Kiebitzvolk

Kiebitzvolk
Rechit in Hieroglyphen
Frühdynastik
D21
Aa1
M17 M17 X1 G23 G23
G23

Mittleres Reich
D21
D12
G43 X1 G23 A1
Z2

Neues Reich
D21
Aa1
M17 M17 X1 G23
Z2

Rechit
Rḫjt
Die Klagenden / Die Jammernden
Ideogramm
W15 G7 G23

Qebehu-Horus-rechit
QbḤw-Ḥr.w-rḫjt
Horusvolk der Kiebitze
Kiebitz

Rechit (auch Kiebitzvolk, Kiebitzleute, Kiebitze) bezeichnete bereits in der frühdynastischen Zeit Altägyptens ein im nördlichen Nildelta ansässiges Volk. Rechit wurde im weiteren Verlauf der altägyptischen Geschichte zu einer allgemeinen Betitelung der Nildelta-Bewohner in Qebehu.

Dem Volk der Rechit stand in der Frühzeit zumeist das oberägyptische Volk der Pachit feindlich gegenüber, das sich selbst als Volk des Seth und des Kenmet verstand. In kriegerischen Auseinandersetzungen besiegten sie sehr oft die Rechit und sahen deshalb die Rechit als ihre rechtmäßigen Untertanen an.[1]

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Etymologie

Der Name des Volkes der Rechit leitet sich vom Kiebitz ab, der als Zugvogel in Siwa, Alexandria, Fayum, Bubastis, Pithom und im nördlichen Sinai von Ende Oktober bis Ende März überwinterte. Das Flugbild des Kiebitzes ist charakteristisch und nicht zu verwechseln: Kiebitze fliegen mit lockeren, gemächlichen Flügelschlägen, die Flügel selbst sind auffällig breit und gerundet. Durch die im Flug blinkende schwarze Ober- und weiße Unterseite kann man fliegende Kiebitztrupps schon aus weiter Entfernung bestimmen. Die Benennung der Bewohner dieser Gebiete wurde im übertragenen Sinn als Spottname verstanden, da der Kiebitz von den Altägyptern durch sein langsam taumelnd-flatterndes Herdenflugverhalten mit dem typtischen langezogenen Ruf pliit als Tolpatschiger Klagevogel im Schlamm angesehen wurde.[2]

Den Bewohnern Oberägyptens war die Erscheinungsform des Kiebitz ansonsten völlig unbekannt, da der Kiebitz nicht bis in die Regionen um Abydos zog. In der Weltkammer des Sonnenheiligtums von Niuserre wird der Kiebitz daher als Vogel aus Qebehu beschrieben.

Die in der Ägyptologie früher oft vertretene Annahme, dass der Name Rechit mit der Einzelhieroglyphe G23[3] als Übertragung des Kiebitzes geschrieben wurde, stellte eine nicht belegbare Annahme dar[4] und musste zwischenzeitlich korrigiert werden. Ein Volk führt immer einen Kollektivtitel. Der Name eines einzelnen Vogels kann deshalb keinen Kollektivtitel führen und musste als Substantiv die Grundlage bilden, nach dem später das Volk der Rechit mit der Pluralendung betitelt wurde, wobei der Plural Rechit (Kiebitze) sich vom Singular Rech (männlicher Kiebitz) beziehungsweise Rechet (weiblicher Kiebitz) ableitet.[5]

Die von Alan Gardiner vorgenommene Übersetzung für Rechit mit Untere Klasse, Rebellen, Besiegte, Feinde Ägyptens ist zwischenzeitlich überholt. Die Auswertung der frühen Inschriften auf Denkmälern ergab eine Zuordnung als Nildeltabewohner, da die nördlichen Feinde Oberägyptens ausschließlich als Qebehu-Bewohner lokalisiert wurden. Auf der alten Weltkarte der Ägypter waren die Wohnsitze der Kiebitze ebenfalls nur auf Unterägypten beschränkt.

Frühe Erwähnungen

Schon Skorpion II. (um 3100 v. Chr.) berichtete bei seiner Reichseinigung von der vorherigen Unterwerfung der Kiebitze in Unterägypten. Die Altägypter zählten die Volksgruppe der Rechit nicht vollständig zu Ägypten, da sich das Siedlungsgebiet vom äußersten Nordwesten bis in die Nachbarländer erstreckte. Anedjib (um 2910 v. Chr.) vermerkte im Jahr nach seinem Sedfest eine erneute gewaltige Überflutung durch die Nilschwemme, die alle nordwestlichen Gaue erfasste und unter dem Volk der Rechit eine Massenseuche auslöste.[6]

Aufgrund der verstreuten Wohnorte wird verständlich, warum die Kiebitzleute teilweise zu den feindlichen Neun-Bogen-Völkern gezählt wurden und das Pendant der südlichen Nubier darstellten. Seit der Frühzeit, insbesondere aber ab dem Neuen Reich sahen die Ägypter im Volk der Rechit eine Verknüpfung mit Horus. Die weiteren Synonyme Horus-Qebehu und Horus-Rechit bezogen sich dabei ganz allgemein auf den Landesteil Unterägypten. Die wortwörtliche Bedeutung von Klagende/Jammernde setzte die oberägyptische Bevölkerung mit dem Horusvolk der Kiebitze in Übereinstimmung. Mit Beginn der 18. Dynastie veränderte sich die Bedeutung des ehemaligen Spottnamens aufgrund der Verbindung zum Osirismythos allmählich in eine neutrale Benennung als Horusvolk.

Literatur

  • Elmar Edel: Zu den Inschriften auf den Jahreszeitenreliefs der "Weltkammer" aus dem Sonnenheiligtum des Niuserre, Teil 2. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Nr. 5. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964, S. 111–115.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Helck: Geschichte des Alten Ägypten; Bd. 1, Abschnitt 3. Brill, Leiden 1968, S. 20 und S. 42.
  2. Richard Meinertzhagen: Nicoll's birds of Egypt. Rees, London 1930, S. 547.
  3. G23
  4. Siehe auch Wb II 447,8
  5. Männlicher Kiebitz:
    D21
    Aa1
    G23
    ; weiblicher Kiebitz:
    D21
    Aa1
    X1 G23
    .
  6. Wolfgang Helck: Geschichte des Alten Ägypten; Bd. 1, Abschnitt 3. Brill, Leiden 1968, S. 34.

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