Kinderuniversität

Kinderuniversität
Kinderuni in Frankfurt am Main (2009).

Kinderuniversitäten sind seit 2002 an mehr als 50 Universitäten und Fachhochschulen entwickelte Veranstaltungen, die Kindern die Wissenschaft einfach und verständlich vermitteln sollen. Ziel ist es, Kinder für die Wissenschaft zu begeistern und gleichzeitig an den Hochschulen mehr Verständnis für die Wissensvermittlung zu wecken. Die Veranstaltungen dienen auch der Werbung für die Institution, indem Kinder für wissenschaftliches Denken motiviert und damit als zukünftige Studierende angesprochen werden.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Das Schwäbische Tagblatt, eine in Tübingen erscheinende Tageszeitung und die Eberhard Karls Universität Tübingen veranstalteten 2002 die Kinderuni Tübingen, die durch einen Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit" im deutschsprachigen Raum bekannt wurde.[1] Vorreiterin im deutschsprachigen Raum war die Junge Uni der Universität Innsbruck, die im September 2001, anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Auffindung des Mannes im Eis ("Ötzi") mit einer großen Veranstaltung für Kinder und Jugendliche startete. Auch an der Universität Münster wurde bereits in den Jahren von 1992 bis 1996 einmal im Semester eine "Vorlesung für Kinder" angeboten. Die größte und umfangreichste Kinderuni ist die KinderuniWien (gegründet 2003) mit 3500 teilnehmenden Kindern und 380 Lehrveranstaltungen innerhalb von 2 Wochen in den Sommermonaten.

Die Idee der Kinder-Uni wurde von knapp 100 Hochschulen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Slowakei, Kolumbien, England und Liechtenstein übernommen. Die Kinder-Uni-Idee stieß nach dem Pisa-Schock in Deutschland auf sehr großes Interesse und Medienecho, Hunderte von Professoren boten Vorlesungen an. Auch einige Fachhochschulen und Musikhochschulen veranstalten mittlerweile eigene Kinderuniversitäten.

Im Dezember 2005 erhielt die Kinder-Uni Tübingen den Descartes-Preis der EU in der Kategorie Wissenschaftskommunikation. Dotiert ist er mit insgesamt 250.000 Euro, die Kinder-Uni erhielt 50.000 Euro.[2] Im September 2009 erhielten die Initiatoren der ersten Kinderuniversität in Tübingen, Ulrich Janßen und Ursula Steuernagel, beide Redakteure des Schwäbischen Tagblatts, das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Kinderuniversitäten sind mittlerweile ein wichtiges Markenzeichen von Universitäten und demonstrieren ihre Verankerung in der Bevölkerung. Die Aktivität einzelner Kinder-Unis erstreckt sich zudem nicht nur auf die Durchführung von kindgerechten Vorlesungen. So gibt es inzwischen auch einige Bücher, die Vorlesungsinhalte aufgreifen und den Kindern vertiefend näher bringen. Drei Kinder-Uni-Bücher wurden auf Anhieb Bestseller und in 13 Sprachen übersetzt. Die Autoren Ulla Steuernagel und Ulrich Janßen, Gründer der ersten deutschen Kinder-Uni, wurden für den Jugendliteraturpreis nominiert und mit dem Internationalen Buchpreis Corine ausgezeichnet. An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wurde im November 2005 neben der Kinderuniversität mit informierenden Vorlesungen auch eine Arbeitsstelle für Kinder-Forschung gegründet. Dort wird auch seit drei Jahren im Rahmen der Pädagogischen Woche, die jedes Jahr im September stattfindet, auch eine Elternuniversität angeboten.

Das European Children's Universities Network (EUCU.NET) zielt auf eine Bestandsaufnahme laufender Kinderuni-Aktivitäten in Europa und eine Vernetzung der OrganisatorInnen ab. Über die EUCU.NET website können über 120 Kinderuniprojekte in Europa und darüber hinaus gefunden werden.[3]

