Kartophilist

Kartophilist
Ansichtskarte: Gruss vom Starnberger See von 1897

Bei der Philokartie geht es um das systematische Sammeln und Erforschen von Postkarten, hierunter sehr häufig Ansichtskarten. Die Namensgebung leitet sich aus dem Griechischen ab, Philos heißt der Freund. Sammler, die sich damit befassen, werden auch als Philokartisten oder Kartophilisten bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Sammelns

Titelseite einer Zeitschrift für Ansichtskartensammler von 1896
Eine Ansichtskartensammlung

Nachdem Ansichtskarten kurz vor 1900 einen regelrechten Boom erlebt hatten, fand in der Zeit von 1900 bis 1918 auch das Sammeln von Postkarten eine große Beliebtheit.[1] Die Gründe für den Aufschwung der Ansichtskarten sind in der geringen Verbreitung anderer Bildmedien wie Illustrierte oder Fotografie und dem Fehlen anderer Kommunikationsformen – noch kaum jemand hatte ein Telefon und Telegramme waren teuer – zu finden. Aus dieser Zeit sind noch viele stilvolle Alben erhalten. Auch erste Sammlervereine wurden gegründet.

Es gab einen Allgemeinen Centralverband der Ansichtskartensammler und Fachzeitschriften wie „Internationale-Ansichtskarten-Revue“ und „Der Ansichtskartensammler“.[2] Zwischen 1896 und 1902 gab es in Deutschland mindestens elf Fachzeitschriften.[3] Damit dürfte damals dieses Hobby einen ähnlichen Stellenwert gehabt haben wie heute die Philatelie. 1914 hatte der schon lange nicht mehr existierende Weltverband Kosmopolit 13.000 Mitglieder[4] und verfügte auf fünf Kontinenten über mehr als 100 Konsulate.[5]

Die Zeit von 1897 bis 1918 wird auch als das Goldene Zeitalter der Ansichtskarte bezeichnet. Danach sank die Zahl der Sammler. In den 1920er Jahren gab es nochmal eine kleinere Sammlerwelle, als es Mode wurde, Filmschauspieler und Prominente auf Ansichtskarten abzubilden.[2]

Das Sammeln von Ansichtskarten wurde erst wieder ab Ende der 1970er Jahre populärer, wobei bei heutigen Sammlern mehr die Wertschätzung für die alten Raritäten im Vordergrund steht. Im Zuge dieser neuerlichen Entwicklung entstanden spezialisierte Auktionshäuser, Ansichtskartenläden wurden eröffnet, und es konnte sich wieder eine deutschsprachige Fachzeitschrift für Ansichtskartensammler etablieren. Heutzutage sind jedoch Philatelie und Numismatik deutlich beliebtere Sammelgebiete.

Sammelgebiete

Sehr verbreitet ist das Sammeln von Ansichtskarten nach geographischen Kriterien. Philokartisten bezeichnen Abbildungen von Städten, Ortschaften oder Landschaften als topografische Karten. Andere sammeln bestimmte Motive, gewisse Thema oder Karten von einzelnen Künstlern. Dabei haben viele Sammler bevorzugte Verlage oder Druckverfahren wie z. B. Lithografien oder Echtfotokarten. Meist werden die Karten wegen des dokumentarischen oder künstlerischen Wertes geschätzt.

Der weitaus überwiegende Anteil der Ansichtskartensammlern sind Heimatsammler, die hauptsächlich topografische Karten von ihrer regionalen Umgebung sammeln. Diese Sammler haben oft auch ein ausgeprägtes Interesse für Heimatgeschichte, und viele von ihnen sammeln auch noch andere Dinge, die mit der Heimat in Verbindung stehen wie einschlägige Literatur oder andere Heimatbelege (z. B. Korrespondenz, Firmenbelege, Dokumente, Notgeld, Reklame usw.).

Manche Sammler sind in erster Linie Briefmarkensammler und setzen die Schwerpunkte nach philatelistischen Aspekten wie etwa nach der Besonderheit der Versandart (z. B. Schiffspost) oder besondere Stempel wie Posthilfsstellenstempel. Ganzsachenkarten wie die sogenannten Bildpostkarten werden auch gerne von Philatelisten gesammelt.

