Kletterschein

Kletterschein

Als Kletterschein werden verschiedene, sich ähnelnde Qualifikationsnachweise für Sportkletterer bezeichnet, die vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV), dem Alpenverein Südtirol (AVS) und dem Deutschen Alpenverein (DAV) ausgegeben werden. Das Konzept Kletterschein besteht beim ÖAV und AVS aus drei, beim DAV aus zwei aufeinander aufbauenden Scheinen, als Nachweis für den Besitzer, dass er die für diesen Schein typischen Regeln und Techniken des Sicherns beherrscht.

Der ÖAV führte 1999 als erster Alpenverein den damals vierstufigen Kletterschein mit den Stufen Mini, Spider, Allround und Expert ein. Diese wurden 2004 umgewandelt in die heute gültigen Stufen Toprope, Indoor und Outdoor basic, wobei die ersten drei Stufen lediglich umbenannt wurden, während die vierte Stufe verworfen wurde. In dieser Form wurde der ÖAV-Kletterschein im Jahr 2004 auch vom Alpenverein Südtirol in Zusammenarbeit mit dem ÖAV übernommen. 2005 startete der Deutsche Alpenverein eine inhaltlich an das österreichische Modell angelehnte Aktion mit einem zweistufigen Kletterschein in den Stufen Toprope und Vorstieg.

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung und Selbstverständnis

Wie unter anderem Studien der DAV-Sicherheitsforschung gezeigt haben, werden beim Sichern und Klettern in Kletterhallen viele Fehler gemacht. Durch die Einführung des Kletterscheins soll der Ausbildungsstand der Kletterer verbessert und Fehler vermieden werden. Mit dem Kletterschein wird eine Art Nachweis geschaffen, dass der Inhaber das Klettern und vor allem das Sichern richtig erlernt hat. Bei Kletterkursen kann das das Ziel der Abschluss Kletterschein sein. Aber auch Autodidakten können die Prüfung für den Kletterschein ablegen und damit nachweisen, dass ihr Wissen auf dem neuesten sicherungstechnischen Stand ist.

Der Kletterschein des ÖAV richtet sich dabei vor allem an Kinder und Jugendliche und soll ihnen als Motivation dienen, das Sichern richtig zu erlernen. Dagegen macht der DAV keine eindeutigen Angaben über das Alter der Zielgruppe, er nennt lediglich ein Mindestalter von ungefähr zehn Jahren für den Kletterschein Toprope und von zwölf Jahren für den Kletterschein Vorstieg.

Bei allen drei Alpenvereinen ist der Kletterschein in eine Sicher Klettern genannte Aktion eingebunden, die mit Plakaten in Kletterhallen für sicheres Klettern und den Kletterschein wirbt. Zusätzlich zum scheckkartengroßen Kletterschein erhält jeder, der die Prüfung bestanden hat, eine Broschüre, in der die Ausbildungsinhalte zusammengefasst sind. Alle drei Vereine betonen, dass es sich beim Kletterschein um einen Nachweis auf rein freiwilliger Basis handelt, der eher mit einem Leistungsabzeichen als mit einem Führerschein verglichen werden kann. Er soll ausdrücklich nicht als Legitimation zum Klettern oder als Garantie für unfallfreies Klettern angesehen werden.

Prüfungsinhalte

Die Inhalte für die Prüfungen sind im Wesentlichen bei allen Alpenvereinen gleich, sie sind lediglich beim DAV nicht so präzise definiert wie bei ÖAV und AVS. Aus diesem Grund werden hier der Einfachheit halber die Prüfungsinhalte des ÖAV angegeben.

Kletterschein Toprope

Der Kletterschein Toprope richtet sich vor allem an Anfänger nach einem Einsteigerkurs. Die Prüfung beinhaltet das richtige Anseilen und das richtige Einlegen der Sicherung. Weiterhin umfasst sie den Partnercheck und die Kontrolle der eigenen Sicherung sowie das richtige Ablassen. Durch die im Kletterschein Toprope geforderten Kenntnisse soll der Kletterer in der Lage sein, selbstständig im Toprope zu klettern und zu sichern.

Es werden speziell folgende Punkte geprüft:

  • Richtiges Anlegen des Hüftgurtes
  • Einbinden mit gestecktem Achter oder Einbinden mit Achterschlinge und Schraubkarabiner
  • Partnercheck: gegenseitige Kontrolle der Kletterpartner vor dem Losklettern. Folgende Punkte sind zu überprüfen:
    • Gurt geschlossen?
    • Anseilknoten richtig geknüpft?
    • Sicherungsgerät richtig eingelegt?
    • Karabinersicherung geschlossen?
Alle Punkte müssen durch Anfassen, nicht nur durch Hinsehen kontrolliert werden. Damit soll verhindert werden, dass Fehler übersehen werden, die oberflächlich betrachtet korrekt aussehen.
  • Sichern und Ablassen eines Kletterers im Toprope mit Tuber oder Abseilachter oder HMS oder Grigri
  • Klettern einer Route im Toprope
  • Kenntnis von drei Kletterregeln

Kletterschein Indoor (ÖAV/AVS) beziehungsweise Vorstieg (DAV)

Zusätzlich zu den im Kletterschein Toprope geforderten Kenntnissen werden folgende Techniken geprüft:

  • Vorbereiten des Seils vor dem Klettern
  • Direktes Einbinden mit gestecktem Achter oder doppeltem Bulin (doppelter Palstek)
  • Partnercheck
  • Sichern und Ablassen einer Person im Vorstieg
  • Klettern im Vorstieg: Der Kletterer soll hierbei auf den richtigen Seilverlauf achten, insbesondere soll er nicht mit dem Fuß zwischen Seil und Wand stehen.
  • Kontrolliertes Stürzen (nur bei ÖAV/AVS), zum Teil auch DAV
  • Verhalten an der Umlenkung
  • Kenntnis von sechs Kletterregeln

Mit diesen Kenntnissen soll der Kletterer in einer Kletterhalle selbstständig im Vorstieg klettern und andere Personen im Vorstieg sichern können.

