Anatolien

Anatolien
Anatolien und Europa

Kleinasien (lat. Asia minor, altgr. Mikra Asia Μικρά Ἀσία) oder Anatolien (von altgr. anatolē ἀνατολή „Osten“); türk. Anadolu) ist jener Teil der Türkei, der zu Vorderasien gehört. Häufig wird auch Zypern zu Kleinasien gerechnet.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Kleinasien und Mesopotamien in der Antike
Eine Zusammensetzung aus Satellitenbildern

Fläche und Abgrenzung

Ursprünglich bezog sich der Name Anatolien nur auf den westlichen Teil der Halbinsel. Nach Gründung der Türkei 1923, wurde der Begriff auf die ganze Türkei ohne Thrakien ausgeweitet. Die Fläche Kleinasiens beträgt 757.000 km² und macht 97 % des türkischen Staatsgebietes aus und etwas unter 2 % von ganz Asien. Es wird im Süden vom Mittelmeer begrenzt, im Norden vom Schwarzen Meer, im Westen von der Ägäis und im Nordwesten von Bosporus, Marmarameer und Dardanellen. Die östliche Grenze von Kleinasien ist nicht genau definiert. Der Einfachheit halber wird sie meist mit der östlichen Landesgrenze der Türkei gleichgesetzt.

Bevölkerung und Religion

Die Bevölkerung hat sich seit 1930 (12 Millionen) auf derzeit 55–58 Millionen (ohne europäische Türkei) vergrößert, was einer Verdoppelung alle 34 Jahre entspricht. Sie besteht heute aus Türken, Kurden und Angehörigen anderer türkischer Stämme. Daneben existieren noch andere Minderheiten wie die Zaza, Albaner, Araber, Armenier, Aramäer, Bosniaken, Bulgaren, Pomaken, Georgier, Laz, Griechen, Tscherkessen und Perser.

Hinsichtlich der Religion dominiert der Islam (98 %, davon 70–80 % Sunniten und 20-30 % Aleviten). Die Christen machen 0,2 % aus, zählten aber um 1910 noch etwa 20 % (vornehmlich Griechen im Westen und Norden Pontos-Griechen). Von anderen kleinen Religionsgemeinschaften (genaue Zahlen werden nicht erhoben) sind etwa 20.000 Juden und 423 Jesiden (Volkszählung 2000) zu erwähnen. Die Jesiden lebten überwiegend in Südostanatolien. In den letzten 30 Jahren haben sie in großen Auswanderungswellen die Türkei verlassen. Heute befindet sich die große Mehrheit der türkischen Jesiden (ca.30.000) in Europa.

Zwei Hauptstädte und zwei Meerengen

Als Grenze zwischen Europa und Asien gilt seit der Antike der Bosporus. Das an ihm liegende Istanbul hat sich seit 1970 von 2 auf etwa 12 Millionen Einwohner vergrößert. Es war bis 1453 byzantinische und bis 1923 osmanische Hauptstadt. 1923 wurde die Hauptstadt in das kleinere, aber für Kleinasien zentrale Ankara verlegt.

Die Stadt am Bosporus ist durch die interkontinentale Meeresenge geteilt in einen europäischen und einen asiatischen Teil. Sie werden durch dichten Schiffsverkehr und zwei Brücken miteinander verbunden. Bis 2009 ist der Bau eines unter dem Meer verlaufenden Eisenbahntunnels geplant.

Die zweite Meeresenge zu Kleinasien sind die Dardanellen (antiker Hellespont) zwischen der europäischen Halbinsel Gallipoli (türk. Gelibolu) und der Region von Troja und Çanakkale. Geologisch gesehen gehören aber Asien und Europa zusammen - als zusammenhängender Großkontinent Eurasien.

Klima

Das Klima ist kontinental geprägt mit heißen trockenen Sommern und kalten und sehr schneereichen Wintern. Im östlichen Teil sinken die Temperaturen im Winter oft bis minus 30 Grad Celsius, zum Teil sogar noch darunter. Jedoch fällt das Quecksilber an der türkischen Riviera und Ägäis im Winter nicht unter 5 Grad Celsius.