Konzepte

Meist wird die Altersgruppe der 8-12-Jährigen angesprochen. Mittlerweile bieten bereits viele Kinderunis, als eine der ersten die Junge Uni Innsbruck, auch Veranstaltungen für jüngere Kinder und Jugendliche an. Seit 2007 bietet die JuniorUni Graz Veranstaltungen für Jugendliche im Alter zwischen 10 und 18 Jahren an. Die meisten Kinderuniversitäten werden in Form von Vorlesungsfolgen veranstaltet. Die einzelnen Vorlesungen werden auflockernd und veranschaulichend ergänzt durch Theaterszenen, Showeinlagen, Versuche für Kinder oder Demonstrationsversuche, Quizbögen oder Abstimmungen des Publikums und anderes. Entsprechend der hohen Nachfrage sind Veranstaltungen mit mehr als 1000 Kindern keine Seltenheit. In der Regel sind Eltern zu diesen Veranstaltungen nicht zugelassen. Sie können oft außerhalb des Hörsaales an Bildschirmen die Vorlesungen beobachten. Die Kinderuni Tübingen verfolgt das Konzept im laufenden Semester eine große Lehrveranstaltung pro Woche anzubieten. Die Kinder bleiben so kontinuierlich mit der Universität in Kontakt. Die Kinderuni Tübingen kann als Vorreiterin dieses Modells betrachtet werden. Die meisten Kinderuniversitäten vergeben Teilnahmeausweise, Kinderdiplome oder andere Formen symbolischer Zertifikate.

Im Gegensatz zu den Vorlesungen und Massenveranstaltungen für Kinder bietet die Junge Uni Innsbruck schon seit 2001 großteils nur interaktive Workshops für Kinder und Jugendliche an. Die Kinder und Jugendlichen arbeiten in kleinen Gruppen mit hoher Betreuerzahl direkt mit dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen, wobei die wechselseitige Wissensvermittlung im Mittelpunkt steht und nicht der einseitigen Monolog eines Vortragenden, "hands on" und "Learning by doing" stehen im Vordergrund.

In Österreich wird das Programm "Kinderuni" zurzeit in Innsbruck, Wien, in Steyr, in Graz, in Salzburg, in Dornbirn und in Krems angeboten. Die Junge Uni Innsbruck findet das ganze Jahr über statt und hat eine Vielzahl von Programmen für die verschiedenen Altersgruppen entwickelt: Aktionstage im Herbst für Schulklassen und Familien, Junge Uni für Talente für sehr interessierte Kinder, Kinder-Sommer-Uni in den Semester-, Oster- und Sommerferien, Youth into Science - wissenschaftliche Projektwochen für Jugendliche ab 15 Jahren und der Kinderuni-Express, der 2006 zusammen mit der Kinderuni Wien durchgeführt wurde. Bis zu 13.000 Kinder und Jugendliche besuchen jedes Jahr die Jungen Uni Veranstaltungen. Die Junge Uni arbeitet von Anfang an auch mit Schulen und außeruniversitären Einrichtungen zusammen(z.B. Ferienzug der Stadt Innsbruck, Verein Sprachinsel), um möglichst auch Kinder und Jugendliche aller sozialer Schichten anzusprechen.

Kinderuni Wien findet im Sommer statt und bietet zwei volle Woche Unileben mit mehr als 400 Vorlesungen, Workshops und Seminaren, aus denen die Kinder frei wählen können. Und um Unileben so richtig auskosten zu können, erhalten die Kinder ein Studienbuch, Ausweise, speisen in der Mensa, lesen in der Bibliothek, schreiben Artikel für die Unizeitung, machen Unifernsehen und haben viel Gelegenheit andere "Studierende" kennenzulernen. Die Veranstaltungen werden ehrenamtlich von Wissenschaftlern der verschiedenen Wiener Universitäten (z. B. von "Mr. Beam", Prof. Anton Zeilinger) abgehalten. Manchmal werden einige Wissenschafter von Universitäten im Ausland eingeladen. Neben der "KinderuniWissenschaft" an der Uni Wien und der "KinderuniKunst" an der Universität für angewandte Kunst Wien gab es 2005 erstmals die "KinderuniMedizin" an der Medizinischen Universität Wien, 2007 die "KinderuniTechnik" an der Technischen Universität Wien und 2009 erstmals die KinderuniBoku an der Universität für Bodenkultur. Abschluss bei der KinderuniWien ist die Sponsion im großen Festsaal der Universität Wien. Für alle, die bereits einmal teilgenommen haben, aber diesmal schon zu alt sind, gibt es im Rahmen des weltweit ersten "KinderuniAlumni-Clubs" die Möglichkeit, in kleinen Gruppen an mehrtägigen Forschungsprogrammen teilzunehmen. Insgesamt bietet die Kinderuni Wien über 26.000 Plätze (über 400 Veranstaltungen pro Semester) in kostenlosen Vorlesungen, Workshops, Seminaren und Exkursionen. Zwei Drittel der angemeldeten Kinder kam 2009 aus Wien. Das Einzugsgebiet reicht bis Vorarlberg.

