Karussell

Karussell
Kinderkarussell im Höhenpark Killesberg in Stuttgart
Kettenkarussell in Wuppertal
Kinderkarussell auf dem „Berger Markt“
Etagenkarussell, Anfang 20. Jahrhundert
Karussell auf Kuba
Kinder beim Karussellfahren, 1828
historisches Karussell (um 1900) in Nizza als Touristenattraktion

Ein Karussell (nach dem französischen Carrousel), früher auch Ringelreiten, im süddeutschen Raum Reitschule, in Österreich Ringelspiel genannt, ist ein sich drehendes Fahrgeschäft. Es ist in verschiedensten Ausführungen auf Volksfesten und in Vergnügungsparks vertreten.

Inhaltsverzeichnis

Karussell-Typen

Langsamfahrende Karusselle sind meist mit Fahrzeugen oder Tieren dekoriert, auf denen die Fahrgäste Platz nehmen. Wegen der niedrigen Geschwindigkeit besitzen sie keine Sicherheitsbügel und werden auch von Kleinkindern gerne gefahren. Traditionelle Karussellfiguren sind hölzerne Pferde, auf denen die Fahrgäste sitzen. Diese Pferde machen, während sie im Kreis fahren, auf manchen Karussellen zusätzlich eine Auf-und-Ab-Bewegung. Ein ähnliches Prinzip mit einer wellenförmigen Bewegung stellt die Walzerbahn dar.

Beim Kettenkarussell sind die einzelnen Sitze mit Ketten an einem Drehkranz aufgehängt. Durch die Drehung schwingen sie zur Seite aus. Beim Wellenflug wird der Drehkranz zusätzlich gekippt.

Tagada nennt man eine Drehscheibe, die am Rand Sitze aufweist. Die Fahrgäste werden durch die Fliehkraft in den Sitz gepresst.

Schnellfahrende Karusselle gibt es in verschiedensten Bauarten. Bei manchen wird das Gerät während der Fahrt gekippt oder gedreht. Es gibt auch Modelle, bei denen sich die Kabinen während der Fahrt überschlagen. Schnellfahrende Karusselle haben stets Sicherheitsbügel und unterliegen zum Schutz der Fahrgäste ebenso wie langsamfahrende Karusselle sehr strengen Sicherheitskontrollen durch den TÜV.

Karusselle gibt es auch als Spielzeug und auf Kinderspielplätzen, dort als muskelbetriebene Varianten.

Geschichte

Die frühesten Berichte über Karusselle stammen aus dem ehemaligen Byzantinischen Reich: Im damals türkischen Philippopolis (heute Plowdiw, Bulgarien) wurde das erste Karussell am 17. Mai 1620 präsentiert. Der englische Reisende Peter Munday beschreibt diese von ihm auch skizzierte achtsitzige, von Menschenkraft angetriebene Kuriosität so:

"Es besteht aus einem großen Wagenrad, an dessen äußerer Seite kleine Sitze befestigt sind, worauf die Kinder ihren Platz einnehmen. Dann wird das Rad in Bewegung versetzt, und sie kreisen in horizontaler Richtung herum."

Im Mittelalter wurde eine Art Karussell dazu benutzt, Ritter zu trainieren. Sie nahmen außen auf dem Karussell Platz und mussten versuchen, die um das Karussell angeordneten Ringe mit ihrer Lanze zu durchstechen. Da die meisten Menschen Rechtshänder sind und deshalb die Lanze in die rechte Hand nahmen, drehten sich diese Karusselle entsprechend stets gegen den Uhrzeigersinn. Im 18. Jahrhundert war es an den barocken Höfen Europas üblich, dass Herren wie Damen auf Pferden leichte Geschicklichkeitsübungen vollführten, bei denen zum Beispiel mit einer Lanze versucht werden musste, kleine Ringe aufzustecken (daher auch der deutsche Begriff Ringelreiten). Später wurden die echten Pferde dann durch von Menschenkraft betriebene Vorläufer des Karussells ersetzt.

