Andre Heller

Andre Heller
André Heller (2006)

Franz André Heller (* 22. März 1947 in Wien) ist ein österreichischer Chansonnier, Aktionskünstler, Kulturmanager, Autor und Schauspieler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die frühen Jahre

Heller entstammt väterlicherseits einer wohlhabenden jüdischen Familie von Süßwarenfabrikanten: Sein Vater Stephan (1895−1958) war der Sohn von Wilhelm Heller, einem der beiden Gründer der Wiener Süßwarenfabrik „Gustav & Wilhelm Heller“. Diese Firma wurde durch die Erfindung der Dragées weltbekannt.

Nach seinen eigenen Aussagen war für seine literarische Orientierung schon während seiner Schulzeit der fast tägliche Besuch im Café Hawelka ausschlaggebend. In diesem Wiener Kaffeehaus traf er auf Literaten wie Friedrich Torberg, H. C. Artmann und fallweise Elias Canetti sowie Hans Weigel und Helmut Qualtinger, mit dem er später zusammenarbeitete und auftrat. Bei Hans Weigel und dessen Lebensgefährtin Elfriede Ott nahm er Schauspielunterricht.

Theater, Rundfunk, Fernsehen, Gesang

André Heller spielte zunächst mit wenig Erfolg an Wiener Avantgardebühnen und versuchte sich später als Programmgestalter beim Österreichischen Rundfunk (ORF).

1967 gehörte er zu den Gründern des ersten deutschsprachigen Popsenders Ö3, bei dem er zunächst die Sendung Musicbox moderierte. 1968 wurde er Co-Autor der erfolgreichen Fernsehsendung Wünsch dir was. Im selben Jahr erschien auch seine erste Langspielplatte mit dem lakonischen Titel Nr1. Einem breiteren Publikum in Österreich und in der Folge auch in Deutschland wurde Heller 1972 bekannt, als der ORF die surreale Fernsehshow Wer war André Heller? ausstrahlte. Außerdem erschien in diesem Jahr seine zweite LP namens Platte, und bei den Wiener Festwochen wurde sein erstes Theaterstück mit dem Titel „King-Kong-King-Mayer-Mayer-Ling“ uraufgeführt.

Sein Liederschaffen über einen Zeitraum von über 15 Jahren zählt bis heute zu den vielfältigsten im gesamten deutschsprachigen Raum. Im Laufe der Zeit erspielte er sich einen Ruf als hervorragender Chansonier und Liedermacher. Dabei arbeitete er mit internationalen Größen wie Astor Piazolla, Dino Saluzzi, Freddie Hubbard aber auch österreichischen Künstlern wie Toni Stricker, Wolfgang Ambros oder Helmut Qualtinger zusammen. Heller vertonte vielfach eigene Lyrik, sang aber auch Texte anderer Autoren. So wurde der Titel Cathrine aus dem Jahr 1970 zu einem der ersten Hits von Heller. Der Text stammte von dem noch weitestgehend unbekannten Reinhard Mey und die Musik von dem Austro-Kanadier Jack Grunsky[1]. Er spielte von Werner Schneyder ins Wienerische übersetzte Chansons von Jacques Brel wie „Franz“ (nach dem Brél-Titel Jef) ein und gab in Titeln wie Angstlied (Verwunschen, 1980)[2] anhand von traumatischen Kindheitserlebnissen intime Einblicke in seine Biographie und seine katholisch-jüdische Herkunft. Titel wie Miruna, die Riesin von Göteborg (Verwunschen, 1980) sind wiederum von der Wiener Schule des „Phantastischen Realismus“ beeinflusst. Das Lied vom idealen Park (Narrenlieder, 1985) oder die im Duett mit Wolfgang Ambros eingespielte Bob-Dylan-Coverversion Für immer jung (Stimmenhören, 1983)[3] gelten heute als klassische Titel des Austropop. Der ebenfalls 1983 auf Stimmenhören erschienene Titel Erhebet euch Geliebte war eine der „Hymnen“ der Friedensbewegung der frühen 1980er Jahre.

