Karanowo-Kulturen

Karanowo-Kulturen
Karanowo - Lage in Bulgarien
Nova Zagora location in Bulgaria.png
Karanowo - Bulgarien - Nachbarorte: Nowa Sagora, Stara Sagora

Die Karanowo-Kultur ist eine prähistorische Kultur in Bulgarien. Namensgebend ist der Karanowo-Siedlungshügel (bulg. Карановска селищна могила) nahe dem Dorf Karanowo im westlichen Teil der thrakischen Ebene. Die Karanowo-Kultur bietet ein chronologisches System für das Neolithikum und das Aeneolithikum der Balkanhalbinsel. Seit Juni 2010 ist der östliche Karanowo-Grabhügel touristisch erschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Karanowo-Siedlungshügel

Der Siedlungshügel von Karanowo ist einer der ältesten und größten Siedlungshügel in Bulgarien und in Europa. Er nimmt eine Fläche von 24.000 m² ein. Seine Höhe beträgt 13 m, seine Ausdehnung 250 x 150 m. Er liegt im nordwestlichen Teil des Dorfes Karanowo. Die nächste Stadt, Nowa Sagora, liegt 10 km weiter östlich. Der Grabhügel liegt 5 km nördlich der Verbindungsstraße zwischen Stara Sagora und Nowa Sagora, die Teil der Fernverbindung Sofia-Plowdiw-Burgas ist.

Der Siedlungshügel liegt an den letzten Ausläufern des Gebirges Sarnena Sredna gora (bulg. Сърнена Средна гора), dem östlichen Teil der Sredna Gora (bulg. Средна гора). Nach Süden schließt sich die fruchtbare Schwarzerdeebene von Nowa Sagora an. In Bulgarien gibt es eine große Anzahl von Siedlungshügeln. Die größte Dichte erreichen sie hier, wo der Karanowo-Siedlungshügel liegt, im Gebiet um Nowa Sagora.

Der Siedlungshügel entstand aus prähistorischen Siedlungen, die nacheinander an der gleichen Stelle, also übereinander, errichtet wurden. Der Karanowo-Siedlungshügel war während der Jungsteinzeit, der Kupfersteinzeit und der Bronzezeit bewohnt. Hier wurden gut erhaltene Gebäudefundamente und reichhaltige Funde an Alltagsgegenständen freigelegt. Auf dem Siedlungshügel standen 18 Gebäude, die ca. 100 Bewohner beherbergten.

Der Siedlungshügel war mehr oder weniger 4000 Jahre lang durchgehend besiedelt, vom frühen 6. Jahrtausend (Jungsteinzeit) bis frühen 2. Jahrtausend v. Chr. (frühe Bronzezeit).

Schichtenfolge und Chronologie

Das chronologische System in Karanowo wurde auf der Grundlage des etablierten stratigraphischen Systems erstellt und dient als Standard für die Synchronisation der prähistorischen Kulturen im östlichen Balkanraum. Eine ähnliche Funktion erfüllt der Hügel von Vinca, bei Belgrad, für den zentralen Balkanraum. Die Stratigraphie im Hügelk von Karanovo ist damit ein Leitgrad für die Kulturentwicklung von der frühen Jungsteinzeit bis in die Frühbronzezeit in Südosteuropa. Insgesamt können in dem Siedlungshügel sieben grundlegende Horizonte voneinander unterschieden werden.

  • Karanowo I-II: frühe Jungsteinzeit, ca. 6200-5500 cal BC/v. Chr.
  • Karanowo III-IV: späte Jungsteinzeit, ca. 5500-4950 cal BC/v. Chr.
  • Karanowo V/Maritsa: frühe Kupferzeit, ca. 4950-4500 cal BC/v. Chr.
  • Karanowo VI: späte Kupfersteinzeit, ca. 4500-4000 cal BC/v. Chr.
  • Karanowo VII: frühe Bronzezeit, ca. 4000- ? cal BC/v. Chr.

Durch die neueren Grabungen des Bulgarischen Archäologischen Instituts und der Universität Salzburg gelang eine weitere Untergliederung der Schichten nach dem Frühneolithikum, die, unter beibehaltung der traditionellen Terminologie, nun in die zusätzlichen Schichten Karanovo II/III, klassisches Karanovo III und Karanovo III/IV unterteilt werden.

