Kirchengrundsteuer

Kirchengrundsteuer

Die Kirchensteuer ist eine Steuer, die Religionsgemeinschaften von ihren Mitgliedern zur Finanzierung der Ausgaben der Gemeinschaft erheben. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Kirchenlohnsteuer von den Finanzämtern der jeweiligen Bundesländer eingezogen, die dafür eine Aufwandsentschädigung einbehalten. Nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Verfassung sind diejenigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, berechtigt, Steuern zu erheben.

Die Bemessungsgrundlagen für die Kirchensteuern sind die Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer (Kircheneinkommensteuer, Kirchenlohnsteuer) und die Grundsteuer A (Kirchengrundsteuer). Rechtlich möglich ist auch die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Vermögensteuer sowie zum Solidaritätszuschlag; die Kirchen in Deutschland haben auf diese beiden Möglichkeiten bisher verzichtet. Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe, ebenfalls eine Kirchensteuer, knüpft an den „Lebensführungsaufwand“ einer Ehe an. In einigen Bundesländern wird eine Mindestbetrags-Kirchensteuer eingezogen. Die Höhe der Kirchensteuer wird von den Kirchenleitungen festgesetzt. Rechtskraft erhalten die kirchlichen Festsetzungen durch die Zustimmung der jeweiligen Landesparlamente zu ihren Kirchensteuergesetzen.

Die Kirchensteuer ihrer Mitglieder macht ungefähr 70 % des Einkommens der Kirchen aus.[1] Der staatliche Steuereinzug für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist eine deutsche Besonderheit; er ist nicht durch das Grundgesetz, sondern nur in Landesgesetzen geregelt.

Im Folgenden ist nur von der Kirchensteuer die Rede, die an die Lohn- und Einkommensteuer anknüpft (Annexsteuer).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Von einer Kirchensteuer im heutigen Verständnis kann ansatzweise erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts gesprochen werden. Durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde den weltlichen Fürsten des Reiches eine Entschädigung für die im Frieden mit Frankreich (Luneville 1801) besiegelte Abtretung ihrer linksrheinischen Gebiete (an Frankreich) zugesichert. Im Zug dieser Entschädigung wurden fast alle rechtsrheinischen reichsunmittelbaren geistlichen Gebiete auf die zu entschädigenden Territorialherren aufgeteilt (Ausnahme unter anderem das Bistum Regensburg). Ferner wurde diesen zugestanden, auch die Güter der in ihren Ländern gelegenen fundierten Stifte, Abteien und Klöster einzuziehen. Davon machten alle außer den Habsburgern Gebrauch.

Das gesamte Vermögen in der Hand der Kirchen, geistlicher und religiöser Institutionen, das die öffentliche Funktion der Kirche betraf, wurde von der öffentlichen Gewalt beansprucht. Das für die Seelsorge, Caritas und unter Umständen noch Unterricht vorhandene Vermögen wurde nicht nur von der Säkularisation ausgenommen, sondern auch ausdrücklich vor jeder Zweckentfremdung geschützt. Nach 1803 gab es also nur noch das der Seelsorge dienende „eigentümliche Kirchengut“. Es befand sich fast ausschließlich bei den einzelnen Gemeinden und umfasste drei Arten von Vermögensträgern: zunächst die Pfründe, darunter versteht man die Vermögensmasse, aus deren Ertrag die Versorgung des jeweiligen Stelleninhabers bestritten wird; dann die Kirchenstiftung, jenes Erwerbsvermögen, mit dem sowohl die Unterhaltungskosten für die der Seelsorge dienenden Gebäude als auch alle Auslagen für den Gottesdienst zu bestreiten sind; schließlich noch Stiftungen für Arme, Kranke und u. U. für Schulen, soweit Stiftungen solcher Zielsetzung in einzelnen Gemeinden vorhanden waren.

