Kleidermode des Rokoko

Kleidermode des Rokoko
Die Schaukel“, gemalt 1767 von Jean-Honoré Fragonard

Die Kleidermode des Rokokos ist, ähnlich wie die Architektur dieser Epoche, eine Fortführung des Barocks und wird im Allgemeinen von etwa 1720 bis 1770, zum Teil auch bis zum Ausbruch der Französischen Revolution 1789 datiert. Hauptausgangspunkt der Modeentwicklung war der französische Hof, an dem sich die Mode in Gesamteuropa orientierte und der in einzelnen Ländern und Städten nachgebildet und nachgeahmt wurde. Mit dem Tod Ludwigs XIV. und der Thronbesteigung Ludwigs XV. verließen viele Aristokraten Versailles und zogen in die unzähligen Palais', Stadtschlösser und Appartements von Paris. Das „neue” gesellschaftliche Leben spielte sich nun nicht mehr ausschließlich im königlichen Schloss ab, sondern in den edlen Salons der feinen Damen, mitten in der Hauptstadt Frankreichs. Die gewonnene „Beweglichkeit”, das Hin- und Herpendeln zwischen Versailles und Paris, zeigte sich auch in der Mode, indem man sich der schweren und steifen Kleider des Spätbarocks entledigte, die zu tragen man bei Hofe lange Zeit gezwungen gewesen war.

Inhaltsverzeichnis

Vom Frühen bis zum Blühenden Rokoko (1720–1750)

Der Geist der Rokokomode war in erster Linie geprägt von Kultiviertheit und Raffinesse. Ziel war es, trotz aufwändiger Aufmachung, natürlich und vor allem ungezwungen zu wirken. Dies war ein geradezu charakteristisches Kennzeichen dieser Epoche, die sich nicht nur in der Mode, sondern auch in einem neuen Familienleben und Wohnempfinden widerspiegelte. Erwartete man noch im 17. Jahrhundert von den Damen eine vornehme Steifheit in Kleidung und Verhalten, so wurde im 18. Jahrhundert vor allem Wert auf Koketterie, Leichtigkeit und Beweglichkeit gelegt. Obwohl im Vergleich mit der Vergangenheit die Damenmode farbenfroher und auch opulenter wurde, wirkte sie trotz allem luftig und bequem. Die Herren hingegen verzichteten fast vollständig auf den Pomp des vorigen Jahrhunderts und trugen hauptsächlich lockere Anzüge, die für jeden Anlass unterschiedlich stark bestickt und geschmückt waren.

Die Damenmode

Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint: Damen im Contouche, Herren im Justaucorps; 1720

Die Damenmode war geprägt vom Reifrock, der um 1715 aufkam und wegen seiner Ähnlichkeit zu Hühnerkörben im Volksmund auch Panier genannt wurde. Er war das Kleidungsstück, welches sich wohl während des gesamten Rokoko am häufigsten veränderte, von kegel- über trapezförmig, hin zu eckig und zur ovalen Kuppelform. Darüber wurde ein Rock (Jupe) und ein einteiliges, vorne offenes Kleid getragen. Die Ärmel waren ellbogenlang und endeten meist in flügelartigen Aufschlägen. Als Robe war die Contouche oder „französische Robe“ beliebt, deren Falten elegant am Rücken herabfielen. In England wurde währenddessen das Manteau beibehalten und weiterentwickelt (die „englische Robe“ oder auch „Mantua“), mit fest angenähten Rückenfalten. Während die Prachtentfaltung bis in der ersten Jahrhunderthälfte hauptsächlich in Stoffmustern und breiten Paniers bestanden hatte, wurde sie ab ca. 1750 vor allem durch Volants und Rüschen geleistet; die Stoffe hingegen wurden schlichter. Die Ärmelaufschläge wurden durch dreistufige Volants ersetzt, die Kleider enger tailliert.

Bei den Stoffen bevorzugten die wohlhabenden Frauen Seidenstoffe wie Satin, Taft, Faille oder Damast. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren vor allem großflächige blumige Musterungen und Drucke in Mode, die im Laufe der Jahrzehnte immer kleiner und dezenter wurden. Das Haar wurde aufgesteckt getragen, zuweilen gepudert und eine Haube daraufgesetzt. Zu festlichen Anlässen wurde die Haube weggelassen und das Haar je nach finanziellen Möglichkeiten mit Blüten, Bändern oder Juwelen verschönert. Die Perücke kam erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf, ebenso wie das „Weißpudern“ des Gesichts – man strebte zwar eine noble Blässe an, wollte sich diese allerdings noch ohne Hilfsmittel erhalten. Die Frauen der Unterschicht hatten wenig Zeit und Muße, sich um Mode zu kümmern; sie trugen ausschließlich hochgestecktes, unter einer Haube verborgenes Haar.