Obwohl der Karanowo-Siedlungshügel nur teilweise (auf einer Fläche von 1700 m²) durch Grabungen erforscht wurde, gab er wichtige archäologische Informationen preis. Das prähistorische stratigraphische Profil wurde bis zu einer Tiefe von 12,40 m erforscht. Das ermöglichte die Periodisierung der Kulturen aus den einzelnen Schichten. So konnte das unter Spezialisten anerkannte chronologische Karanowo-System erstellt werden. Es dient als Vergleichsmaß (Normalmaßstab) für die Entwicklung der verschiedenen Kulturen in der Jungsteinzeit, der Kupfersteinzeit und der ersten Hälfte der Bronzezeit in Südbulgarien.

Vor Ort sind einige archäologischen Fundstücke ausgestellt. Viele befinden sich in NMH Sofia [1] bzw. in Nowa Sagora.

Hiatus

Die längste Lücke (Hiatus) in der Besiedlungsgeschichte findet sich zwischen dem Ende der Kupfersteinzeit und dem Beginn der Bronzezeit. Über die Zusammenhänge und Gründe dafür sind sich die Wissenschaftler nicht einig.

Nach einer These wurde die ansässige Bevölkerung mit ihrer Kultur durch aus dem Norden eindringende Nomaden vollständig vernichtet.

Diese These wird durch die Entdeckung des Gräberfelds von Warna aus der späten Kupfersteinzeit gestützt. In Warna wurden viele Goldgegenstände gefunden, bisher das älteste bekannte verarbeitete Gold der Menschheit. Die Funde in den Gräbern belegen, dass einige der Bestatteten aus wohlhabenden Familien stammten. Sie zeugen von der Teilung der Bevölkerung in soziale Schichten, wohlhabende, höhergestellte Herrscher, deren nicht ganz so wohlhabende Vasallen und einfache Leute.

Das Gräberfeld von Warna wird auf 4600 - 4200 v. Chr. datiert. Richtige Zivilisationen vom Typ eines Stadtstaates traten erst später auf, in Ägypten und in Mesopotamien.

Nach einer anderen These zwangen wirtschaftliche Faktoren, wie Klimawandel, Versiegen der Wasserquellen oder die Ermüdung des Bodens, die Bevölkerung für eine gewisse Zeit ihre Siedlungen zu verlassen.

Karanowo-Kultur I und II

Die frühen Steinzeitkulturen in Thrakien werden der Karanowo-Kultur I und II zugeordnet. Die charakteristische Keramik dieser Kultur waren tulpenförmige Becher mit einem hohlen Standfuß. Außerdem kugelförmige Gefäße mit zylindrischem Hals und Schnurgriffen. Die Teller waren halb-kugelförmig. Die Oberfläche der Keramik war rot bis braun. Bei den Ornamenten waren schachbrettförmige Ornamente typisch, sowie gürtelförmige Ornamente, die mit netzförmigen Ornamenten gefüllt waren. Weiterhin gab es hängende Dreiecke als Ornamente.

Karanowo-Kultur III

Die Wände der Wasserkrüge standen typischerweise senkrecht auf dem Boden der Keramikgefäße und waren dick und massiv.

Karanowo-Kultur VI

Die Karanowo-Kultur VI vermischte sich mit einer Form (vom linken Donauufer, aus der Kleinen Walachei) der Cucuteni-Kultur) zu einem Konglomerat. Die wesentlichen Siedlungshügel dieses Konglomerates waren Karanowo, Hârşova und Borduşani. Es hinterließ seine Spuren in der Nekropole von Warna.

Stempel

In Karanowo wurde in den 1950er Jahren von Wasil Mikow in den Überresten eines thrakischen Hauses ein runder Stempel gefunden, der mit Zeichen versehen ist. Der Stempel hat einen Durchmesser von 6 cm und ist 2 cm dick. Die Zeichen werden von manchen für die Anfangsform einer Schrift gehalten werden (Bild). Der Stempel stammt vermutlich aus der Zeit 4. bis 3. Jahrtausend v. Chr. Die erste bekannte Schrift ist jünger, es ist die Schrift, die von Kreta stammt (Ägäische Schriftsysteme) und auf die zweite Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. datiert wird. Es wird angenommen, dass der Stempel ein Prestigezeichen war, das für besondere Verdienste verliehen wurde und wahrscheinlich bei religiösen Zeremonien verwendet wurde.

