Kardiotokografie

Kardiotokografie
Ein Kardiotokograf (Wehenschreiber) beim Aufzeichnen der Wehen

Kardiotokografie bzw -graphie (auch: Cardiotokographie , Abkürzung: CTG) bezeichnet ein Verfahren zur simultanen (gleichzeitigen) Registrierung und Aufzeichnung der Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und der Wehentätigkeit (griechisch tokos) bei der werdenden Mutter. Das Verfahren wird sowohl in der Schwangerschaftsbetreuung wie auch zur Überwachung während der Geburt eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Technik und Auswertung

Die Herzfrequenz des Feten wird meist mittels Pulsed-wave Doppler-Ultraschall ermittelt und in bpm (beats per minute) (Einheit: min-1) aufgezeichnet. Die Wehentätigkeit der Mutter wird mit einem separaten Wehenaufnehmer, also einem Druckmesser (Transducer) gemessen und ebenfalls aufgezeichnet. Hierfür gibt es zwei Verfahren: die intrauterine, direkte Druckmessung, die nur nach Eröffnung der Fruchtblase, also während der Geburt, angewendet werden kann (und sich bisher nicht allgemein durchgesetzt hat), und die übliche äußere, indirekte Druckmessung. Hierbei reagiert der Druckmesser auf die Änderung des Bauchumfanges während einer Wehe, weshalb es bei der Aufzeichnung der Wehentätigkeit zu großen individuellen Schwankungen kommt: Der Bauchumfang einer sehr schlanken Schwangeren (mit sehr wenig subkutanem Fettgewebe) ändert sich sehr viel deutlicher als der einer beleibteren Schwangeren. Die Bandbreite der Aufzeichnungsunterschiede reicht von großen Ausschlägen des Tokographen bei geringen Kontraktionen einer schlanken Schwangeren bis zu völlig fehlenden Ausschlägen während der Geburtswehen einer adipösen Kreißenden. Bei der Interpretation eines CTGs sind deshalb auch die Konstitution der Schwangeren und deren Angaben über die Spürbarkeit von Wehen zu berücksichtigen.

Interpretiert wird der Verlauf der Änderungen der kindlichen Herzfrequenz unter Berücksichtigung der Wehentätigkeit und des Schwangerschaftsalters (bei der Schwangerenbetreuung) beziehungsweise des seitherigen Geburtsfortschrittes. Bei Verdacht auf eine nicht ausreichende Versorgung des Kindes (uteroplazentare Dysfunktion) kann ein Wehenbelastungstest mit CTG-Kontrolle durchgeführt werden. Er weist aber viele falsch-positive Ergebnisse auf.[1]

Während der Geburt kann es infolge von Sauerstoffmangel unter anderem zu einer vorübergehenden Abnahme der fetalen Herzfrequenz (FHF), einer so genannten Dezeleration kommen. Dabei können besonders „späte“ Dezelerationen, die jeweils im Anschluss an eine Wehe auftreten, Hinweis auf eine Gefährdung des Kindes geben. „Frühe“ Dezelerationen, die wehensynchron auftreten, sind seltener Zeichen einer akuten Gefährdung, können aber, wenn sie schon am Geburtsbeginn regelmäßig auftreten, Anlass für ein geburtshilfliches Eingreifen sein. Bei einer über drei Minuten fortbestehenden FHF unter 120 bpm spricht man von einer leichten, unter 100 bpm von einer schweren Bradykardie. Eine Bradykardie beim Eintreten des Köpfchens in das Becken wird auch Eintrittseffekt genannt.

Die Auswertung des CTGs kann anhand verschiedener Schemata, z. B. anhand des Fischer-Scores erfolgen. Richtlinien zur Auswertung des CTGs werden auch von der Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique (FIGO) und anderen nationalen und internationalen Gremien herausgegeben. Die Einführung computerisierter Dokumentations- und Auswertungssysteme steht im Mittelpunkt aktueller Forschungsprogramme.

Geschichte

Über geburtshilfliche Überwachungsverfahren wurde erstmals zu Beginn des 18. Jahrhunderts berichtet. Dabei stand der Nachweis, dass ein ungeborenes Kind (noch) lebt, im Vordergrund. Seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde die Auskultation der fetalen Herztöne verbreitet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts widmete man der fetalen Herzfrequenz (FHF) und ihren Veränderungen während der Geburt mehr Aufmerksamkeit. Eine kontinuierliche Aufzeichnung war jedoch erst in Folge der technischen Entwicklungen Anfang des 20. Jahrhunderts möglich. Zunächst wurde die fetale Herzfrequenz phonokardiografisch, also über die Ableitung des Herzschalls mittels eines Mikrofons, ermittelt. Andere Versuche bestanden darin, auf unterschiedlichen Wegen das kindliche Elektrokardiogramm abzuleiten und daraus die Herzfrequenz zu bestimmen. Eine elegantere Methode wird seit Ende der 1960er Jahre angewandt: das Ultraschalldopplerverfahren. Dabei werden gepulste Ultraschallsignale von einem am Bauch der Mutter platzierten Transducer gesendet, vom fetalen Herzen reflektiert und von der Ultraschallsonde wieder empfangen. Aus den elektronisch verarbeiteten Signalen wird die kindliche Herzfrequenz ermittelt. In Verbindung mit der gleichzeitigen Registrierung der Wehentätigkeit sind heute die Phonokardiotokographie, die Ultrasonokardiotokographie und die fetale Elektrokardiotokographie möglich.[2][3] Moderne CTG-Geräte (Kineto-CTG) zeichnen neben fetaler Herzfrequenz und mütterlicher Wehentätigkeit zusätzlich Kindsbewegungen (Bewegung = griechisch kinesis) auf. Diese geben zusätzlich Aufschluss über den Zustand des Kindes. Die Übertragung der Daten erfolgt heute meist vom akkubetriebenen Transducer an der Bauchwand der Mutter per Funk an die Aufzeichnungseinheit. Dadurch kann sich die Gebärende bei gleichzeitiger Überwachung des kindlichen Zustands frei bewegen. Das abgebildete Foto zeigt ein solches modernes CTG. Die Ladeschale für drei Transducer befindet sich auf der Druckereinheit.

Einzelnachweise

  1. S1-Leitlinie Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) und der AG für Materno-Fetale Medizin (AGMFM) der DGGG. In: AWMF online
  2. Wolfgang Künzel: Anfänge der Kardiotokographie. Der Gynäkologe 2009 (42) 328335 ISSN 0017-5994 (Print), ISSN 1433-0393 (Online), DOI 10.1007/s00129-008-2285-7 [1]
  3. Gabriele Kaschner: Entwicklung der Kardiotokographie. In: (dies.): Untersuchungen zur Qualität der fetalen Herzfrequenzregistrierung. Mediz. Diss. Düsseldorf 2003

Literatur

Weblinks


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