In vielen konkreten Fällen blieb auch dem säkularisierenden Staat weiterhin die Sorge für den Unterhalt von Kirche und Pfarre. Mit der damals allen staatlichen Behörden eigenen umsichtigen Sparsamkeit begannen diese nach 1803, die kirchlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Für einige Zeit kamen sie auch leidlich damit zurecht. Doch die finanziellen Aufgaben der Kirche wuchsen: Die Bevölkerungszunahme, die beginnende Industrialisierung und das Entstehen großer Städte stehen dahinter. Außerdem setzte langsam eine Binnenwanderung ein. In den wichtigsten industriellen Ballungsräumen wurde durch Zuwanderung die bisherige konfessionelle Geschlossenheit aufgebrochen. Es entstanden Diasporagemeinden. Die politischen Gemeinden konnten zur Finanzierung dieser Aufgaben nicht mehr angehalten werden. Denn zu der gleichen Zeit vollzog sich die langsame Trennung von politischer und kirchlicher Gemeinde. Es kamen weitere Beeinträchtigungen der Kirchen hinzu: Im Gefolge der revolutionären Bewegungen von 1848 fielen viele am Grundbesitz haftenden dinglichen und persönlichen Leistungen, also Zehnt und andere Abgaben in Geld und Naturalien sowie persönliche Handdienste weg. Den kirchlichen Vermögensträgern wurde für diese Ertragsminderung des Vermögens keine Entschädigung geleistet. Angesichts dieser und anderer Einnahmeminderungen wurde den Kirchen das Besteuerungsrecht anfangs aufgezwungen, um sich staatlicherseits zu entlasten. Vgl. Erwin Gatz

So beginnt 1827 in Lippe-Detmold die Einführung der Kirchensteuer, nachdem sie 1808 in Preußen noch gescheitert war. Es folgen 1831 Oldenburg, 1835 die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, 1838 Sachsen, 1875 Hessen, 1888 Baden, 1892 Bayern und 1905/1906 Preußen.

Das staatliche Hoheitsrecht wurde zunächst nicht allen Kirchengemeinden gegeben und sollte auch kein Recht auf Dauer sein. Die Einrichtung der Kirchensteuer erfolgte also auf Initiative des Staates und war von ihrem Ursprung her nur als zusätzliche Hilfsquelle für besondere Aufgaben einer einzelnen Gemeinde gedacht.

Der Staat wachte streng über dieses von ihm geliehene Hoheitsrecht. Steuern durften grundsätzlich nur für Bedürfnisse der eigenen Gemeinde erhoben werden. Waren diese Bedürfnisse hoch, dann konnte vor der staatlichen Behörde ein entsprechend hoher Hebesatz beantragt werden. So kam es dazu, dass in der einen Gemeinde überhaupt keine Kirchensteuer erhoben wurde, in einer zweiten dagegen eine Steuer mit einem Hebesatz von 4 Prozent und in einer dritten eine mit einem Hebesatz von 22 Prozent. Reichere Gemeinden durften ihren ärmeren Schwestergemeinden nicht ausgleichend zur Hilfe kommen. Allerdings sah der staatliche Gesetzgeber den Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einem Kirchensteuerverband vor. In Berlin schlossen sich etwa nach 1895 alle protestantischen Gemeinden zu einem Ortskirchensteuerverband zusammen. Damit gab die Einzelgemeinde das ihr vom Staat verliehene Hoheitsrecht an den Ortsverband ab. Doch bei weitem nicht alle Städte akzeptierten derartige Zusammenlegungen. Viele fürchteten um ihre finanzielle Autonomie. Die staatliche Kirchensteuergesetzgebung war demnach ein fast vollständig auf die einzelne Ortsgemeinde zugeschnittenes Gesetz. Mit dem Ziel, zu einer Selbstfinanzierung der Kirchen und dementsprechend zu einer stärkeren Entflechtung von Staat und Kirche zu kommen, wurden landesweit Kirchensteuern eingeführt, etwa 1875 in Preußen, 1887 in Württemberg und 1912 im Königreich Bayern.

1919 wird die Kirchensteuer in der Weimarer Reichsverfassung verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Das Reichskonkordat von 1933 zwischen Hitler und dem Hl. Stuhl sicherte der katholischen Kirche weiterhin das Recht auf Erhebung von Kirchensteuern zu (Schlussprotokoll zu Artikel 13). Während im nationalsozialistischen Deutschland die Bestrebungen eher dahin gingen, regimefeindliche Religionen zu unterdrücken, blieb die Kirchensteuer unangetastet, und die Lohnsteuerkarte wurde erweitert um den Eintrag „Konfession“. Erst zum 1. Dezember 1941 beschloss die Reichsregierung per Gesetz, die staatliche Mithilfe bei der Erhebung der Kirchensteuer zu verweigern, beließ jedoch den Eintrag auf der Lohnsteuerkarte. Das führte 1943 beispielsweise in Bayern dazu, die Kirchensteuer wieder durch eigene Kirchensteuerämter einzutreiben. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland übernahm 1949 durch seinen Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“