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte Anatoliens

Frühgeschichte und antike Provinzen

Kleinasien zur Zeit der Hethiter

Der Name „Kleinasien“ leitet sich historisch von der römischen Provinz Asia ab, die aber nur den westlichsten Teil der heutigen Türkei bildete.

Um 2000 v. Chr. bestand in Anatolien der Herrschaftsbereich der Hatti (auch Protohethiter). Es wurde von Indoeuropäern abgelöst, deren Migration einige Völker möglicherweise vom Kaukasus hierher brachte: Die Völker der Pala ließen sich im Norden (speziell in Paphlagonien) nieder, die Nesili in Mittelanatolien. Die Luwier siedelten an der Süd- und Südostküste Kleinasiens in Gebieten, die in hethitischen Quellen Tarhuntassa und Kizzuwatna genannt werden, stießen aber auch bis nach Westanatolien (Arzawa) vor. Nach ersten Fürstentümern entstand ab 1600 v. Chr. das Großkönigreich der Hethiter (1460 - 1190 v. Chr.). Diese Föderation war neben Ägypten und Assyrien/Babylonien die dritte Großmacht der damaligen Zeit.

Das Hethitische Großreich umfasste auch eine ganze Reihe von kleinen Vasallen- und Nachbarstaaten, wie z. B. Tarhuntassa oder Karkemisch. Von besonderem Interesse in der Forschung der letzten Jahre ist die mögliche Beziehung, bzw. der Einfluss der Hethischen Macht und Kultur auf die Troas, die heute als wahrscheinlich gilt (siehe Troja), sowie die Kontakte mit den Mykenischen Stadtstaaten insbesondere an der kleinasiatischen Westküste.

Im 9. Jahrhundert v. Chr. etabliert sich das Reich Urartu im späteren Armenien am ostanatolischen Euphrat. König Sarduri I. (um 830 v. Chr.) errichtet die Hauptstadt Tuschpa am Van-See. Hochwertige Bewässerung und Zucht, Metalle und eigene Hieroglyphen wurden entwickelt. Um 620 v. Chr. wird das Reich von den Skythen erobert und vernichtet.

Nach 700 v. Chr. beginnen griechische Ionier und Dorer entlang der Ägäisküste Kolonien zu gründen. In den Jahrhunderten danach wurden u.a. folgende Landschaften unterschieden:

546 v. Chr. eroberte Persiens Großkönig Kyros II. Lydien und danach die griechischen Städte an der Küste und Lykien. Um 500 v. Chr. wurde Südanatolien dem Perserreich angegliedert. Infolge der Perserkriege fiel die Westküste wieder an die Griechen, wurde aber nach dem Peloponnesischen Krieg wieder persisch.

Alexander der Große setzt mit seinem Heer 334 v. Chr. über das Marmarameer und schlug die Perser vernichtend. Fast ganz Kleinasien wurde Teil des Alexanderreichs. Nach Alexanders Tod teilten die Diadochen das Reich auf, Kleinasien ging größtenteils an Lysimachos und Seleukos I..

Philetairos spaltete 282 v. Chr. davon die Stadt Pergamon ab, die unter seinen Nachfolgern, den Attaliden, zum einflussreichsten hellenistischen Staat in Kleinasien wurde. 133 v. Chr. wurde das Pergamenische Reich an Rom vererbt und in die Provinz Asia umgewandelt. Um 275 siedelten sich Kelten aus Thrakien nach Plünderungen in Zentralanatolien an und gründeten das Reich Galatien.

Römerreich, Christentum und Byzanz

Die byzantinischen Themen um 950 n. Chr.