Die Herrenmode

Gainsborough: Morgenspaziergang, 1785

Die Herrenmode veränderte sich gegenüber dem Ende des vorigen Jahrhunderts kaum und machte auch während des gesamten Rokoko keine nennenswerten Veränderungen durch. Ein Anzug bestand aus dem Justaucorps mit Weste und Kniehose (Culotte), das man in ganz Europa und Amerika antraf. Die Rockschöße wurden ab 1730 immer weiter, dann wieder kleiner und schließlich, ab 1760, vorn leicht schräg geschnitten. Die Weste darunter wurde ebenfalls kürzer, bis sie nur noch zur Hüfte reichte. An den Handgelenken sowie auf der Brust war der Spitzenbesatz des Hemdes (Jabot) sichtbar. Dazu trug man eine Halsbinde oder eine Cravate. Dazu trugen die Herren schwarze Lederschuhe mit Zinn-, Messing- oder Silberschnallen und meist weiße, seltener schwarze Kniestrümpfe aus Leinen, Baumwolle oder Seide. Im Gegensatz zur Damenmode blieb die Perücke für einen Herrn unverzichtbar und war bei öffentlichem Auftreten nicht wegzudenken. Jedoch wurde die überladene Lockenpracht der Allongeperücke, wie man sie noch zu Zeiten Ludwig XIV. getragen hatte, durch kürzere Formen abgelöst, die oft nur noch an der Seite eine einfache Locke zeigten und hinten in einem Haarbeutel oder einem Zopf (Zopfperücke) zusammengehalten wurden. Dazu trug man den Dreispitz.

Die Spätzeit des Rokoko (1770–1790)

Da nun auch immer mehr gebildete, bürgerliche Menschen, wie Ärzte, Beamte oder Juristen durch ihr Vermögen Eintritt in die höchsten Gesellschaftsschichten bekamen, verwischte sich das Klassenbild, sodass man nun nicht mehr allein anhand der Kleidung einen Adligen erkennen konnte. Die Hofgesellschaft reagierte darauf, indem sie sich noch außergewöhnlicher, noch extravaganter gab, um sich bewusst von der Masse abzuheben. Es kam zu einer Zweiteilung der Mode in einen vereinfachten, bürgerlichen, von der englischen Mode geprägten Stil einerseits und einen übertrieben prächtigen, höfischen Stil andererseits. Die ersten Veränderungen waren deutlich an den Frisuren erkennbar. Immer höher, immer ausladender war der Trend, bis das eigene Haar schlichtweg nicht mehr ausreichte und mit aufwändigen Perücken nachgeholfen wurde. Diese waren auf ein Drahtgestell drapiert und mit Diamanten, Perlen, Blüten oder Federn geschmückt. 1773 erreichte der Perückenschmuck mit den französischen „Poufs“ seinen Höhepunkt.

Unter diesen „Poufs“ verstand man kleine Stoffteile, die man aufwändig bestickte, dazu kamen Perlen, Federn und sogar kleine Porzellanfiguren, die zur Verschönerung in das Haar eingeflochten oder -gebunden waren. Dazu wurden sehr große Reifröcke getragen. Zur bürgerlichen Mode wurden vor allem die Robe à l'Anglaise und ihre Abart, die Polonaise, getragen. Darunter gehörte nun nicht mehr das hüftbetonende Panier, sondern nur noch kleinere oder größere Polster, die den Po betonten (Cul de Paris). Auch zur bürgerlichen Mode gehörten hochgetürmte Frisuren, von Hauben oder kleinen, flachen Hüten bekrönt. Aber schon gegen Ende der 1770er wurden die hohen Frisuren wieder niedriger und schließlich von Wuschelkopffrisuren abgelöst. Obwohl diese Mode dem aufstrebenden Bürgertum entsprang, gibt es auch Portraits hochgestellter Damen, ja selbst Marie Antoinettes, in Polonaisen und Anglaisen. Auch die Perücken der Männer wuchsen in den 1770ern in die Höhe. Die Justaucorps waren im Zuschnitt aber schlichter als noch im Hochrokoko und zeigten ansonsten kaum mehr Prachtentfaltung als zuvor. Nur aus der Hofgala sind aufwändig mit Seidenfilament bestickte Röcke überliefert. Das Justaucorps wies in dieser Zeit fast immer einen Stehkragen auf.