Dennoch wandte er sich seit Beginn der 1980er Jahre zunehmend spektakulären Inszenierungen, Aktionen, und Installationen zu und beendete dafür 1982 seine erfolgreiche Konzerttätigkeit. 1985 folgte das Album Kumm ma mit kane Ausreden mehr, das aber kein Erfolg mehr wurde. Es sollte bis in die 2000er Jahre seine letzte Plattenaufnahme sein. Zwischen 1967 und 1985 veröffentlichte er insgesamt vierzehn LPs, die ihm zwölf Goldene Schallplatten und sieben mal Platin eingebracht hatten. 1991 schrieb er rückblickend über diese Zeit:

„Ich habe 1967 begonnen, meine Gedichte mittels meiner Stimme über Schallplatte und in Liederabenden Millionen Menschen zugänglich zu machen. Dies war nach dem Beispiel Bob Dylans zunächst sinnvoller als Lyrikbändchen im Selbstverlag oder bei Suhrkamp zu veröffentlichen. 1982, also durchaus im Zenit dieser Karriere, mußte ich meine Konzerttätigkeit beenden, weil es mir zur Qual wurde, um 20 Uhr vor einigen tausend Zuhörern begabt zu agieren, nur weil sie Eintritt bezahlt hatten.“ [4]

2004 wurde er mit dem Amadeus Austrian Music Award für Ruf und Echo ausgezeichnet. Diese 3-CD-Retrospektive wurde von Chris Gelbmann initiiert, einem österreichischen Liedermacher und damaligen A&R-Manager von Universal Music.

Aus Anlass seines 60. Geburtstags gab André Heller im April 2007 im Wiener Radiokulturhaus nach fünfundzwanzigjähriger Bühnenabstinenz einen Liederabend unter dem Titel „Konzert für mich“ [5].

Veranstalter

1976 gründete Heller zusammen mit Bernhard Paul den Zirkus Roncalli, stieg jedoch noch im Gründungsjahr wieder aus dem Gemeinschaftsprojekt aus, seiner Darstellung nach, weil er „den Erfolg nicht teilen wolle“.

1977 scheiterte Heller zwar mit seinem Versuch, die Stadt München für eine „Weltausstellung der Phantasie“ auf dem Olympiagelände zu gewinnen, da die Behörden die finanzielle Realisierbarkeit bezweifelten. 1983 begann er eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Stefan Seigner, der bis 2003 seine Geschäfte führte. Seit 2003 führt Robert Hofferer die gemeinsame Firma Artevent mit Sitz in Wien.

Schauspieler

Bereits Ende der 1960er Jahre trat Heller als Financier des Films Moos auf den Steinen mit Erika Pluhar in einer der Hauptrollen auf, für den er nach eigenen Angaben sein Erbteil aufgebraucht habe. Bald stand er aber auch selbst vor der Kamera. Neben seinen Spektakeln spielte André Heller Hauptrollen in diversen internationalen Kinofilmen, unter anderem in Hans-Jürgen Syberbergs Hitler - Ein Film aus Deutschland, Radu Gabreas Fürchte Dich nicht Jakob und Doktor Faustus von Johannes Schaaf, sowie in Peter Schamonis Frühlingssinfonie sowie eine Nebenrolle in Maximilian Schells 1979 herausgekommener Verfilmung der „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Ödön von Horváth. Bereits 1969 hatte Heller in einer TV-Version von Arthur Schnitzlers Tragikomödie Das weite Land unter der Regie von Peter Beauvais mitgewirkt: An der Seite von O. W. Fischer (als Friedrich Hofreiter), Ruth Leuwerik (Genia Hofreiter), Walter Reyer (Dr. Franz Mauer), Helmut Qualtinger (Bankier Natter) und anderen verkörperte er Gustav Wahl, den Bruder von Erna Wahl (Sabine Sinjen). 1989 war er auch als Briefmarkenkünstler tätig. Im Auftrag der Postverwaltung der Vereinten Nationen entwarf er die Briefmarke zum zehnjährigen Jubiläum der UNO-Wien.

Kulturmanager

Zuletzt war er als Kulturkoordinator für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland tätig. Er gestaltete im Jahr 2000 die Finalpräsentation für die erfolgreiche bundesdeutsche Bewerbung, und entwarf 2003 einen „Fußball-Globus“, der als „architektonischer Vorbote der WM“ durch Deutschland tourte. In einem Urheberschafts-Streit um den Fußball-Globus warfen die Architekten Friedemann und Nikolai Kugel André Heller vor, die Idee kopiert zu haben. Unumstritten ist aber die Heller-Eigenerfindung des Fußball-WM-Mottos „Die Welt zu Gast bei Freunden“.

Die für die Fußballweltmeisterschaft von André Heller geplante Eröffnungsgala im Olympiastadion Berlin, an der auch Brian Eno und Peter Gabriel beteiligt waren, wurde am 13. Januar 2006 durch die FIFA abgesagt. Als Grund wurde genannt, dass der Rollrasen, der nach Ende der Gala neu verlegt hätte werden müssen, bis zum ersten dort stattfindenden Spiel (13. Juni 2006) möglicherweise nicht mehr in perfekter Qualität angewachsen wäre. Gerade wegen des Scheiterns wertet Heller dieses Projekt als „interessante Erfahrung“.

