Karl Gottfried Hagen

Karl Gottfried Hagen
Karl Gottfried Hagen
Erstes pharmazeutisch-chemisches Laboratorium Königsberg in Preußen 1775
Münze zur Gründung der Hagen-Bucholz-Stiftung 1829
K. G. Hagen-Büste, früher im Senatszimmer der Albertus-Universität Königsberg, heute in Museen in Kiel und Heidelberg
Hagens Hof-Apotheke, Junkerstraße 6, 1913 abgebrochen

Karl Gottfried Hagen (* 24. Dezember 1749 in Königsberg (Preußen); † 2. März 1829 ebenda) war ein deutscher Pharmazeut und naturwissenschaftlicher Universalgelehrter. Er löste die Naturwissenschaften aus der Abhängigkeit von der Medizin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die Hagen reichten in Ostpreußen zurück bis 1584 und stammten aus Schippenbeil. Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stellten sie dort Apotheker und Ärzte.[1] Karl Gottfried war der Sohn von Heinrich Hagen (1709–1772), Apotheker in Königsberg. Seine Mutter Marie Elisabeth geb. Georgesohn war eine Tochter vom Besitzer der Hofapotheke, die sein Vater 1746 übernehmen konnte.

Hagen erhielt Privatunterricht von seinem Oheim, dem Pfarrer Georgesohn in Tiefensee, Landkreis Heiligenbeil, und besuchte das Altstädtische Gymnasium (Königsberg).[1] Am 23. Januar 1769 schrieb er sich als Medizinstudent an der Albertus-Universität Königsberg ein. Dort hörte er Kant, mit dem er das Desinteresse an Musik und Opern teilte. Die Hofapotheke belieferte die russische Zarenfamilie und blieb noch bis in die 1930er Jahre in Hagenschem Familienbesitz.

Von seinem Vater zum Pharmazeuten ausgebildet, wurde Hagen von Christoph Gottlieb Büttner unter die angehenden Mediziner aufgenommen; er wollte aber lieber Apotheker werden. Als sein Vater 1772 starb, übernahm er mit 23 Jahren die Hof-Apotheke. Er wurde Familienoberhaupt und Ernährer seiner Mutter und seiner sieben Geschwister, von denen das jüngste erst sechs Jahre alt war.[1] Vergeblich suchten seine Lehrer, darunter Kant und Johann Christoph Bohl, ihn für die akademische Laufbahn zu gewinnen. Andererseits wollten die Königsberger Apotheker ihren „abgebrochenen“ Kollegen nicht anerkennen. So genehmigte ein königlicher Spezial-Befehl den Apothekenbetrieb, wenn die Witwe einen approbierten Provisor anstellen und Hagen die Prüfung in Berlin bestehen würde; das gelang ihm am 29. Mai 1773 vorzüglich.

Apotheker

Nachdem Hagen die Apotheke über zwei Jahre erfolgreich geführt hatte, wurde er von der Medizinischen Fakultät durch ihren Dekan Andreas Johannes Orlovius aufgefordert, unter die Universitätslehrer zu treten. Der Doktorgrad würde ihm gegen geringe Kosten erteilt, wenn er sich den üblichen Bedingungen des Examens unterzöge. Danach hielt er drei Probevorlesungen über Krystalle und das Krystallisieren und schrieb die Inauguraldissertation De stanno. Seit 1775 promoviert, hielt er begeisternde naturkundliche Vorlesungen im meist überfüllten Auditorium seiner Apotheke. Sein Lehrbuch der Apothekerkunst, im Alter von 29 Jahren geschrieben, brachte ihm grossen Ruhm. Es erschien in acht Auflagen und wurde in vier Sprachen übersetzt. Die drei Teile Botanik, Mineralogie und Chemie genügten wissenschaftlichen wie praktischen Bedürfnissen.

Hochschullehrer

Seit 1779 Extraordinarius, wurde Hagen 1783 für ein Gehalt von 280 Talern auf den Lehrstuhl für Medizin berufen. Seine spätere Ernennung zum Geh. Medizinalrat verbesserte das Professorengehalt um 100 Taler jährlich.[1] Am 14. Oktober 1784 heiratete er die 15 Jahre jüngere Johanna Maria Rabe. Auf Wunsch von August Wilhelm Heidemann trat Hagen 1786 von der medizinischen zur philosophischen Fakutät über. Im selben Jahr erschien sein Grundriß der Experimentalchemie, das Kant als „logisches Meisterwerk“ bezeichnete.[2] In der Kant’schen Tischgesellschaft bewunderte Hagen seinerseits Kants Verständnis der Experimentalchemie ohne Anschauung von Experimenten.[3]

In seiner Apotheke unterrichtete Hagen nicht nur Studenten, sondern auch Staatsbeamte, Offiziere, Minister und Räte. Ludwig von Borstell dankte mit einem Pokal und einer gravierten Silberplatte. 1808/09 waren die preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm, Wilhelm und Friedrich, dann auch einmal das Königspaar mit den Prinzessinnen unter den Hörern.