Zur gegenwärtigen Situation

Rechtsgrundlagen für die Erhebung von Steuern der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften

Zu den rechtlichen Voraussetzungen der Erhebung von Steuern für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zählen:

  1. die Anerkennung einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft/-organisation als Körperschaft des öffentlichen Rechts
  2. Steuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien (z.B. in der Evangelischen Kirche im Rheinland die Presbyterien, in der Protestantischen Landeskirche der Pfalz die Landessynode), in der katholischen Kirche die Kirchensteuerräte der jeweiligen (Erz-)Bistümer, Vorstand einer Weltanschauungsgemeinschaft
  3. die Zustimmung der jeweiligen Parlamente der Bundesländer zu den Steuergesetzen der entsprechenden Gemeinschaften oder Organisationen
  4. die Steuerpflichtigkeit des Mitglieds. Diese beginnt bei christlichen Kirchen grundsätzlich mit der Taufe. Durch die Kirchenaustrittserklärung, je nach Bundesland vor dem Amtsgericht oder dem Standesamt, erlischt diese Verpflichtung.

Steuersätze

Der Kirchensteuersatz beträgt derzeit (2007) in Bayern und Baden-Württemberg 8 %, in den übrigen Bundesländern 9 %. Bemessungsgrundlage ist die festgesetzte Einkommensteuer. Sind Kinder zu berücksichtigen und/oder beinhaltet das zu versteuernde Einkommen (zvE) Einkünfte aus Gewerbebetrieb und/oder Einkünfte, die nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren besteuert werden, ist das zvE und die darauf entfallende Einkommensteuer gem. § 51a Abs. 2 EStG für Zwecke der Kirchensteuer gesondert zu berechnen.

Auch im Rahmen der Abgeltungsteuer wird die Kirchensteuer mit 8% bzw. 9% berücksichtigt. Bei der Berechnung der Kirchensteuer für die Abgeltungsteuer wird bereits berücksichtigt, dass die Kirchensteuer die Einkommensteuer durch den Sonderausgabenabzug reduziert, vgl. Abgeltungsteuer und Kirchensteuer.

Die Kirchensteuergesetzgebung der meisten Bundesländer (Ausnahme: Bayern) und die entsprechenden Regelungen der meisten evangelischen Landeskirchen und der römisch-katholischen (Erz-)Bistümer ermöglichen Kirchenmitgliedern eine „Kappung“ der Kirchensteuer. Diese führt bei hohen Einkommen, die über der so genannten Kappungsschwelle liegen, zur Begrenzung der Kirchensteuer auf 2,75 bis 3,5 Prozent des zu versteuernden Einkommens. In der Mehrzahl der Bundesländer erfolgt die Kappung von Amts wegen: Das Finanzamt berücksichtigt die für den Kirchensteuerpflichtigen günstigste Regelung. In Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland wird die Kappung nur auf Antrag gewährt.

In einigen Regionen wird Kirchensteuer vom Grundbesitz (zum Beispiel 10 % des Grundsteuermessbetrages) erhoben.

Kirchgeld

Daneben gibt es lokal das allgemeine Kirchgeld für Personen, die keine inländischen Steuern zahlen und das besondere Kirchgeld bei gemeinsamer Veranlagung mit einem nicht kirchensteuerpflichtigen Ehepartner.

Ergänzend zum geringeren Steuersatz in Bayern gibt es hier noch das allgemeine und von der Steuer absetzbare Kirchgeld der evangelisch-lutherischen Kirche, das zwar allgemeinverbindlich ist, aber ohne Kontrolle erhoben wird.

Auch die katholische Bistumsverwaltung der Diözese Hildesheim in Niedersachsen erhebt nach dem Gesetz über die Neufassung der Kirchensteuerverordnung im Bereich des Landes Niedersachsen[2] ein Ortskirchgeld für Gemeindemitglieder ab dem 21. Lebensjahr. Infomiert werden die Gemeindemitglieder durch einen entsprechenden jährlichen Kirchgeldbescheid, dabei sind Arbeitslosengeld II (Hartz 4)- und Sozialhilfeempfänger, Studenten, Schüler, Auszubildende und Soldaten und Zivildienstleistende von der Zahlung befreit. Entsprechende Kirchgeldzahlungen sind als Sonderausgabe steuerlich voll abzugsfähig.