Grundsätzlich lässt sich André Heller, laut eigenen Angaben, nur auf Arbeiten ein, die ihn in seinem künstlerischen Lernhorizont weiterbringen. Selbst ein hypothetisches Angebot von 100 Millionen Dollar seien ihm nicht Grund genug, eine Sache umzusetzen, die für seine Entwicklung nicht sinnvoll sei. „Das ist zwar verlockend, weil mir einiges einfällt, was man an klugen und tiefen und spannenden Projekten mit 100 Millionen Dollar machen kann, aber letztlich darf ich nicht meine Zeit veruntreuen. Ich weiß doch nicht, ob ich nicht im nächsten Satz tot umfalle“, äußerte Heller in einem SWR-Interview.

Privatleben

André Heller war von 1970 bis 1984 mit der Schauspielerin, Sängerin und Autorin Erika Pluhar verheiratet. Einige Jahre lebte er in den 1970ern mit der Burgschauspielerin Gertraud Jesserer zusammen, viel später mit der Schauspielerin Andrea Eckert. Kurzzeitig liiert war Heller Mitte der 1980er Jahre auch mit Anke Kesselaar, der damaligen Ehefrau Rudi Carrells.

Der Künstler besitzt eine Wohnung in einem prunkvollen Wiener Stadtpalais in der Renngasse im 1. Bezirk, das im Eigentum des Chorherrenstifts Klosterneuburg steht[6]. In der Renngasse empfing Heller 2000 den damaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Gegenwärtig lebt Heller mit dem früheren Model Albina Schmid zusammen. Er hat einen Sohn.

Aktionen, Installationen, Inszenierungen, Design

2008: Zeltstadt von Afrika! Afrika! auf dem Waterlooplatz in Hannover
Zeltstadt nachts
  • 1981 – Im Rahmen der Wiener Festwochen entsteht das poetische Varieté Flic Flac, mit dem er anschließend auf Europa-Tournee geht.
  • 1983 – Das Pyro-Poem Theater des Feuers (Teatro de Fogo) nach dem Vorbild barocker Licht- und Farbspiele findet in Lissabon statt. Heller finanziert das Spektakel aus eigener Tasche und gerät an den Rand des Bankrotts.
  • 1984 – Das Feuerspektakel Sturz durch Träume vor dem Berliner Reichstag zieht 650.000 zahlende Zuschauer an
  • 1985 – Für die Bundesgartenschau in Berlin realisiert Heller ein Blumenbild aus 40.000 Pflanzen unter dem Titel Misstraue der Idylle.
  • 2. November 1985 - Die Show Begnadete Körper hat am Deutschen Theater München Premiere. Heller engagiert hierfür in chinesischen Artistenschulen 60 Jongleure, Equilibristen und Akrobaten, entwirft Bühnenbild und Kostüme und verfasst die Moderation.
  • 1986 – In Graz entsteht ein Dichtergarten: Aus Blumen formt Heller Kernsätze bedeutender Schriftsteller.
  • 1986 – Die Heißluftballon-Skulpturen Himmelszeichen schweben am Himmel von London, München, Venedig, Oslo, New York, Moskau, San Francisco und über den Niagarafällen.
  • 1986 – Mit der Show Salut für Olga bemüht sich Heller um eine Wiederbelebung der Varieté-Künste
  • 1987 – In Hamburg inszeniert Heller Luna Luna, einen „Jahrmarkt der modernen Kunst“. Zahlreiche bekannte zeitgenössische Künstler, darunter unter anderem Roy Lichtenstein, Salvador Dalí, Joseph Beuys, Friedensreich Hundertwasser und Jim Whiting steuern neben Heller selbst Kunstwerke und Installationen bei.
  • 1987 – Clownparade Lachen machen
  • 1988 – Body and Soul, eine Show des schwarzen amerikanischen Kulturguts (Spirituals, New Orleans Jazz, Ragtime, Bebop, Sandshoe, Blues, Soul, Scat, Stepptanz)
  • 1989 – Chinesischer Nationalzirkus
  • 1991 – Jagmandir, das exzentrische Privattheater des Maharana von Udaipur, Indien.
  • 1991 – Blumenskulptur mit Brunnen Versinkende Riesin im Schlosspark von Schönbrunn, Wien.
  • 1991 – Wonderhouse am Broadway in New York
  • 1992 – Bambusmann, eine 55 Meter hohe, schwimmende Skulptur im Hafen von Hongkong
  • 1992 – Mit dem Wintergarten-Varieté eröffnet Heller gemeinsam mit Bernhard Paul den Theaterbau in Berlin.
  • 1995 – Heller gestaltet die Swarovski Kristallwelten in Wattens, Tirol
  • 1996 – Produktdesign: für die 20. Auflage der Brockhaus Enzyklopädie Entwurf der Buchdeckel mit mehreren eingelassenen, kleinen Acrylschaukästen, die von außen sichtbare Objekte enthalten, welche jeweils ein Stichwort des betreffenden Bandes verkörpern (auch: Millenniumsausgabe).
  • 1997 – Schiff aus Salz im Toten Meer in Israel.
  • 1997 – Der stumme Prophet, eine Lichtskulptur in Aït-Ben-Haddou, Marokko.
  • 1997 – Yumé - Flug durch Träume: ein japanisches Kaleidoskop, Tokyo und Europatournee
  • 1998 – der Meteorit in Essen, der auf fünf Ebenen „Wunderkabinette zum Thema Energie“ präsentiert, wird eine der wenigen erfolglosen Inszenierungen Hellers
  • 1998 – Planung einer Parkanlage anima auf einen ehemaligen Krupp-Gelände in Bochum - nicht realisiert
  • 1999 – Stimmen Gottes, ein Ereignis mit spirituellen Sängern, Musikern und Tänzern aus zwölf Kulturen, Marrakesch in Marokko
  • 2000 – Der Erdgeist, eine 14 Meter hohe Skulptur, halb Mensch, halb Vogel, wacht über den Pavillon „Living Planet Square“ des World Wide Fund for Nature bei der Expo 2000.
  • 2002 – Im Herzen des Lichts - Die Nacht der Primadonnen erzählt einen von Heller erdachten und inszenierten Mythos.
  • 2002 – Am Théâtre du Châtelet in Paris wird unter Hellers Regie Erwartung von Arnold Schönberg und La Voix Humaine aufgeführt. Die Monolog-Opern singt Jessye Norman.
  • 2003 – Fußball-Globus für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland (inkl. dem WM-Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“). Um das Objekt gibt es einen Urheberschafts-Streit.[7]
  • 2004 - Jessye Norman eine Dokumentation von André Heller und Othmar Schmiderer
  • 2005 – Afrika! Afrika! eine Show mit der Premiere in Frankfurt am Main 15. Dezember 2005, weitere Stationen: Hannover Februar/März 2008