Das erste motorisch angetriebene Karussell wurde am 1. Januar 1863 im englischen Bolton auf einem Töpfereimarkt in Betrieb genommen. Es war von Thomas Bradshaw gebaut worden und wurde von einer Dampfmaschine angetrieben, wahrscheinlich über eine Transmission aus Riemen. Diese Konstruktion verbreitete sich von England aus in ganz Europa und kam 1870 auch erstmals nach Amerika.

Ab 1880 etwa erhielten die Karussellpferde, basierend auf einer Erfindung der Landmaschinenfabrik Savage, die charakteristische Auf- und Abbewegung, die den Eindruck des Reitens verstärkt. In besonders eindringlicher und dramatischer Art wurde dieses Auf und Ab in Zusammenhang mit der unaufhörlichen Drehbewegung von Alfred Hitchcock in der Schlussszene des Krimi-Klassikers Der Fremde im Zug dargestellt.

In Deutschland drehte sich das erste Karussell im Jahre 1780. Das im November 1779 begonnene und im Oktober 1780 fertiggestellte Karussell befindet sich in einem Rundtempel auf einem künstlich angehobenen Hügel in Wilhelmsbad, einer ehemaligen Kuranlage in Hanau am Main. Dieses in seiner Art einmalige Bauwerk scheint damit auch das älteste noch existierende Karussell der Welt zu sein, es befindet sich seit Februar 2007 in Restaurierung.

Weltbekannt ist das 1907 von Hugo Haase in Leipzig gebaute Stufenkarussell "El Dorado". Es wurde 1910 für 150.000 Dollar nach Coney Island verkauft, kam 1970 zur Weltausstellung nach Osaka und steht heute im Freizeitpark Toshima bei Tokio. Bis auf kurze Zeitabschnitte ist es somit über 100 Jahre in Betrieb.

Spielplatzgeräte

Für Spielplätze sind verschiedene Karussell-Formen erhältlich, die durch die Spielenden angetrieben werden. Das Drehkreuz ähnelt den klassischen Fahrgeschäften: es gibt eine zentrale Achse, an der Plätze für die einzelnen Benutzer angeordnet sind. Beim Karussell mit mitdrehendem Boden drehen sich nicht nur die einzelnen Plätze, sondern das gesamte Karussell mit Boden, Haltegriffen und Sitzen. Oft kann es durch eine mittig angebrachte Antriebsscheibe in Drehung versetzt werden. Drehpilze und Rundläufe besitzen eine nach oben versetzte Drehscheibe, an der die Benutzer sich festhalten und anhängen können. Beim Drehpilz ist die Haltevorrichtung starr, beim Rundlauf gibt es beweglich aufgehängte Haltegriffe. Bahngeführte Karussells bestehen aus einer Kreisbahn und den darauf fahrenden, durch muskelkraft betriebenen Benutzerstellen. Drehscheiben schließlich bestehen aus einer einfachen, drehbar gelagerten Scheibe. Die Achse kann geneigt sein.[1]

Verwandte Themen

Literatur

  • Florian Dering: Volksbelustigungen. Eine bildreiche Kulturgeschichte von den Fahr-, Belustigungs- und Geschicklichkeitsgeschäften der Schausteller vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Franz Greno, Nördlingen 1986, ISBN 3-89190-005-8 (zugl. Dissertation, Universität München)
  • Margit Ramus: Wie alles begann... Jahrmarkt, fahrendes Volk und Karussells. Selbstverlag, Köln 2004 (Druck: Komet, Pirmasens), ISBN 3-00-015714-X (zugl. Magisterarbeit, Universität Bonn 2004)
  • Sacha-Roger Szabo: Rausch und Rummel. Attraktionen auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks. Eine soziologische Kulturgeschichte. Transcript, Bielefeld 2006 ISBN 3-89942-566-9 (zugl. Dissertation, Universität Freiburg i. Br. 2006)

Einzelnachweise

  1. DIN EN 1176 Spielplatzgeräte. Teil 5 Zusätzliche besondere sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für Karussells. 1998, Beuth-Verlag

Weblinks

 Commons: Karussell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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