Katalogisierung

Bei Ansichtskarten gibt es im Gegensatz zu Briefmarken, Telefonkarten oder Münzen nur für sehr wenige abgegrenzte Sammelgebiete Katalogisierungen von Karten, was bei der enormen Vielzahl der verschiedenen Karten verständlich wird. Auch von kleineren Orten gibt es häufig schon hunderte verschiedener Ansichtskarten. Gerade das macht den Reiz für viele Sammler aus, immer wieder neue Entdeckungen zu machen, um die Sammelgebiete zu vervollständigen. Für Ganzsachenkarten und sogenannte Bildpostkarten gibt es beispielsweise Kataloge mit Preisen.

Als Anhaltspunkte für Preise können Auktionskataloge von spezialisierten Auktionen für Postkarten verwendet werden, oder man kann bei Online-Auktionshäusern im Internet beobachten, welche Preise ähnliche Karten erzielen.

Preise und Markt

Die Preise für alte Ansichtskarten bewegen sich von bis über 20.000 Euro[6] für Spitzenkarten bis unter 1 Euro. Meist kosten alte Einzelkarten zwischen 50 Cent bis knapp über 20 Euro, wobei Karten aus Posten gewöhnlich deutlich günstiger sind. In der Regel sind Ansichtskarten von Großstädten billiger als von kleineren Orten, es sei denn es handelt sich um kleine Orte mit sehr viel Fremdenverkehr.

Gesuchte, zumeist teurere Postkarten

Viele ernsthafte Sammler suchen überwiegend Karten, die schon mindestens mehrere Jahrzehnte alt sind. Deswegen und wegen der zunehmenden Seltenheit werden Karten mit hohem Alter tendenziell teurer gehandelt. Etliche Sammler suchen über Jahre und Jahrzehnte nach bestimmten Karten.

Die meisten Ansichtskarten werden heute entweder über das Internet verkauft bzw. versteigert oder auf Ansichtskartenbörsen bzw. Ansichtskartenmessen verkauft. Es gibt auch Ansichtskartenhändler und -läden, die aber meist auch Briefmarken, Münzen, Geldscheinen oder andere Kleinantika verkaufen. Außerdem gibt es spezialisierte Auktionshäuser. Auch auf Flohmärkten werden oft alte Karten verkauft.

Aufbewahrung

Es empfiehlt sich wertvollere Karten in weichmacherfreien Klarsichthüllen aufzubewähren. So sind sie vor Verschmutzung und Abnützung besser geschützt. Weichmacher gasen mit der Zeit aus und können die Karten beschädigen. Klarsichthüllen gibt es in verschiedenen Formaten speziell für Postkarten. Außerdem gibt es spezielle Lagerkartons, Alben und Alu-Koffer.

Lagerung

Postkarten sollten möglichst lichtgeschützt in einem nicht zu trockenem und nicht zu feuchtem Raumklima möglichst zwischen 40% und 65% relativer Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden. Zu feuchtes Lagern begünstigt die Bildung von Stockflecken. Die Temperatur sollte Raumtemperatur (20 °C ± 2 °C) sein. Unbeheizte Räume wie Dachböden, Keller, Garagen, Scheunen eignen sich nicht zur Aufbewahrung.

Bedeutende Sammlungen

  • Das Altonaer Museum in Hamburg hat 1,5 Millionen "Bildpostkarten" gesammelt und inventarisiert.[8]
  • Eine der größten Sammlungen von Ansichtskarten (ca. 900.000 Exemplare) kann im ungarischen Ort Szerencs auf der Rákóczi-Burg besichtigt werden.
  • Eine ebenfalls sehr große, internationale Sammlung mit 600.000 dokumentierten Exemplaren gibt es in Sankt Petersburg.[9]
  • In Paris, im Museum für Volkskunde, gibt es eine Sammlung mit 80.000 historisch wichtigen Ansichtskarten.[9]
  • Eine sehr umfangreiche und sehr wertvolle Sammlung von Lithografie-Ansichtskarten aus ganz Deutschland hatte der ehemalige Erzbischof von Fulda Johannes Dyba.
  • Der britische Fotograf Martin Parr besitzt eine Sammlung von mehr als 20.000 Postkarten, von denen aber viele aus den 1970er Jahren stammen oder noch jünger sind. Er hat seine Sammlung in mehreren Büchern dokumentiert.

Abgrenzung zur Philatelie

Postkarten werden in dem Moment zu philatelistischen Belegen, wenn sie postalisch verschickt werden, außer wenn es sich um Ganzsachenkarten handelt. Sammler, die gleichzeitig Briefmarkensammler sind, bevorzugen im allgemeinen postalisch beförderte Stücke.