Auch in Steyr und Krems sind die Vorlesungen in den Sommerferien, in Graz besucht man sie regelmäßig im Winter- bzw. im Sommersemester. Krems bietet eine "Junge Uni", für die schon etwas Älteren − die 11-bis-14-Jährigen. Die Vorlesungen in Krems orientieren sich an den Studiengängen der IMC Fachhochschule Krems zu Themen wie Biotechnologie, Rechtswissenschaften, Management, Informationstechnologien, Management etc. Am Nachmittag wid ein Fun & Actionprogramm für die Jungstudierenden geboten. Die KinderUniSteyr veranstaltet seit 2006 zwei Sommerakademien - die SchlauFuchsAkademien Ennstal und Kirchdorf.

In Graz werden Ringvorlesungen und Workshops angeboten. Ehrenprofessor der KinderUni Graz ist der berühmte Kinderbuchautor und "Forscherexpress-Vater" Thomas Brezina und Ehrenprofessor Folke Tegethoff, der bekannte Märchenerzähler und Kinderbuchautor. Die JuniorUni Graz ist eine Fortsetzung für 10 - 18 Jährige. Auch in Graz bietet sich für die Kinder die Möglichkeit, sich am Ende des jeweiligen Semesters zur "Sponsion" anzumelden.

Typische Vorlesungstitel

Oft werden die Vorlesungstitel an Kinderfragen angelehnt wie:

  • Warum gibt es arm und reich?
  • Warum brauchen Astronauten Raumanzüge?
  • Können wir die Zukunft vorhersagen?
  • Wie lernten die Alten Griechen das Schreiben (und was konnten sie damit anfangen)?
  • Hat der Baum eine Seele?
  • Machen "Pommes" dick und Nudeln glücklich?
  • Warum sind wir schlauer als Roboter?
  • Warum ist Spielen wichtig?
  • Wieso alle Welt süchtig nach Harry Potter ist – oder: Was eine gute Geschichte auszeichnet?
  • Was lässt den Kuchenteig aufgehen, und warum sprudelt die Limo?
  • Warum ist der Pfau so prächtig?

Literatur

Die Vorlesungsreihen der erfolgreichsten Kinderuniversitäten wurden in Büchern zusammengefasst.

  • Ulrich Janßen, Ulla Steuernagel: Die Kinder-Uni. Forscher erklären die Rätsel der Welt. 2003 Deutsche Verlagsanstalt. ISBN 3-4210-5695-1 (Taschenbuchausgabe: dtv 2005, ISBN 978-3-423-34211-7)
  • Ulrich Janßen, Ulla Steuernagel: Die Kinder-Uni. Zweites Semester. 2004 Deutsche Verlagsanstalt. ISBN 3-4210-5808-3 (Taschenbuchausgabe: dtv 2006, ISBN 978-3-423-34334-3)
  • Ulrich Janßen, Ulla Steuernagel: Die Kinder-Uni. Drittes Semester. 2005 Deutsche Verlagsanstalt. ISBN 3-4210-5867-9 (Taschenbuchausgabe: dtv 2007, ISBN 978-3-423-34426-5)
  • Tobias Barth: Wissen, was dahinter steckt! Friederike und Konrad erobern die Welt der Wissenschaft. Das Buch zur Kinder-Uni Magdeburg. ISBN 3-935971-33-8
  • Kim Magister, Katharina Leiberg: Warum sind wir alle so schrecklich neugierig?. Ein Buch der Kinder-Universität Dresden, 2005, ISBN 3-8600-5482-1
  • Kim Magister, Katharina Leiberg: Warum sehen wir unseren Eltern ähnlich?. Das zweite Buch der Kinder-Universität Dresden, 2007, ISBN 978-3-86005-569-4
  • Kim Magister, Katharina Leiberg: Warum gibt es keinen Neanderthaler unter deinen Mitschülern? Ein Buch der Kinder-Universität Dresden, 2008, ISBN 978-3867800969

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://www.zeit.de/2002/29/Die_Juengsten_wollen%27s_wissen
  2. http://www.die-kinder-uni.de/html/descartes-preis.html
  3. www.eucu.net, abgerufen am 7. September 2008

Weblinks


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