Kausalität (Recht)

Kausalität (Recht)

Der Begriff der Kausalität spielt im Bereich der Rechtswissenschaft eine wesentliche Rolle. Im Strafrecht ist beispielsweise für die Verwirklichung eines Erfolgsdelikts ein Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Täters und dem eingetretenen deliktischen Erfolg Voraussetzung.

Inhaltsverzeichnis

Kausalität im Strafrecht

Im Strafrecht wird eine Handlung dann als kausal angesehen, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Diese Regel wird im Strafrecht auch als die Conditio-sine-qua-non-Formel (auch Bedingungstheorie oder Äquivalenztheorie) bezeichnet. Dieser Formel bedient sich weiterhin die Rechtsprechung und auch die herrschende Lehre.

Als weitergehende Lehre wird in der Wissenschaft die Lehre von der „gesetzmäßigen Bedingung“ vertreten. Sie geht zwar ebenso wie die Bedingungstheorie von der Gleichwertigkeit aller Ursachen aus, versucht aber Schwächen der Conditio-sine-qua-non-Formel auszugleichen. So ersetzt sie das Hinwegdenken der Tathandlung durch eine andere Frage: „Haben sich an die betreffende Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandlicher Erfolg darstellen?“

Die strafrechtlichen Kausalitätstheorien stellen innerhalb des objektiven Tatbestandes nur ein Zurechnungsminimum dar. Die notwendige Kausalität wird deshalb in der Rechtslehre durch das ebenfalls im objektiven Tatbestand zu prüfende Kriterium der objektiven Zurechnung ergänzt.

Im Zusammenhang mit der Kausalität im Zivilrecht werden relevante Fragen auch des Strafrechts überprüft. Insoweit wird im Zusammenhang der überholenden Kausalität, der Doppelkausalität bzw. der alternativen Konkurrenz und kumulativen Kausalität, auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.

Kausalität im Zivilrecht

Für die zivilrechtliche Haftung ist neben anderen Voraussetzungen in der Regel erforderlich, dass der Inanspruchgenommene den Schaden verursacht hat (siehe entfernt: Gefährdungshaftung). Allerdings wird eine Haftung auf der Grundlage der Conditio-sine-qua-non-Formel im Zivilrecht als teilweise zu weitgehend angesehen und mit Hilfe von Begriffen wie Adäquanz oder „Schutzzweck der Norm“ eingeschränkt. Eine Erweiterung des allgemeinen Kausalitätsbegriffes ergibt sich aus § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB. Demnach ist jeder für den Schaden verantwortlich, wenn „sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat“. Voraussetzung ist, dass jeder - abgesehen vom Nachweis der Kausalität - eine unerlaubte Handlung begangen hat, die konkret geeignet war, den Schaden herbeizuführen. Außerdem muss feststehen, dass einer der Alternativtäter den Schaden verursacht hat. Weitere Ausnahmen enthalten die §§ 6, 7 UmweltHG und § 84 Abs. 2 AMG.

Im Einzelnen unterscheidet man:

  • alternative Kausalität (geregelt in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB): Eine von mehreren Handlungen war ursächlich, es ist aber nicht feststellbar welche (Fall des so genannten Urheberzweifels); hiervon zu unterscheiden ist die Konstellation des Anteilszweifels: mehrere Handlungen haben einen Erfolg gemeinsam verursacht, unklar ist aber, zu welchem Grad sich jede einzelne Ursache im Erfolg niedergeschlagen hat (Beispiel: zwei Fabriken leiten Abwasser in einen Fluss, wodurch ein Fischsterben ausgelöst wird).
  • Doppelkausalität: Jede Handlung wäre an sich, einzeln, ursächlich (Beispiel: zwei tödliche Dosen des gleichen Gifts im Kaffee).
  • hypothetische Kausalität: Die Tathandlung ist kausal, obwohl durch ein anderes, unabhängiges Ereignis der Taterfolg voraussichtlich „sowieso eingetreten wäre“ (Beispiel: A erschießt B am Flughafen, das Flugzeug, das B nehmen wollte, stürzt ab). Es ist indes fraglich, ob dieses Beispiel glücklich gewählt ist. Hypothetische Kausalität tritt beim Unterlassungsdelikt anstelle des Kausalzusammenhanges beim Handlungsdelikt. Da im Falle des Unterlassungsdelikts keine Handlung (im Sinne einer notwendigen conditio) hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, muss auf das Konstrukt der hypothetischen Kausalität ausgewichen werden. Es ist demnach zu fragen, ob die Vornahme der gebotenen – aber versäumten – Handlung den Erfolg in der Art des eingetretenen, hätte entfallen lassen. Die Limitierung der Strafbarkeit kann in diesem Fall nur von der Frage abhängen, ob der Täter den Erfolg hätte abwenden können. Es handelt sich also nicht um eine tatsächliche sondern lediglich um eine hypothetische Kausalität.
  • kumulative Kausalität: Beide Handlungen waren nur zusammen ursächlich (Beispiel: zwei für sich genommen nicht tödliche Dosen Gifts im Kaffee, die zusammen den Taterfolg herbeiführen).
  • abgebrochene/überholende Kausalität: Die erste Handlung wird von einer zweiten überholt, die den (schädigenden) Erfolg herstellt, sodass die erste sich nicht mehr auswirken kann (Beispiel, A wird von B vergiftet, und bevor das Gift wirkt von C erschossen).
  • psychische Kausalität: Die Handlung wird kausal für die Willensbildung eines anderen, der den (schädigenden) Erfolg dann durch sein Handeln herbeiführt.

Kausalität im Sozialrecht

Im Sozialrecht ist die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung herrschend. Sie ist vor allem für die Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, sowie im sozialen Entschädigungsrecht bedeutsam. „Wesentliche Bedingung“ in diesem Sinne ist nur eine conditio sine qua non, die nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen sozialrechtlichen Systems auch erfasst sein soll. Im Unfallversicherungrecht wird so insbesondere die Abschichtung von allgemeinen Lebensrisiken erreicht, die nicht dem Versicherungsschutz unterstehen. Ob es sich dabei um eine „adäquate“ Ursache im Sinne der zivilrechtlichen Adäquanztheorie handelt, spielt keine Rolle. Diese beiden Theorien können im Einzelfall zu demselben Ergebnis kommen, müssen es aber nicht.

Literatur

  • H. L. A. Hart, Tony Honoré: Causation in the Law, Oxford, Clarendon Press, 2. Auflage, 1985.
  • Karl Engisch: Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, Tübingen, Mohr Siebeck, 1931.
  • Ronald H. Coase, The Problem of Social Cost, 3 J. Law & Econ. 1 (1960)
  • Bertram Schulin, in: ders., Handbuch des Sozialversicherungsrechts. Bd. 2. Unfallversicherungsrecht. § 29. C.H. Beck. München. 1996.
  • Helmut Weber: Der Kausalitätsbeweis im Zivilprozeß, Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen Bd. 83, 1997, ISBN 3-16-146745-0
  • Luidger Röckrath: Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung. Rechtliche und ökonomische Analyse, C.H. Beck, München, 2004, ISBN 3-406-51769-2
  • Constantin Kruse: Alternative Kausalität im Deliktsrecht, Lit Verlag, 2006, ISBN 3-8258-9127-5

Siehe auch

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