezember 2007 (JStVollzG SH)
  • Thüringen: Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz vom 20. Dezember 2007 (ThüJStVollzG).

Für den Erwachsenenstrafvollzug gilt jedoch außerhalb von Bayern, Hamburg und Niedersachsen nach wie vor das (Bundes-) Strafvollzugsgesetz.

Österreich

Der Strafvollzug in Österreich wird durch das Strafvollzugsgesetz (StVG) von 1969 und die darauf aufbauenden generellen Vorschriften, insbesondere die Vollzugsordnung für Justizanstalten (VZO), geregelt. Nach § 20 StVG soll der Vollzug der Freiheitsstrafe den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Bedürfnissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und ihn abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens aufzeigen. Jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet, Arbeit zu leisten. In den österreichischen Justizanstalten waren im März 2005 rund 9.000 Personen in Haft.[2]

Siehe auch

Quellen

  1. Johannes Feest, Wolfgang Lesting, Peter Selling: Totale Institution und Rechtsschutz. Eine Untersuchung zum Rechtsschutz im Strafvollzug. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, ISBN 3-531-12998-8
  2. Bundesministerium für Justiz: Strafvollzug in Österreich – Justizanstalten (abgerufen: 19. März 2006)

Literatur

  • Michel Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. (1975) Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002, ISBN 3-518-27784-7
  • Erving Goffman: Asyle. 10. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-10678-3
  • Helmut Ortner: Gefängnis. Eine Einführung in seine Innenwelt. Geschichte, Alltag, Alternativen. Beltz, Weinheim 1988, ISBN 3-407-55706-X
  • Harald Poschner: Türen ohne Klinke. Ein Totschläger erzählt seine Lebensgeschichte. Aufgeschrieben von Katrin Rohnstock und Barbara Orth, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2007, ISBN 3-89602-756-5
  • Georg Wagner: Das absurde System. Strafurteil und Strafvollzug in unserer Gesellschaft. 2. Auflage. C. F. Müller Juristischer Verlag, Heidelberg 1985, ISBN 3-8114-7085-X
  • Kamann, Ulrich: Handbuch für die Strafvollstreckung und den Strafvollzug, ZAP Verlag/LexisNexis, 2. Auflage 2008, 928 Seiten, ISBN 978-3-89655-309-6

Weblinks

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