Kagyud

Kagyud
Tibetische Bezeichnung
Tibetische Schrift:
བཀའ་བརྒྱུད
Wylie-Transliteration:
bka’ brgyud
Aussprache in IPA:
[kacy]
Offizielle Transkription der VRCh:
Gagyü
THDL-Transkription:
Kagyü
Andere Schreibweisen:
Kagyu, Kargyu, Kargyü
Chinesische Bezeichnung
Traditionell:
白教、噶舉派
Vereinfacht:
白教、噶举派
Pinyin:
báijiào, Gájǔpài

Kagyü ist neben Nyingma, Sakya und Gelug eine der wichtigsten Schultraditionen des tibetischen Buddhismus.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Kagyü-Schulen des tibetischen Buddhismus gehen auf Marpa den Übersetzer (1012–1097) zurück, der die Mahamudra-Übertragungslinie von Tilopa (988–1069) und Naropa (1016–1100) weiterführte. Er ist einer der großen Übersetzer, die die Tradition der Neuen Übersetzungen (Sarma) begründete. Zu den Sarma-Schulen der neuen Übersetzungsperiode zählen heute die Kagyü-, Sakya- und die Gelug-Schule, im Gegensatz zu den alten Übersetzungen aus dem 9. Jahrhundert, aus denen sich die Tradition der Alten Übersetzungen (Nyingma) entwickelte.

Marpas Hauptschüler war der in Tibet wegen seiner entbehrungsreichen Lehrzeit und seinen spirituellen Gesängen weithin bekannte Yogi Milarepa (1042–1123). Milarepas wichtigste Schüler waren der spätere Tertön Rechung Dorje Dragpa (Rechungpa) (1084–1161), der die Lebensgeschichte Milarepas überlieferte, und der Mönch Gampopa (1079–1153) aus Dagpo. Gampopa wurde wegen seiner Gelehrsamkeit berühmt. Auch im Westen ist sein Werk zum Stufenweg (Lamrim) „Juwelenschmuck der Befreiung“ bekannt. Er begründete die für die Kagyü-Schulen typische Form der Belehrung, indem er die klösterliche Tradition der früheren Kadampa und die Yogi-Tradition der indischen Meister miteinander verschmelzen ließ.

Schulen der Kagyü-Tradition

Gampopa Dagpo Lhaye, auf ihn gehen die großen und kleinen Kagyü-Schulen zurück

Die Schulen der Kagyü-Tradition teilen sich traditionell in die „vier großen“ und „acht kleinen“ Kagyü-Schulen auf. Daneben gibt es aber noch weitere der Kagyü-Schulrichtung nahestehende Linien, sowie Zweiglinien, die aus den Kagyü-Traditionen hervorgegangen sind.

Vier große Kagyü-Schulen

Gampopa Dagpo Lhadje hatte vier Hauptschüler, die in der Folgezeit vier Schulen gründeten. Zu diesen Schulen zählen :

  • Barom-Kagyü (tib.: 'ba' rom bka' brgyud), gegründet von Barom Darma Wangchuk (tib.: 'ba' rom pa dar ma dbang phyug), auch Gründer des Barom-Klosters in der nördlichen Region von Latö.
  • Phaktru-Kagyü (tib.: phag gru bka' brgyud), gegründet von Phakmo Trupa Dorje Gyalpo (tib.: phag mo gru pa rdo rje rgyal po; 1110–1170), auch Gründer des Klosters Densa Thil in Phakmo.
  • Karma-Kagyü (tib.: kar ma bka' brgyud, auch Kamtsang-Kagyü (tib.: kam tshang bka' brgyud) genannt), gegründet vom 1. Karmapa Je Düsum Khyenpa (1110–1193).
  • Tsalpa-Kagyü (tib.: tshal pa bka' brgyud), gegründet von Zhang 'Gro-ba'i-mgon-po (bla ma zhang: Lama Zhang) (1123–1193), auch Gründer des Gungthang-Klosters.

Acht kleine Kagyü-Schulen

Von Gampopas Schüler Phakmo Trupa Dorje Gyalpo (1110–1170) gehen acht weitere, die sogenannten „kleinen“ Kagyü-Schulen aus. Sie werden historisch zwar als „kleine“ Schulen bezeichnet, einige von Ihnen wurden zwischenzeitlich aber bedeutender als manche von den großen Kagyü-Schulen. Die acht kleinen Kagyü-Schulen sind:

  • Drikung-Kagyü (tib.: 'bri gung bka' brgyud), gegründet von Jikten Gönpo (tib.: 'jig rten mgon po; 1143–1217).
  • Drukpa-Kagyü (tib.: 'brug pa bka' brgyud), gegründet von Lingrepa Pema Dorje (tib.: gling ras pa pad ma rdo rje; 1128–1188) und seinem Schüler Tsangpa Gyare (tib.: gtsang pa rgya ras; 1161–1211).
  • Shuksep-Kagyü (tib.: shug gseb bka' brgyud), gegründet von Gyergom Tsultrim Senge (1144–1204), der 1181 auch das Shuksep-Kloster gründete.
  • Trophu-Kagyü (tib.: khro phu bka' brgyud), gegründet von Rinpoche Gyatsa, Neffe und Schüler von Phakmo Trupa und dessen Schüler Trophu Lotsawa Champa Pal (1173–1225), der auch das Trophu-Kloster in Tsang gründete.
  • Taklung-Kagyü (tib.: stag lungs bka' brgyud), gegründet von Taklung Thangpa Tashi Pal (tib.: stag lung thang pa bkra shis dpal; 1142–1210).
  • Marpa-Kagyü (tib.: smar pa bka' brgyud), gegründet von Marpa Druptop Sherap Senge (tib.: smar pa grub thob shes rab seng ge) auch Gründer des Sho-Klosters in Kham.
  • Yasang-Kagyü (tib.: g.ya' bzang bka' brgyud), gegründet von Zarawa Kalden Yeshe Senge († 1207).
  • Yelpa-Kagyü (tib.: yel pa bka' brgyud), gegründet von Yelpa Drupthop Yeshe Tsekpa (Lebensdaten ungewiss), auch Gründer der Klöster von Yelphuk.

Von diesen Kagyü-Linien sind nur noch wenige als eigenständige Schulen erhalten geblieben.

Weitere Schulen im Zusammenhang mit der Kagyü-Tradition

  • Von Rechungpa, neben Gampopa Hauptschüler von Milarepa, geht eine eigenständige, stark yogisch ausgerichtete Übertragungslinie im Rahmen der Kagyü-Schultradition aus.
  • Shangpa-Kagyü (tib.: shangs pa bka' brgyud) ist der Name einer weiteren Linie, die der Kagyü-Tradition von Marpa in ihren Lehren nahesteht. Diese Schule ist in ihren Ursprüngen aber eigenständig und nicht aus der Übertragung Marpas hervorgegangen. Heute existiert sie nur als Bestandteil anderer Schulen.
  • Dagpo-Kagyü (tib.: dwags po bka' brgyud) wird zum einen als Sammelbezeichnung für die vier großen Kagyü-Schulen benutzt, zum anderen bezeichnet Dagpo-Kagyü eine wohl nur in Teilen eigenständige Linie, die von einem Onkel und den Neffen von Gampopa ausgeht.
  • Martsang-Kagyü (tib.: smar tshang bka' brgyud), gegründet von Martsang Sherab Senge (Lebensdaten ungewiss).

Lehren

Die Hauptübertragung der Kagyü-Schulen ist die Lehre des Mahamudra (Großes Siegel oder Großes Symbol), die von Naropa an Marpa übermittelt wurde und von Gampopa in verschiedenen Werken dargelegt wurden. Auch die sog. „Sechs Yogas von Naropa“, die nahezu in allen Schultraditionen des tibetischen Buddhismus zu finden sind, haben in den Kagyü-Schulen große Bedeutung. Wichtige tantrische Praktiken, die in den Kagyü-Schulen weitergeben werden, sind die Yidampraxis über Chakrasamvara, Hevajra und Vajravarahi.

Rime

Im 19. Jahrhundert entstand unter dem aus der Kagyü-Linie stammenden Meister Jamgon Kongtrul und anderen die so genannte „Rime-Bewegung“, die gruppenübergreifende Lehren aus allen Gegenden Tibets und von Meistern aller Traditionen sammelte.

Verbreitung

Im Jahr 1958 hatte die Kagyü-Schule 103 Klöster und rund 9600 Mönche. Ende 1995 waren es 105 Klöster und 3643 Mönche.[1]

Neben dem ursprünglichen tibeto-mongolischen Verbreitungsgebiet sind Kagyü-Schulen auch in Europa und Amerika, sowie Teilen Nordasiens zu finden. In Europa sind einige Schulen der Kagyü-Tradition auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu finden.

Literatur

  • Milarepa, Havlat Henrik (Übers.): Milarepas gesammelte Vajra-Lieder, Band 1+2; Berlin: Theseus, 1996/97; ISBN 3-89620-080-1 und ISBN 3-89620-115-8
  • Gampopa: Der kostbare Schmuck der Befreiung; Obermoschel: Norbu, 20073; ISBN 978-3-940269-00-3
  • Gendün Rinpoche: Herzensunterweisungen eines Mahamudra-Meisters; Berlin: Theseus, 1999; ISBN 3-89620-142-5
  • Jamgon Kongtrul: Der große Pfad des Erwachens; Berlin: Theseus, 1995; ISBN 3-89620-027-5
  • Karmapa Wangtschug Dordsche: Mahamudra – Ozean des Wahren Sinnes; Berlin: Theseus; Band 1: ISBN 3-89620-045-3; Band 2: ISBN 3-89620-036-4; Band 3: ISBN 3-89620-049-6
  • Chögyam Trungpa: Der Mythos der Freiheit und der Weg der Meditation; Berlin: Theseus, 2001; ISBN 3-89620-099-2
  • Lama Ole Nydahl: Wie die Dinge sind. Eine zeitgemäße Einführung in die Lehre Buddhas; Droemer/Knaur, 2004; ISBN 342687234X

Weblinks

Fußnoten

  1. 噶举派:噶举是藏语“口授传承”的意思故称噶举派 (中国广播网 / China National Radio).

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