Bildung

1787 gab Hagen den Anstoß zur Errichtung eines Botanischen Gartens der Universität. Beim zuständigen Minister Karl Abraham von Zedlitz stieß die Idee auf vorbehaltlose Zustimmung; aber erst als 1806 das Gartengrundstück von Johann Georg Scheffner gekauft werden konnte, wurde Hagens Anregung 1811 mit dem Botanischen Garten (Königsberg) realisiert.

Als 1797 die Artillerieschule in Königsberg eröffnet wurde, lehrte Hagen auch dort.

Hagen wurde in die Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft aufgenommen, die ihren Sitz noch in Mohrungen hatte und unter der Schirmherrschaft von Ewald Friedrich von Hertzberg stand. 1799 wurde sie nach Königsberg verlegt. Hagen wurde ihr Präsident und machte sie zu einer auch in nichtakademischen Kreisen angesehenen Gesellschaft.

Wie aus neuesten Veröffentlichungen erkenntlich, waren Kant und Hagen Vordenker der Humboldt’schen Bildungsreform. Schon früh hatte Hagen seine Vorlesungen an junge Gelehrte abgetreten: die Botanik an Schweigger, die Zoologie an von Baer, die Mathematik an Bessel und die Physik an die aus Berlin geschickten Privatdozenten Neumann und Dove. Sie brachten die Königsberger Universität im 19. Jahrhundert zu europaweitem Ansehen in Mathematik, Astronomie und Naturwissenschaften.

1812 gründete Hagen mit Bessel, dem Mediziner Remer[4] und Schweigger ein Königsberger Archiv für Naturwissenschaften und Mathematik. 1820 gründete er das Mineralogische Museum der Universität.

Nur einmal machte Hagen eine große Reise. Mit seinem Mieter Baron von Salis reiste er fünf Monate durch die Schweiz und traf Salomon Gessner, Johann Heinrich Pestalozzi und Albrecht von Hallers Söhne. Seine Naturschilderungen sind „sehr lesenswert“.[1]

Stolz war Hagen auf seine alchemistische Bibliothek.

Wissenschaftliche Bedeutung

Hagen begründete die wissenschaftliche Pharmazie und die experimentelle Laborarbeit. Nach seinem Vorbild richtete Justus von Liebig 1825 in Gießen ein Universitätslaboratorium ein. Hagen machte die Albertus-Universität zur Geburtstätte der chemischen Untersuchungsmethoden, durch die Deutschland innerhalb weniger Jahre zur Vormacht der der Chemie wurde.[1] Hagen war einer der ersten, die Natron von Kali unterschieden.

Neben den phamazeutischen und chemischen Grundrissen gab Hagen den Studenten und Apothekern ein weiteres Lehrbuch der Apothekerkunst an die Hand.[5] Die Bücher fanden im In- und Ausland große Beachtung und wurden über ein halbes Jahrhundert zu Standardwerken des deutschsprachigen Unterrichts.

Familie

Seit 1784 war Karl Gottfried Hagen mit Johanna Maria Rabe (1764–1829) verheiratet. Das Paar hatte neun Kinder, von denen vier jung starben. Alle blieben in Königsberg:

Ehrungen

1800 wurde Hagen zum Wirkl. Geh. Rat ernannt.

Zum 50. Doktorjubiläum erhielt er 1825 den Roten Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub. Aus demselben Anlass ließen die Apotheker des Königreichs Preußen eine Silbermedaille nach einem Wachsmodell Karl Wichmanns in der Berliner Münze schlagen.[6] Mit den Apothekern der Provinz Ostpreußen ließ die Universität von Wichmann eine Marmorbüste anfertigen.

Schließlich wurde Hagen durch ein Medaillon neben dem von Friedrich Burdach an der Neuen Universität geehrt.