Die Kirchensteuerpflichtigen bzw. Kirchgeldpflichtigen stufen sich einkommensabhängig selbst ein und überweisen einmal jährlich zwischen 0 und 100 Euro. Um die Notwendigkeit für diese Einnahme zu vermitteln, die offiziell ein Teil der Kirchensteuer ist, kommt das Kirchgeld festen Projekten zugute, über die die Dekanate die Kirchensteuerpflichtigen informieren.

Kirchensteuer bei nicht-ganzjähriger Kirchenmitgliedschaft

Nach einem Kirchenaustritt endet die Kirchensteuerpflicht am Ende des Austrittsmonats oder einen Monat später, je nach Bundesland. Trotzdem kann das gesamte Einkommen eines Jahres, in dem man irgendwann einmal einer Kirche angehört hat, zur Pflicht von Kirchensteuerzahlungen führen. Lediglich die Höhe der fälligen Kirchensteuer hängt davon ab, wie lange man im betreffenden Jahr kirchensteuerpflichtig war.

Das ist dadurch zu erklären, dass die Kirchensteuer aus der Jahreseinkommensteuer errechnet wird. Im Austrittsjahr wird die Kirchensteuer so berechnet, wie es im Kirchensteuergesetz des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen beschrieben ist:

„Besteht die Kirchensteuerpflicht nicht während des ganzen Kalenderjahres, wird für jeden Kalendermonat, in dem die Kirchensteuerpflicht gegeben ist, je ein Zwölftel des Betrages erhoben, der sich bei ganzjähriger Kirchensteuerpflicht als Jahressteuerschuld ergeben würde.“

– aus § 5 KiStG

Das bedeutet: Es kann vorkommen, dass jemand in der Zeit der Kirchensteuerpflicht keinerlei Einkommen hatte und trotzdem Kirchensteuer zahlen muss, weil er nach Beendigung der Kirchensteuerpflicht in demselben Jahr noch einkommensteuerpflichtiges Einkommen erzielt hat.

Kirchensteuereinzug durch den Staat

Derzeit nutzen die Möglichkeit des Kirchensteuereinzugs durch staatliche Organe:

Dagegen erheben unter anderen die folgenden Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und deshalb das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer haben, keine Kirchensteuer:

Sie finanzieren ihre Arbeit durch freiwillige Mitgliedsbeiträge, die in der Regel höher sind als die Kirchensteuer.

Die Länder behalten als Entgelt für den Einzug der Kirchensteuer je nach Bundesland unterschiedlich 2 % (Bayern) bis 4,5 % (im Saarland) des Kirchensteueraufkommens ein, in der Regel 3 %.

Kirchensteuer als Sonderausgabe

Die gezahlte Kirchensteuer ist gemäß EStG § 10 Abs. 1 Nr. 4 als Sonderausgabe absetzbar. Das Bundesministerium der Finanzen hat die dadurch verursachten Steuermindereinnahmen für das Jahr 2008 mit 3,05 Mrd. Euro prognostiziert, (21. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache 16/6275, August 2007).

Umfang der Kirchensteuereinnahmen und deren Bedeutung für den kirchlichen Haushalt in Deutschland

Im Jahr 2004 betrug das Kirchensteueraufkommen in Deutschland:

  • Katholische Kirche 4,158 Mrd. Euro
  • Evangelische Kirche 3,689 Mrd. Euro
  • Alt-Katholische Kirche 2,917 Mio. Euro[4]

Je nach Landeskirche bzw. (Erz-)Bistum machen die Kirchensteuereinnahmen zwischen 60 und 85 % des jeweiligen Haushalts aus.

Kirchensteueraufkommen 2007

Anteil Anteilseigner
4.804,12 Mio. EUR Katholische Kirche
4.198,82 Mio. EUR Evangelische Kirche

Quelle: Angaben der jeweiligen Kirchenleitungen für das Statistische Jahrbuch der BRD, http://www.kirchensteuern.de

Die Kirchensteuer in der Kritik

Die Kirchensteuer (als Annexsteuer), die bekannteste Form der Kirchenfinanzierung, wird aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert. Die Kritik bezieht sich sowohl auf die Steuer als Instrument der Kirchenfinanzierung an sich als auch auf eine Reihe ihrer Auswirkungen und die Folgen ihrer Handhabung in den staatlichen und kirchlichen Raum hinein.