Ab 60 v. Chr. kamen die Küstenregionen durch Pompeius zum Römischen Reich. Ein starker Gegner war König Mithridates VI. Eupator von Pontus (121-63 v. Chr.). Später wurde auch das Landesinnere annektiert und um das Jahr 65 die Provinzen neu gegliedert (Pontus im Norden, Cilicia (Kilikien) im Süden und Syria im Osten). Die Könige von Galatien, Kappadokien, und Paphlagonien behielten als Vasallen Roms und als „Puffer“ gegen Nachbarvölker ihren Thron.

Mit der „Pax Romana“ des Augustus begann um die Zeitenwende eine Blütezeit bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. (Kaiser Trajan und Hadrian). Um das Jahr 50 begann das Christentum Fuß zu fassen, zuerst in Perge, später bis zur Provinzhauptstadt Ephesos und nach Griechenland - siehe z.B. die Paulusbriefe an verschiedene Gemeinden. Auch einige Bischofssitze entstanden, unter anderem in Myra, in dem um 350 der heilige Nikolaus wirkte. Auch die ersten Konzile fanden in Kleinasien statt.

324 wurde Konstantinopel zur Residenz des Römischen Reiches. Nach der endgültigen Teilung des Römischen Reiches bildete Kleinasien das Kerngebiet des Oströmischen Reiches. Ende des 11. Jahrhunderts wurden weite Teile von den Türken erobert, doch konnte das Oströmische Reich bzw. Byzanz mit dem Beginn der Kreuzzüge wieder in die Offensive gehen, bis nach dem 4. Kreuzzug Byzanz die Verteidigung in Kleinasien nicht mehr aufrechterhalten konnte. Mitte des 14. Jahrhunderts fielen die letzten byzantinischen Städte in türkische Hand. Philadelphia konnte sich jedoch bis 1390 halten, ebenso blieb das Kaiserreich von Trapezunt im Pontos bis 1461 von der türkischen Besetzung frei.

Seldschuken, Mongolen und Osmanen

Im 11. Jahrhundert drangen aus dem Osten die turkmenischen Seldschuken nach Kleinasien. Nach dem Sieg bei Malazgirt (1071) fiel der Großteil Anatoliens an sie. Das Zentrum ihres Reiches war Ikonion (die heutige Großstadt Konya), 200 km südlich von Ankara (Ankyra, ab 1023 Angora).
Im 12. Jahrhundert konnte Byzanz einige Gebiete wieder zurückgewinnen. Das oströmische Reich endete erst 1453 mit dem Fall von Konstantinopel an die Osmanen.

Mit dem weiteren Vordringen der Mongolen nach Westen um die Mitte des 13. Jahrhundert zerfiel das Seldschukenreich in viele Turkfürstentümer. Eine ihrer Dynastien, nach ihrem Führer Osman I. (1281-1326) die Osmanen benannt, eroberte die umliegenden Gebiete und eroberte 1326 auch den byzantinischen Norden bei Bursa. Im Osmanischen Reich verloren alle o. a. antiken Provinzen endgültig ihre Autonomie und meist auch ihren Namen.

Erster Weltkrieg und „Bevölkerungstausch“

Vor und nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel das Osmanenreich, das im 16. Jahrhundert bis zu den Toren Wiens expandiert war. Sein kleinasiatischer Teil wurde unter Atatürk im Krieg gegen die Griechen vereint, die nach 1918 von Smyrna (heute İzmir) aus Richtung Ankara vorgedrungen waren. Diese Kämpfe endeten erst 1922 mit der Vertreibung einiger Millionen Menschen und dem „Bevölkerungsaustausch“ 1923 (Vertrag von Lausanne). Siehe auch: Griechisch-Türkischer Krieg

Heute gliedert sich die Türkei in 81 Provinzen, davon 76 in Kleinasien und 5 im europäischen Teil westlich Istanbuls.

Literatur

Neue Medien

  • Media-Cultura (Hrsg.), in Zusammenarbeit mit dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe: Die ältesten Monumente der Menschheit. Vor 12.000 Jahren in Anatolien. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2007, DVD-ROM.

Siehe auch

Weblinks


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