Eine ostafrikanische Stammpflanze der arzneilich verwendeten Kosobaumblüten erhielt den Namen Hagenia abessynica. Weiter existiert die Bezeichnung Galeopsis Hagenii und in der Zoologie führte Karl Ernst von Baer die Bezeichnung Mytilus Hagenii für eine Muschel ein.[3] 1829, in Hagens Todesjahr, wurde ihm zu Ehren die Hagen-Bucholz-Stiftung gegründet. Vier Monate nach ihm starb seine Frau. Beigesetzt wurden beide auf dem Altroßgärter Friedhof. Für das Grab im Schatten einer Eiche wurde aus Berlin ein Granitwürfel mit vier klassizistischen Urnen an den Ecken geliefert.[1]

Im Westen, an der Grenze zu Mittelhufen, benannte die Stadt Königsberg eine wichtige, von Rotkastanien gesäumte Straße nach den Hagen. Im sowjetischen Kaliningrad wurde sie in Karl-Marx-Straße umbenannt.[1]

Schriften

Literatur

  • Albert Ladenburg: Hagen, Karl Gottfried. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 340.
  • A. Wimmer: Kant und die Pharmazie. In: Süddeutsche Apotheker-Zeitung Jg. 89/16, 1949, S. 263–265
  • R. Schmitz: Die Deutschen Pharmazeutisch-Chemischen Hochschulinstitute. C. H. Boehringer Sohn, Ingelheim 1969
  • S. Hagen: Hagen’sche Familien-Chronik. Dreihundert Jahre Hagen’sche Familiengeschichte. Selbstverlag, 1938, 2 Bände
  • Hans Vallentin: Bedeutende Ostpreußische Apotheker vergangener Zeiten. In: Pharmaceutische Zeitung, Jg. 73, Nr. 69 (1928), S. 1053–1055
  • H. Matthes: Pharmazie und Pharmazeuten in Ostpreussen. In: Pharmazeutische Zeitung, 73. Jg. Nr. 69 (1928), S. 1041–1055.
  • E. A. Hagen: Der Medizinalrath Dr. Hagen. Eine Gedächtnisschrift zu seinem hundertsten Geburtstag am 24. Dez. 1849. Dalkowski, Königsberg (Vorwort von F. Ph. Dulk: Über die wissenschaftliche Bedeutung K. G. Hagens
  • H. Trunz: Apotheker und Apotheken in Ost- und Westpreußen 1397–1945. Quellen, Materialien, Sammlungen. Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen, Selbstverlag, Band I, Nr. 5, Hamburg 1992 und Band II, Nr.5/2, 1996
  • E. Neumann-Redlin von Meding: 250 Jahre: Karl-Gottfried Hagen. Ausstellung im Museum Stadt Königsberg zum 250. Geburtstag. Abdruck des Vortrags am 5. November 1999. In: Königsberger Bürgerbrief 53, 1999. S. 86–90
  • E. Neumann-Redlin von Meding, J. von Meding: Karl Gottfried Hagen und die wissenschaftliche Pharmazie an der Albertus-Universität in Königsberg/Preußen. Geschichte der Pharmazie; DAZ-Beilage; Jg. 51, 1999, S. 53–59
  • E. Neumann-Redlin von Meding: Immanuel Kant und der Naturwissenschaftler Karl Gottfried Hagen. In: Preußenland. Mitteilungen der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung und aus den Archiven der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Jg. 42, Nr. 2, 2004, S. 40–57
  • N. Ermakowa: K. G. Hagen und die Königsberger Universität. Materialien des internationalen wissenschaftlichen Seminars, gewidmet der 250. Wiederkehr seines Geburtstags. Selbstdruck, Universität Kaliningrad, 2000
  • N. Ermakowa: K. G. Hagen (1749–1829) – Professor der Universitaet Koenigsberg. Die humanistische Ausrichtung und die Besonderheit der paedagogischen Taetigkeit. Dissertation (russ.), Kant-Universität, Kaliningrad 2005
  • Herbert Meinhard Mühlpfordt: Carl Gottfried Hagen und seine Hofapotheke. In: Königsberger Leben im Rokoko. Bedeutende Zeitgenossen Kants. Schriften der J. G. Herder-Bibliothek Siegerland, Bd. 7, Siegen 1981, S. 53–72

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h H. M. Mühlpfordt, 1981
  2. Wimmer S. 264, Schmitz S. 221; Hagen-Familienchronik
  3. a b Matthes 1928, S. 1041
  4. Paul Zimmermann: Remer, Julius August. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 198–200.
  5. Valentin und E. A. Hagen
  6. Trunz, S. 528

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