Kritik aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

In der Bundesrepublik Deutschland geriet die Kirchensteuer 1973 in Folge der „Freiburger ThesenFreie Kirche im Freien Staat des sogenannten „Kirchen-Papiers“ der FDP in die Diskussion, da von der Partei die Trennung von Staat und Kirche und damit die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert wurde. In abgeschwächter Form finden sich diese Forderungen auch heute noch im Programm der FDP. Ähnliche Positionen wurden früher außerdem von der Partei Die Grünen formuliert. Auch Die Linke lehnt sowohl die grundgesetzliche Verankerung der Kirchensteuer als auch deren staatlichen Einzug ab. Außerhalb der Politik vertreten unter anderem der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA), die Humanistische Union sowie der Humanistische Verband Deutschlands eine Ablehnung der Kirchensteuer:

  • Das Kirchensteuerprivileg widerspreche trotz seiner grundgesetzlichen Verankerung der ebenfalls grundgesetzlich festgelegten Trennung von Staat und Kirche, also der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
  • Das Hoheitsrecht der Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern zu erheben, diskriminiere andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die diesen Status entweder nicht erwerben können oder aus Glaubensgründen nicht erwerben wollen. Dieser Kritik entgegen steht allerdings, dass genannter Status grundsätzlich auch anderen Gemeinschaften offensteht.
  • Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer fordert von allen abhängig Beschäftigten, auf der Lohnsteuerkarte ihren Konfessionsstatus anzugeben. Darin wird ein Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit gesehen.
  • § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG gestattet die unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung hat dies die „Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen“ zum Ziel. Kirchensteuer erhebende Religionsgemeinschaften sollen, so die Kritik, durch diese Regelung gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen mit grundgesetzlich verankerter Relevanz, z.B. Parteien und Gewerkschaften, bevorzugt sein. Spenden und Mitgliedsbeiträge an diese Organisationen sind freilich bis zu einer Höhe von 20 % des Bruttojahreseinkommens mit gleicher Wirkung abzugsfähig und damit gleichsam subventioniert (siehe § 10b Abs. 1 EStG).
  • Die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer und der dadurch verbundene Steuerverzicht des Staates stelle eine erhebliche Subvention der Kirchenmitglieder und damit mittelbar der Kirche dar, für 2007 zum Beispiel in Höhe von fast 33 % des Kirchensteueraufkommens.
Zahlen für 2007:
Kirchensteueraufkommen in Deutschland Gesamt: 9.002,94 Mio. Euro
davon von Kirchenmitgliedern getragen: 5.952,94 Mio. Euro (67,1 %)
davon durch Verringerung der Einkommensteuer von allgemeinen Steuergeldern getragen: 2.960 Mio. Euro (32,9 %)[5]
Dieser Kritik wird gelegentlich entgegengehalten, dass die kirchliche Arbeit zu einem großen Teil auch Konfessionslosen oder Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften zugute käme und in ihrer Wirkung nicht auf Mitglieder beschränkt sei.
  • Die „fiktive“ Kirchensteuer: Bis zum Jahr 2004 wurde bei allen, auch den konfessionslosen Beziehern von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, des Vorruhestands- und Unterhaltsgeldes sowie des Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeldes ein Abschlag in Höhe der „fiktiv“ anfallenden Kirchensteuer vom Arbeitslosengeld vorgenommen; der Betrag kam den Kirchen nicht zugute. Die Kritik sah darin eine „Verquickung von Staat und Kirche“, denn die „einbehaltene Kirchensteuer“ wurde als „gewöhnlich anfallender Entgeltabzug“ bezeichnet. Erst mit der Neuregelung von ALG II ab 1. Januar 2005 ist diese Regelung weggefallen. Zur Frage der Rechtmäßigkeit dieser bis einschließlich 2004 geltenden Regelung ist noch ein Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof anhängig.

Kritik aus innerkirchlicher Perspektive

Von kirchlichen Gruppen werden zusätzlich folgende Kritikpunkte[6] angeführt:

  • Der Steuercharakter dieser Finanzquelle verschleiere, dass es sich bei ihr um einen persönlichen Mitgliedsbeitrag bei einer Glaubensgemeinschaft handelt.
  • Der staatliche Einzug der Kirchensteuer lasse die Kirchen als staatliche Einrichtungen erscheinen.
  • Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer lasse die Kirchensteuer teilhaben an den Ungerechtigkeiten und Verwerfungen dieser Steuerart. Des Weiteren würden die Kirchen abhängig von der jeweiligen Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik des Staates und von den Tarifpartnern.
  • Nur ungefähr ein Drittel der Kirchenmitglieder trage per Kirchensteuer zur Finanzierung der Kirchen bei.
  • Der staatliche Kirchensteuereinzug begünstige und verfestige bestimmte Kirchenstrukturen, die Entmündigung der Gemeinden und die Etablierung und Wucherung einer gesamtkirchlichen Bürokratie.
  • Auch werden die einzelnen Gemeinden nicht aufgrund der Spendenbereitschaft der Gemeindemitglieder finanziert bzw. unterhalten. Das Personal der Gemeinde müsse sich daher nicht um die finanzielle und organisatorische Ausstattung der Gemeinde kümmern.
  • Die Einrichtung der Kirchensteuerkappung bevorzuge Besserverdienende ungerechtfertigt.