Kletterschein Outdoor Basic (nur ÖAV/AVS)

Die Kenntnisse aus dem Kletterschein Outdoor Basic sollen es dem Kletterer ermöglichen, sicher und selbstständig in einem Klettergarten zu klettern. Die Prüfung für diesen Schein findet im Allgemeinen in einem Klettergarten statt, in Ausnahmefällen kann die Prüfung bei schlechtem Wetter in einer Kletterhalle abgehalten werden, wenn diese über die nötigen Voraussetzungen verfügt. Zusätzlich zu den Kenntnissen aus dem Kletterschein Indoor wird geprüft:

  • Partnercheck; zusätzlich soll in das freie Seilende etwa einen Meter vor dem Ende eine Achterschlinge gemacht werden. Dies soll verhindern, dass das Seilende bei Routen, die länger als die halbe Seillänge sind, durch das Sicherungsgerät rutscht.
  • Klettern einer Route im Vorstieg: Beim Kletterschein Outdoor Basic wird zusätzlich das selbstständige Einhängen von Expresssets unter Beachtung des Seilverlaufs geprüft.
  • Umbauen beziehungsweise Durchfädeln am Umlenker: Es werden verschiedene Methoden zum Durchfädeln des Seils durch die Umlenkung akzeptiert, zusätzlich soll der Kletterer entsprechende Kommandos an seinen Sicherer geben, um diesen über sein Tun zu informieren.
  • Fixieren des Sicherungsgerätes: Der Sicherer soll eine der Sicherungsoptionen Halbmastwurf, Tuber oder Achter, das unter Zug von oben steht, blockieren und anschließend wieder lösen können.
  • Abseilen mit Kurzprusik: Der Prüfling soll zum Abseilen in folgender Reihenfolge vorgehen:
    • Eine Selbstsicherung mit vorbereiteter Bandschlinge am Abseilpunkt anbringen;
    • Das Seil durch den Abseilpunkt fädeln und die Seilenden mit jeweils einem Achter verknoten;
    • Das Seil ins Abseilgerät einlegen;
    • Den Kurzprusik anbringen und am Gurt befestigen
  • Kenntnis von acht Kletterregeln

Kritik

Der Sinn und Nutzen des Kletterscheins ist unter Kletterern umstritten. Die Kritik zielt im Wesentlichen auf zwei Punkte ab:

  • Richtiges und sicheres Sichern ist eine sehr komplexe Tätigkeit, die sich nach Ansicht der meisten Kletterer nicht innerhalb einiger Stunden oder Tage erlernen lässt. Ein solcher Kurs kann nur die Grundprinzipien vermitteln, eine sichere und situationsangepasste Handhabung erfordert dagegen viel Übung und Erfahrung. Viele Kletterer begrüßen deshalb zwar, dass durch die Einführung des Kletterscheins beim Kenntnisstand ein gewisses Grundniveau erreicht werden soll; sie befürchten jedoch, dass viele Anfänger den Kletterschein als Bestätigung ansehen, klettern und sichern zu können, und daraufhin aufhören, ihr Wissen zu erweitern. Dies würde dazu führen, dass die Kletterer sich ihrer Selbstverantwortung und der Notwendigkeit, ihr Handeln zu hinterfragen und der Situation anzupassen, nicht mehr bewusst sind und sich stattdessen nur noch so handeln, wie sie es gelernt haben, ohne die Richtigkeit für den Einzelfall zu prüfen.
  • Der zweite Kritikpunkt betrifft die Unverbindlichkeit des Kletterscheins. Alle drei Alpenvereine betonen, dass der Kletterschein weder verbindlich ist, noch eine Legitimation oder eine Garantie für Unfallfreiheit darstellt. Viele Kletterer befürchten jedoch, dass es ähnlich wie beim Tauchschein, der ebenfalls nicht verbindlich vorgeschrieben ist, zu einer Art Quasi-Standard kommt, indem Kletterhallenbetreiber nur noch Kletterscheininhaber in ihre Kletterhallen lassen oder Versicherer die Haftung bei Unfällen ablehnen, wenn der Unfallverursacher keinen Kletterschein vorweisen kann. Dies würde dazu führen, dass das Ergebnis einer relativ einfachen Prüfung höher bewertet würde als die tatsächliche Erfahrung des Kletterers.

Literatur

  • Peter Albert: Richtig Sichern bis zum DAV-Kletterschein. Der Weg zum DAV-Kletterschein. Bruckmann, München 2007, ISBN 978-3-7654-4502-6.

Weblinks


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