Kloster Wiblingen bei Ulm

Kloster Wiblingen bei Ulm
Benediktinerabtei Wiblingen

Das Kloster Wiblingen ist eine ehemalige Benediktinerabtei, die später als Kaserne genutzt wurde und heute Abteilungen des Universitätsklinikums Ulm beherbergt. Es liegt im Dreieck zwischen Iller und Donau südlich von Ulm in Baden-Württemberg. Der Ort Wiblingen ist heute ein Stadtteil von Ulm und liegt an der Oberschwäbischen Barockstraße.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Klostertor
Klosterkirche mit den unvollendeten Türmen und Südflügel des Klosters
Das Innere der Klosterkirche
Kanzel von Fidel Sporer
Bibliothekssaal
Bücherschrank im Bibliothekssaal

Von der Gründung bis 1701

Das Kloster Wiblingen wurde 1093 von den Grafen Hartmann und Otto von Kirchberg[Anmerkung 1] gegründet. Die Grafen stellten Mönchen der Abtei St. Blasien Land an der Iller zur Verfügung, auf dem diese eine Filiation ihrer Abtei errichteten. Im Jahr 1099 erfolgte die Einweihung, der erste Abt von Wiblingen war Werner von Ellerbach. Im gleichen Jahr stifteten die Grafen dem Kloster Holzpartikel, die angeblich vom Kreuz Christi stammten und die sie vom ersten Kreuzzug (1096-1099) mitgebracht hatten.

Im Mittelalter erlangte Wiblingen Bedeutung als Stätte besonderer benediktinischer Gelehrsamkeit und mustergültiger Klosterzucht. Im Dreißigjährigen Krieg wurde dem Kloster stark zugesetzt. Abt Johannes Schlegel ließ die Heilig-Kreuz-Reliquie verstecken, um sie vor den Schweden zu schützen. Nach deren Abzug wurde allerdings das Versteck nicht wieder aufgefunden, da die Zeugen ein Opfer der Pest geworden waren. Erst Jahre später wurde die eingemauerte Reliquie wieder aufgefunden. Nicht zuletzt durch den bedeutenden Abt Benedikt Rauh (Amtszeit 1635-63), der auch Feldbischof der bayerischen Armee war, konnte das Kloster die schwierigen Zeiten überstehen und nach Kriegsende einen erneuten Aufschwung nehmen. Die wachsende wirtschaftliche und politische Bedeutung unter den Äbten Ernest Fabri, Maurus Falkner und Modest I. führte schließlich im Jahr 1701 zur endgültigen Lösung von der Vogtei und der Erhebung in den vorderösterreichischen Mediatstand.

1701-1806 - Klosterneubau

Der Status der Abtei als selbständiges österreichisches Territorium dürfte der Auslöser für den Klosterneubau gewesen sein, der 1714 begann und weitgehend vom Spätbarock geprägt ist, mit Ausnahme der Kirche, die ein Hauptbeispiel des Frühklassizismus in Süddeutschland darstellt. Der mittelalterliche Klosterbau hatte eine unregelmäßige Struktur und war immer wieder erweitert und verändert worden, die Kirche stammte aus der Romanik. Bis in das späte 17. Jahrhundert hatte man die Klosteranlage fortgeführt, umgebaut und erweitert.

Als das Kloster vorderösterreichisch wurde, begann, nach dem Vorbild des Escorial in Spanien, eine umfassende Neuplanung mit einer Kirche im Zentrum, die von einem symmetrisch angelegten Geviert und Vorhöfen umgeben ist. Den Plan dazu lieferte, so der Klosterchronist Michael Braig, der bedeutende Barockbaumeister Christian Wiedemann. Nach diesem von dem Mosbrugger-Projekt in Einsiedeln beeinflussten Plan hat man die Vorhöfe zu bauen begonnen. Um 1730 erfolgte eine erste Planänderung (Erweiterung), was dazu führte, dass Torhaus und Kirche sich nun nicht mehr auf einer Achse befanden[1]. Weitere Planänderungen folgten: Der ursprünglich vorgesehene Zentralbau wurde durch einen Längsbau ersetzt (überliefert in einem Stich von Gottfried Bernhard Göz), wohl nach dem Vorbild von Weingarten und unter Einbeziehung bestimmter Einflüsse von Kirchenbauentwürfen Caspar Mosbruggers[2].

Nach dem Plan Wiedemanns wurde im Nordtrakt des Klosters der berühmte Bibliothekssaal errichtet. Die Bauleitung hatte zum Zeitpunkt seiner Vollendung (1744) wohl schon der Neffe Wiedemanns, Johann, der am Klosterbau zuvor als Parlier gearbeitet hatte[3]. 1750 erfolgte die Berufung Johann Michael Fischers als Bauleiter. Dieser überarbeitete Wiedemanns Pläne (die sich am besten am Holzmodell für das Kloster Schussenried ablesen lassen, das als weitgehende Kopie der Wiblinger Planungen gelten kann). Fischers Leistung für Wiblingen besteht vor allem in dem neugestalteten Osttrakt, dem er einen markanten Risalit gegeben hat und damit den Kapitelsaal als Zentrum der klösterlichen Organisation und des Selbstverständnisses einer Territorialherrschaft ausübenden Abtei auszeichnete. Vorbild dieser Fassade war das Gebäude der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien, ein bewusstes Zitat der vorderösterreichen Abtei, um ihre Verbundenheit mit dem Kaiserhaus darzustellen.

