Andreasplatz (Berlin)

Andreasplatz (Berlin)
Andreasplatz 1899

Der Andreasplatz war als ehemaliges Zentrum der Stralauer Vorstadt ein historisch bedeutsamer Platz im heutigen Ortsteil Friedrichshain in Berlin. Er lag an der Andreasstraße, zwischen den beiden Querstraßen Kleine Andreasstraße und Grüner Weg (heute Singerstraße). Um 1960 verschwand die Platzanlage mit der Neubebauung des Viertels aus dem Stadtbild.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Bedeutung

Marktplatz der Stralauer Vorstadt

Kartenausschnitt mit Andreasstraße und Andreasplatz

Der Andreasplatz erhielt seinen Namen am 25. März 1865, da er als Platz an der Andreasstraße lag. Ebenso wie die Kleine Andreasstraße sind beide nach dem Apostel Andreas benannt, da sich am südlichen Ende der Andreasstraße, dem Stralauer Platz, die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Andreaskirche befand. Die Andreasgemeinde im Stralauer Viertel bestand bereits seit 1853. In den Planungen des Stralauer Viertel wurde der Platz dagegen nur als Platz D geführt.[1]

Bis 1888 fanden auf dem Andreasplatz die regelmäßigen Wochenmärkte des Stralauer Viertels statt, wobei um 1880 594 einzelne Marktstände verzeichnet waren. Der letzte Markttag auf dem Platz war am 27. April 1888 und wurde dann in die am 1. Mai 1888 eröffnete Markthalle VIII in direkter Nachbarschaft an der Kleinen Andreasstraße verlegt. Der Platz blieb allerdings auch weiterhin zentraler Treffpunkt des Viertels.

Optische Aufwertung und Zillekiez

Am 9. April 1896 wurde in der Berliner Stadtverordnetenversammlung beschlossen, den Platz künstlerisch auszugestalten und damit aufzuwerten. Geplant wurde eine von zwei Skulpturen flankierte halbrunde, monumentale Sitzbank mit hoher Lehne, die hinter einer Fontäne errichtet werden sollte. Den Auftrag zur Gestaltung bekam der damals bereits nicht mehr im Amt befindliche ehemalige Stadtbaurat Hermann Blankenstein. Die Fundamente waren bereits im November 1896 fertiggestellt, die Schaffung der seitlichen Marmorgruppen verzögerte sich allerdings. Am 26. November wurde zudem ein bronzenes Reliefmedaillon der Borussia des Bildhauers Reinhold Felderhoff in die hohe Sitzlehne integriert. Die beiden Skulpturen wurden 1898 beendet und aufgestellt.

Die Skulpturen waren zwei Bildnisse, die optisch an die Bewohner des Viertels anknüpfen sollten und somit für die wilhelminische Zeit, in der vor allem Adlige mit Skulpturen bedacht wurden, untypisch waren:

Wilhelm Haverkamp: Handwerker mit Sohn

Die rechte Skulptur, die von Edmund Gomansky errichtet wurde und als Muttergruppe bekannt ist, stellte dabei das bürgerliche Ideal der Hausfrau, Gattin und Mutter in der Kaiserzeit dar. Es handelt sich um eine Frauengestalt mit einem schlafenden Kind im Schoß, wobei der Künstler bewusst auf das Vorbild historischer Madonnenikonen zurückgriff.[2] Die linke Skulptur von Wilhelm Haverkamp stellte einen Handwerker mit seinem Sohn dar, bekannt als Vatergruppe.[3] Es handelt sich hierbei um das einzige bekannte monumentale Arbeiterstandbild der wilhelminischen Zeit, wodurch die Skulptur besonderes Aufsehen erregte. Sie zeigt einen Schmied bei der Arbeit und dessen Sohn, der nach dem Hammer greift, um symbolisch seinem Vatervorbild den Hammer abzunehmen und in dessen Tradition weiterzuführen. Das Bildnis idealisiert dabei den Arbeiter in romantischer Art, und die zeitgenössische Zeitschrift „Der Bär“ schrieb dazu: „Das Bildwerk verherrlicht die Schönheit, die aus Kraft und Arbeitsfleiß emporblüht“[4] In der Folge leitete sich das in Berlin sprichwörtliche Arbeiterstandbild von dieser Skulptur ab. Es ist bis heute gebräuchlich zur Bezeichnung eines Arbeiters, der sich auf seinem Werkzeug wie etwa einer Schaufel ausruht.[5]

Heinrich Zille: Mein Milljöh

Der Platz entwickelte sich allerdings nicht zu einer Repräsentanzfläche, sondern entsprechend den Bewohnern und der Struktur zu einem Kiezplatz inmitten des bekannten Zille-Milieus. Heinrich Zille beschrieb zwar nie die Plätze und Häuser direkt, wuchs allerdings, aus Dresden kommend, nach 1867 in der Kleinen Andreasstraße auf und lebte also inmitten der Mietskasernen rund um den Andreasplatz seiner Zeit. Diese wurden zum Hauptsujet seiner späteren Werke. Der Andreasplatz entwickelte sich zudem zu einem Zentrum des Berliner Rotlichtviertels um den damaligen Schlesischen Bahnhof, den heutigen Ostbahnhof. Auch der bekannte Berliner Serienmörder Carl Großmann lebte in der Nähe des Platzes und suchte hier auch seine Opfer, meistens Prostituierte und mittellose Frauen.

Auflösung des Platzes um 1960

Um 1960 verschwand der Andreasplatz mit der Neubebauung des Viertels vollständig aus dem Berliner Stadtbild. Lediglich die Straßenkreuzung Andreasstraße/Singerstraße wird heute noch so bezeichnet. Die Sitzbank wurde entfernt und die beiden Skulpturen stehen an getrennten Standorten. So findet sich die Vatergruppe schräg gegenüber dem damaligen Andreasplatz isoliert auf einer Wiese an der Rückseite des von Ludwig Hoffmann gebauten Andreasgymnasiums. Die Muttergruppe steht im Volkspark Friedrichshain in der Verlängerung der Virchowstraße und damit hinter der Frauenstation des Krankenhauses Friedrichshain, wodurch sie auch thematisch in einen neuen Kontext gesetzt wurde.[2] Die beiden Skulpturen stellen heute die letzten Denkmäler aus der wilhelminischen Zeit in Friedrichshain dar.[3]

Belege

  1. Eintrag im Straßenlexikon luise-berlin.de
  2. a b Mende 2003 und luise-berlin.de
  3. a b Mende 2003 und luise-berlin.de
  4. zitiert nach Feustel 2001
  5. Berliner Wörter von A–Z

Literatur

  • Jan Feustel: Verschwundenes Friedrichshain. Bauten und Denkmale im Berliner Osten. Begleitmaterial zur Ausstellung, Heimatmuseum Friedrichshain. Agit-Druck, Berlin 2001, ISBN 3-935810-01-6.
  • Kathrin Chod u.a.: Berliner Bezirkslexikon Friedrichshain-Kreuzberg. Haude & Spener, Berlin 2003, ISBN 3-77590-474-3.

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