Trivia

Der Operettenkomponist Paul Lincke hat einen "Marsch der Ansichtskartensammler" komponiert.[10][11]

Literatur

Literatur

  • Lebeck/Kaufmann: Viele Grüße... Eine Kulturgeschichte der Postkarte, Verlag: DBT im Bertelsm. 1988, Mchn., ISBN 3883794589
  • Martin Willoughby: Die Geschichte der Postkarte. Ein illustrierter Bericht von der Jahrhundertwende bis in die Gegenwart, Verlag: K. Müller Erlangen 1993, ISBN 3860703684
  • Horst Hille: Sammelobjekt Ansichtskarte. Transpress, Berlin 1989, ISBN 3-344-00401-8
  • Horst Hille: Ansichtskarten sammeln. Phil-Creativ, Schwalmtal 1993, ISBN 3-928277-20-0
  • Wolfgang Till: Alte Postkarten. Sinnvoll sammeln - garantiert gewinnen. (= Battenberg-Sammler-Kataloge). 2. Auflage. Battenberg, Augsburg 1992, ISBN 3-89441-022-1
  • Dieter Weidmann: Postkarten - von der Ansichtskarte bis zur Künstlerkarte, 1996 Deutscher Kunstverlag München Berlin, ISBN 3-422-06183-5
  • Otto Wicki: Geschichte der Post- und Ansichtskarten, Verlag Zumstein & Cie., Bern 1996, mit 32 Seiten, ISBN 3-909278-13-2
  • Linke/Richter: Ratgeber für Ansichtskartensammler und die es werden wollen, unter Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse. Salzwasser-Verlag, Halenbeckstr. 19, 28757 Bremen, oder über den Buchhandel unter ISBN 978-3-86741-091-5.

Zeitschriften

  • AK Express: Seit mehr als 30 Jahren die deutsche Fachzeitschrift für Ansichtskarten-, Heimat-, Motiv- und Forschungssammler; Erscheinungsweise: Vierteljährlich
  • AnsichtsKarten-SammlerBrief, Mitteilungsblatt der AnsichtsKarten-InteressenGemeinschaft (vormals Philokartisten Union Europas seit 1961), als Arbeitsgemeinschaft im BDPh, VPhA; Erscheinungsweise: Vierteljährlich.

Einzelnachweise, Anmerkungen

  1. Linke/Richter, "Ratgeber für Ansichtskartensammler", Salzwasser Verlag 2007, Klappentext auf der Buchrückseite
  2. a b Peter K. W. Freude, Gruss aus Murnau. Der Markt auf alten Ansichtskarten, Murnau 1999, Seite 94
  3. Lebeck/Kaufmann, Viele Grüße... Eine Kulturgeschichte der Postkarte, 2. Auflage von 1988, Harenberg Kommunikation Dortmund, Seite 411
  4. Otto Wicki, Geschichte der Post- und Ansichtskarten, Verlag Zumstein & Cie, Bern 1996, Seite 16
  5. Linke/Richter, "Ratgeber für Ansichtskartensammler", Salzwasser Verlag 2007, Seite 54
  6. Philatelie - Das Sammlermagazin des Bundes Deutscher Philatelisten, Ausgabe 378 vom Dezember 2008, Seite 8
  7. 20 Karten, gedruckt 1923 aus Anlaß der Bauhausausstellung in Weimar, zum Teil von sehr bekannten Künstlern (Wassily Kandinsky, Paul Klee) gestaltet. Siehe hierzu auch Ansichtskartenportal Volker Wichmann: Die teuersten Ansichtskarten.
  8. Das Archiv - Magazin für Post- und Telekommunikationsgeschichte, Heft 4, 2007, ISSN 1611-0838, Titel: Kartengrüße - Sammlungen, Rartitäten, Dokumente, Seite 62
  9. a b Otto Wicki, Geschichte der Post- und Ansichtskarten, Verlag Zumstein & Cie, Bern 1996, Seite 5
  10. Otto Wicki, Geschichte der Post- und Ansichtskarten, Verlag Zumstein & Cie, Bern 1996, Seite 25
  11. Der eigentliche Titel des Marsches ist "Karten-Sammler-Marsch" und der Text und Umschlag des Marsches wurde auch im "Ansichtskarten-Sammlerbrief" Nr. 169 / Dezember 2008 abgedruckt.


Weblinks


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