Kettenkugeln

Kettenkugeln
„Kanonenkugeln“ in Rhodos

Bei einer Kanonenkugel handelte es sich ursprünglich um eine großkalibrige Steinkugel, die mit Hilfe von Schwarzpulver aus dem Rohr der Steinbüchse abgefeuert wurde. Sie wurden aber auch von Katapultvorrichtungen geschleudert, wie z. B. die in Rhodos (siehe Abbildung). Im Laufe des 15. Jahrhunderts setzten sich Eisenkugeln durch, doch fanden Steinkugeln als Munition für Schiffskanonen bis weit in die Frühe Neuzeit hinein weiterhin Verwendung. Die Kanonen wurden ursprünglich nicht nach dem Kaliber, sondern nach dem Gewicht ihrer Kugeln eingeteilt, vom 6-Pfünder bis zu 32-Pfünder und mehr.

Kanonenkugel der Burgruine Loch in Bayern

Bei der Feldartillerie waren Kanonenkugeln die Hauptgeschosse, da nach dem Abfeuern in flachem Winkel die Kugeln in Mannshöhe flogen und nach 800 Metern das erste mal den Boden berührten, um gleich darauf weiter zu hüpfen und nach weiteren 400 Metern nochmals aufzusetzen und noch weitere 200 Meter zu springen. In dichten Infanterieformationen konnte eine Kugel so gleich drei bis vier Leute töten und fünf bis sechs weitere verletzen.

Inhaltsverzeichnis

Kettenkugeln

Verschiedene Kugeltypen, gefunden im Wrack der Wasa

Besonders verheerend waren die so genannten Kettenkugeln, die aus zwei mit einer Kette verbundenen Eisenkugeln, manchmal auch zwei Halbkugeln bestanden. Beim Verlassen des Rohres gingen die Kugeln auf Kettenlänge auseinander und flogen instabil um sich selbst rotierend bis zum Aufprall, bei dem sie ein fast doppelt so großes Loch verursachten wie eine Vollkugel. Durch das Flugverhalten wurde aber die Geschwindigkeit der Geschosse beeinträchtigt, so dass ihre Energieabgabe im Ziel deutlich geringer war. Bei Belagerungen im 16. Jahrhundert warf man Kettenkugeln auch oft aus Mörsern, da sie aufgrund der steileren Flugbahn eine höhere Geschwindigkeit erreichten als beim direkten Schuss und damit mit mehr Wucht einschlugen. Außerdem richteten sie in ungedeckten Zielen wie Dächern, Straßen, Plätzen und Geschützstellungen von oben mehr Schaden an. Da die Kettenkugeln im Flug rotierten, verursachten sie auch unter dichten Formationen äußerst schwere Verluste. Sie kamen z. B. 1642 in der zweiten Schlacht bei Breitenfeld zum Einsatz.

Stangenkugel

Eine Variante der Kettenkugel war die Stangenkugel, bei der zwei ganze oder Halbe Kanonenkugeln durch eine Eisenstange verbunden waren. Beide Kugeltypen wurden auch bei Seegefechten zur gezielten Zerstörung von Takelagen und Masten eingesetzt.

Erhitzte Kugel

Zur Schiffsbekämpfung wurden auch rotglühende Kugeln verschossen, die im Ziel Brände verursachen sollten. Allerdings war dieses Vorgehen nur für ortsfeste Landbatterien praktikabel. Auf Schiffen selbst war die Brandgefahr zu groß und für Feldbatterien fehlten meistens geeignete Öfen. Weitere Einschränkungen waren, dass nur in Salven geschossen werden konnte, weil gleichzeitiges Hantieren mit Schießpulver und den glühenden Kugeln zu gefährlich war. Ferner musste sofort nach dem Fertigladen geschossen werden, weil ansonsten der Treibpfropf durchglühte und sich der Schuss selbst auslöste, wodurch die Bedienmannschaft gefährdet wurde. Außerdem musste die Größe und Heizleistung des Ofens angepasst sein, um die Kugeln schnell genug auf Rotglut, aber nicht über die Verformungstemperatur zu erhitzen. Wegen dieses großen Aufwands und den vielen Einschränkungen fand diese Einsatzart nur selten Verwendung.

Hohlkugel

Manche als Hohlkugeln verwendete Kanonenkugeln enthielten eine Sprengladung. Diese zündete man mit einer in einer Holztülle befindlichen Zündschnur.

Brandkugel

Die Brandkugel (auch Feuerkugel genannt) besteht aus einem starken Eisendraht, der ähnlich der Karkasse mit Salpeter, Schwefel, Mehlpulver, Kolophonium, Pech (siehe Brandsatz) gefüllt wurde. Man überzog diesen dann mit Stoff, meist Drillich, nähte das Ganze zu und tauchte es in flüssiges Pech. Diese Brandkugeln wurden aus kleineren Mörsern aus geringeren Entfernungen geworfen.

Varia

Gelegentlich befinden sich Kanonenkugeln, die nur leichte Schäden an Gebäuden verursachten, noch an der Stelle, wo sie einschlugen wie zum Beispiel am Braunschweiger Dom. Sie dienen gewissermaßen einerseits als Erinnerungsstücke an historische Ereignisse, andererseits als „Verzierung“ des Hauses.

Auch wurden Kanonenkugeln bei der Reparatur von Belagerungsschäden absichtlich von außen sichtbar ins Mauerwerk eingefügt, um einem möglichen Gegner den augenscheinlich hohen Fortifikationswert der Festung zu suggerieren. Es gab selbst Kanonen, zu denen zwar Kugeln gegossen wurden, die aber nie mit Kugeln geschossen hatten. Das war namentlich bei der Zarenkanone im Moskauer Kreml der Fall. Die Kugeln hatten im Vornherein nur dekorative Funktion. Die Kanone selbst wäre zum Abfeuern von Kartätsche verwendbar gewesen.

Durch die von Gottfried August Bürger veröffentlichte Geschichte des als „Lügenbaron“ bekannten Freiherrn Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen, der auf einer Kanonenkugel in eine belagerte Stadt geflogen sein soll, fand dieser an und für sich kriegerischen Zwecken dienende Gegenstand Eingang in die Unterhaltungsliteratur.

Heute werden anstatt Kugeln Granaten als Geschoss verwendet.

Siehe auch


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