Die Königin des Rokoko

Marie Antoinette, Königin von Frankreich und Navarra, gemalt 1783 von Élisabeth Vigée-Lebrun

Marie Antoinette kam mit 14 Jahren an den Hof von Schloss Versailles, nur einige Jahre später war sie die Modegöttin einer ganzen Nation. Mit ihrer natürlichen Anmut erfüllte sie nahezu alle Anforderungen des damaligen Schönheitsideals. Marie Antoinette war nicht besonders groß (etwa 1,65 m), doch sie war schlank, zierlich, hatte eine schmale Taille, einen weißen Teint. Hinzu kam ihre elegante Art sich zu bewegen, zu gehen, zu tanzen. Um immer mit der neusten Mode mithalten zu können, unterhielt sie eine ganze Dienerschaft von Schneiderinnen, Näherinnen, Friseuren und Juwelieren, die täglich um sie herum bereit waren. Dieses Leben war teuer, so dass sogar die Königin zeitweise zahlungsunfähig war.

Fast niemand prägte die Mode zu dieser Zeit mehr an als Marie Antoinette. Mitte der 1770er Jahre erreichten die sogenannten Hoch-oder auch Turmfrisuren ihr Optimum, so erreichte Marie Antoinette mit 91,44 cm die wohl höchste dokumentierte Haarpracht. Fakt ist, dass mit ihr das französische Rokoko seine Blütezeit erlebte und auch mit ihr unter ging. Marie Antoinette war nicht nur die Königin von Frankreich, sie gilt auch als die Königin des Rokoko.

Spätrokoko

Madame Louise-Élisabeth von Frankreich, Infante d'Espagne, Duchesse de Parme, mit ihrem zwei Jahre alten Sohn, gemalt 1788 von Adélaïde Labille-Guiard

Über die Jahrzehnte hinweg, war schließlich ein neues Bildungsbürgertum herangewachsen, welches die Gebiete der Literatur und Wissenschaft weitgehend abdeckte. Diese neue Schicht begann sich nun immer stärker mit den oberen Klassen zu vermischen, und so gaben diese schließlich auf, den Klassengegensatz durch immer größere Übertreibung von Pracht manifestieren zu wollen. In England begann diese Entwicklung am schnellsten, da der dortige Adel ohnehin eine Vorliebe für das Einfache und Ländliche hatte. Auf dem Kontinent konnte man diese Veränderung um 1780 verfolgen, allerdings nur sehr langsam und vorerst nur unmerklich. Die breiten Röcke entwickelten sich zur einfachen „englischen Robe“ und waren nur noch gering ausgepolstert, der Reifrock verschwand ganz, dafür wurden die Krägen und Ärmel jetzt mit viel Spitze betont.

Die modischsten Neuheiten brachten jedoch die Hüte, welche die Perücke ablösten und wegen ihrer anfängliche Schlichtheit keine reine Aristokratenmode mehr waren. 1785 trug man im Sommer meist große Strohhüte, die an den Seiten mit Bändern, Schleifen oder Federn verziert waren (die Federn waren [wegen ihrer bunten Färbung] meist von Papageien oder Pfauen). Im Winter bevorzugte man kleinere Modelle, die sich hauptsächlich aus Samt und Satin zusammensetzten und in dunklen, kräftigen Farben leuchteten. In Deutschland wurde ab 1788 noch eine neue Herrenjacke nach englischem Vorbild eingeführt, die „Werthertracht“. Diese frühe Form des Jacketts kann jedoch nicht mehr als reine Rokokomode ergänzt werden, sondern zählt schon zur nachfolgenden „Revolutionsmode“.

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution fand die lebenslustige und aufwändige Mode des Rokoko ein jähes Ende, jedoch nicht allein der Umbruchstimmung wegen, sondern weil man ab 1790 Gefahr lief, enthauptet zu werden, zeigte man sich öffentlich nicht in schlichter Aufmachung.

Galerie

Kopfputz

Siehe auch


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