Einige Wissenschaftler meinen, dass die Zeichen den westlichen Sternenhimmel (Tierkreiszeichen) darstellen.

Grabungsgeschichte

Die ersten Grabungen führte Wasil Mikow auf Anregung des Gymnasiallehrers Nikola Kojtschew aus Nowa Sagora 1936 bis 1937 durch. Anhand der Keramik datierte er die Funde in der ältesten Schicht Karanowo I auf die gleiche Zeit, wie Troja I. Erst viel später wurde klar, dass die Karanowo-I-Schicht wesentlich älter ist als die Troja-I-Schicht. Während die Schicht Karanowo I aus dem 7. bis 6. Jahrtausend v. Chr. ist, stammt die Schicht Troja I aus der frühen Bronzezeit und ist damit wesentlich jünger. Die Grabungen in Karanowo wurden für Bulgarien erstmals nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführt, nach stratigraphischen Gesichtspunkten und mit Planquadraten. Mikow nahm 1946 die Grabungen wieder auf. 1947 schloss sich ihm Prof. Georgiew an. Die Grabungen dauerten bis 1957. Auf der Grundlage der Grabungen von Minkow und Georgiew wurde das chronologische Karanowo-System begründet, das als Normalmaß für die Synchronisation der europäischen prähistorischen Kulturen dient. Das System wurde 1961 auf einer wissenschaftlichen Tagung vorgestellt.

Prof. Georgiew nahm 1984 erneute Grabungen im Rahmen einer bulgarisch-österreichischen Expedition vor (Universität Salzburg), unter Beteiligung des österreichischen Archäologen Prof. Stefan Hiller. Prof. Georgiew setzte die Grabungen in Karanowo bis zu seinem Tod 1988 fort.

Mikow erklärte früher die Existenz der einzelnen Kulturschichten mit der Einwanderung einer neuen Bevölkerung. Heute ist man sich weitgehend einig, dass die Entwicklung von einer ortsständigen Bevölkerung ausging.

Literatur

  • Sándor Bökönyi (Hrsg.): Neolithic of Southeastern Europe and its Near Eastern connections. International Conference 1987 Szolnok-Szeged. Varia Archaeologica Hungarica II (Budapest, 1989).
  • John Chapman: The early Balkan village. In: Ole Grøn, Ericka Engelstad, Inge Lindblom (Hrsg.): Social space. Human Spatial Behaviour in Dwellings and Settlements. Odense 1991
  • Milutin Garašanin: Kulturströmungen im Neolithikum des südlichen Balkanraumes. Prähist. Zeitschr. 73, 1998, 25-51.
  • Stefan Hiller, Vassil Nikolov (Hrsg.): Karanovo III. Beiträge zum Neolithikum in Südosteuropa Österreichisch-Bulgarische Ausgrabungen und Forschungen in Karanovo, Band III (Wien 2000), ISBN 3-901232-19-2.
  • Stefan Hiller, Vassil Nikolov: Karanovo. Die Ausgrabungen in Südsektor., 1984-1992 (Salzburg - Sofia 1997).
  • Raiko Krauß: Karanovo und das südosteuropäische Chronologiesystem aus heutiger Sicht. Eurasia Antiqua 14, 2008, 115-147.
  • M. Lichardus-Itten, J. Lichardus: Strukturelle Grundlagen zum Verständnis der Neolithisierungsprozesse in Südost- und Mitteleuropa. In: Erzsebet Jerem, Pal Raczky (Hrsg.): Morgenrot der Kulturen. Frühe Etappen der Menschheitsgeschichte in Mittel- und Südosteuropa.. Festschrift für Nándor Kalicz zum 75. Geburtstag (Budapest 2003) 61-81.
  • Васил Николов: Проучвания върху неолитната керамика в Тракия. Керамичните комплекси Караново II-III, III и III-IV в контекста на Северозападна Анатолия и Югоизточна Европа. (bulg.; Vassil Nikolov: Untersuchungen über die neolithische Keramik in Thrakien. Die Keramikkomplexe in Karanowo II-III, III und III-IV im Kontext mit Nordwestanantolien und Südosteuropa.) Sofia 1998
  • Juraj Pavúk: Zur Frage der Verbreitung des Neolithikums auf dem Zentralbalkan und in Mitteleuropa. In: Florin Draşovean: The Vinča Culture, its Role and Cultural Connection. Timişoara 1996, S. 23-40.

Weblinks

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