Werke (Auswahl)

  • King-Kong-King Mayer-Mayer-Ling – Theaterstück, uraufgeführt 1972
  • Die Ernte der Schlaflosigkeit in Wien – Bildband, erschienen 1975
  • Sein und Schein – Theaterstück, uraufgeführt 1993 am Wiener Burgtheater
  • Brockhaus-Enzyklopädie 2000 – Gestaltung der 24-bändigen Luxusedition (1998)
  • Im toten Winkel – Dokumentarfilm über Hitlers Sekretärin Traudl Junge; gewann den Panorma-Publikumspreis der Berlinale 2002.
  • Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein: Eine Erzählung, Kindheitserzählung in Anlehnung an seine Jugend im Jesuiteninternat[8], 2008

Diskographie

  • Nr. 1 (1970)
  • Platte (1971)
  • Das war André Heller (1972)
  • Neue Lieder (1973)
  • A Musi A Musi (1974)
  • Bei lebendigen Leib (live, 1975)
  • Abendland (1976)
  • Basta (1978)
  • Bitter und Süß (1978)
  • Ausgerechnet Heller (1979)
  • Heurige und gestrige Lieder (gemeinsam mit Helmut Qualtinger,1979)
  • Verwunschen (1980)
  • Stimmenhören (1983)
  • Narrenlieder (1985)
  • Liebeslieder (1989)
  • Kritische Gesamtausgabe 1967–1991 (1991)
  • Ruf und Echo (2003)
  • Bestheller 1967- 2007 (2008)

Auszeichnungen

  • 1986 – Bambi
  • 2004 – Amadeus Austrian Music Award für „Ruf und Echo“
  • 2004 wurde er in die Liste der 50 wichtigsten Österreicher der letzten 50 Jahre bei einer Leserumfrage der Tageszeitung Kurier gewählt.

Einzelnachweise

  1. Jack Grunsky Edition
  2. André Heller - Verwunschen (Album)
  3. André Heller - Stimmenhören (Album)
  4. André Heller in den Liner Notes der 1991 erschienenen „Kritischen Gesamtausgabe“
  5. http://oe1.orf.at/highlights/103727.html Laudatio von Alfred Gusenbauer für André Heller
  6. http://burgenkunde.at/wien/w_palais_windischgraetz/w_palais_windischgraetz.htm
  7. Urheberschafts-Streit
  8. TV-Bericht auf 3 sat

Weblinks

Artikel

Interviews


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