Innerhalb der evangelischen und der katholischen Kirche war und ist die Kirchensteuer jedoch weitgehend unumstritten, da das System eine verlässliche und umfangreiche Finanzierung der kirchlichen Arbeit ermöglicht.

Die Kritik aus innerkirchlicher Perspektive wurde katholischerseits von einzelnen Theologen (Horst Herrmann, in neuerer Zeit Paul Zulehner) und von verschiedenen kirchen-kritischen Gruppen vorgetragen, dem „Bensberger Kreis“, dem „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e. V.“, der „Initiative Kirche von unten“, Ikvu, dem „Arbeitskreis Halle“ und der „Kirchenvolksbewegung“ bzw. „Wir sind Kirche“.

Auf evangelischer Seite war es z.B. der „Bund gegen Kirchensteuermissbrauch e. V. Bremen“. Der Dietrich Bonhoeffer-Verein hat in den letzten Jahren einen Reformvorschlag erarbeitet („Kultursteuer und Sozialsteuer statt staatlicher Kirchensteuereinzug“), Karl Martin hat diesen Vorschlag in seiner Publikation „Abschied von der Kirchensteuer“ vorgestellt.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Czermak: Kirchensteuerrecht in kritischer Sicht; in: Kritische Justiz, 2006, S. 418
  • Evangelische Kirche im Rheinland: Handbuch Gemeinde & Presbyterium. Kirche und Finanzen; Düsseldorf: Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland, 2005; ISBN 3-87645-106-X
  • Carsten Frerk: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2002; ISBN 3-932710-39-8
  • Carsten Frerk: Caritas und Diakonie in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2005; ISBN 3-86569-000-9
  • Erwin Gatz: Geschichte des kirchlichen Lebens; Bd.VI Kirchenfinanzen; Freiburg: Herder Verlag, 2000; ISBN 3-451-23668-0
  • Horst Herrmann: Kirche, Kapital, Klerus. Hintergründe einer deutschen Allianz; Münster: LIT, 2003; ISBN 3-8258-6862-1
  • Horst Herrmann: Die Kirche und unser Geld. Daten, Fakten, Hintergründe; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990; ISBN 3-89136-301-X
  • Horst Herrmann: Kirchensteuer als Mandat? Eine Anfrage an Staat und Kirche; in: Stimmen der Zeit 97 (1972), S. 398-400
  • Josef Huber, Andreas Messerer: Unternehmensteuerreform 2008; Stuttgart: Richard Boorberg, 2007; ISBN 978-3-415-03956-8
  • 19. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache vom 1. Oktober 2003, S. 113 2003
  • Literatur zur Kirchensteuer im Online-Katalog der Deutschen Bibliothek

Weblinks

Geschichtliche Entwicklung

Zahlen und Fakten

Kritik an der Kirchensteuer

Fußnoten

  1. http://www.kirchensteuer-koeln.de/steuer/index.html
  2. Gesetz über die Neufassung der Kirchensteuerverordnung im Bereich des Landes Niedersachsen in der Fassung vom 18. Oktober 2005; Nds MBl 2005 S. 969, veröffentlicht im Kirchlichen Anzeiger 2005. Abschnitt C Ortskirchensteuer §§ 3 und 4
  3. https://www.elster.de/elohn_nw_lstakonf09.php
  4. Matthias Ring, Bilanz der Kirchensteuer, in: Christen heute 03/09, S. 58
  5. 21. Subventionsbereicht der Bundesregierung von August 2007, Anlage 3, Seite 94
  6. Vgl. etwa Ist die Kirchensteuer noch zeitgemäß? Symposium des Bundes gegen Kirchensteuermißbrauch am 22. November im Rathaus Bremen, idea-Dokumentation, 1997, Bd. 22; sowie Manfred Bald: Aufbruch nach der Wende. Militärseelsorge, Kultursteuer und das Staat-Kirche-Verhältnis; Nomos, 1997
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