Umstritten ist Fischers Planungstätigkeit für den Kirchenbau. Die „Regensburger Risse“ werden heute nicht mehr Fischer eigenhändig zugeschrieben[4], doch hat Purrmann glaubhaft gemacht, dass es sich um Kopien nach Fischer-Entwürfen handelt, die noch vieles von den Ideen des überragenden Baumeisters aufweisen, darunter vor allem eine Prospektwirkung, die ihresgleichen sucht und mit Ottobeuren und Zwiefalten leicht konkurrieren kann. Die Risse enthalten jedoch so viele Fehler und Ungenauigkeiten, dass es sich nicht um Originalzeichnungen Fischers handeln kann, sondern die Zusammenstellung des Plansatzes muss einem anderen Baumeister nach Fischers Abzug aus Wiblingen (1757) übertragen worden sein. Da die Risse später nach Neresheim (und von dort in das Thurn- und Taxissche Zentralarchiv nach Regensburg) gelangt sind, kommen als Zeichner Johann Wiedemann oder dessen Sohn Dominikus in Frage (Dominikus Wiedemann arbeitete unter Balthasar Neumann in Neresheim).

Da das Kloster unter Geldmangel litt, konnte das Kirchenbauprojekt bis zum Tod des Abtes Meinrad Hamberger (Amtszeit 1730-62) nicht ausgeführt werden. Sein Nachfolger Modest II. (1762-68) zeigte kein Interesse daran oder hatte keine finanziellen Mittel. Die Trauerreden auf beide Äbte erwähnen jedenfalls nicht, dass sie den Kirchenbau begonnen hätten, sonst aber alle noch so geringen Bautätigkeiten. Erst Abt Roman Fehr (1768-98) hat den Grundstein zu der ausgeführten Kirche gelegt, der Baumeister war Johann Georg Specht, der aus der späten Auer Zunft hervorgegangen ist und den Kirchenbau von St. Gallen und der Birnau genau kannte. Nach deren Vorbild hat er seinen Bau entworfen, und dieser wäre trotz mancher Vereinfachungen wohl noch recht "spätbarock" ausgefallen, wäre es nicht dem Freskanten Januarius Zick, der von Jakob Emele in Schussenried eine Architekturausbildung erhalten hatte, gelungen, Specht zu verdrängen und den Bau im "griechischen Stil", d.h. im französischen Zopfstil, zu vollenden. Zumindest im Inneren gelang das, und es ergab sich ein stimmiges Raumbild des frühen Klassizismus mit barocken Reminiszenzen. Die Fassade mit über Eck gestellten Türmen (vergl. Planungen für St. Gallen) blieb unvollendet, und der letzte Abt, Ulrich IV., versuchte noch während der Franzoseneinfälle vergeblich, die Fassade zu vollenden. Auch der Südtrakt des Klostergevierts musste unausgeführt bleiben, bis die württembergische Heeresverwaltung, angeblich nach alten Plänen, das Geviert im Jahre 1917 schloss.

Säkularisation, Nutzung als Kaserne

Nach den Niederlagen in den napoleonischen Kriegen wurde das zu Österreich gehörige Kloster 1805 zunächst von badischen und anschließend von bayerischen Truppen besetzt. Im Jahr darauf bezogen die Württemberger das Kloster, nachdem von den Bayern das gesamte Mobiliar versteigert worden war. Das Kloster wurde nun als eines der letzten Klöster im Zuge der Säkularisation aufgehoben. Die Mönche verließen das Kloster und wanderten in die Benediktinerabtei Tyniec bei Krakau aus. Das Kloster wurde als Schloss Residenz von Herzog Heinrich, dem Bruder des Königs Friedrich I. von Württemberg.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Wiblingen Teil der Bundesfestung Ulm und seit 1848 im wesentlichen unter der Bezeichnung Schlosskaserne als Infanteriekaserne genutzt. Nun wurde das unvollendete Konventgebäude, welches die Klosterkirche umgibt, vollendet. In den Jahren 1915-1917 wurden die fehlenden Gebäude nach den alten Plänen errichtet. Die Nutzung als Kaserne hielt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an. Im Anschluss wurde es zur Beherbergung von Flüchtlingen genutzt.

Heutige Nutzung

Die Klosterkirche St. Martin wird heute als katholische Pfarrkirche genutzt. Sie wurde am 5. Mai 1993 durch Papst Johannes Paul II. mit dem Apostolischen Schreiben Templum paroeciale zur Basilica minor erhoben.

Die restlichen Teile des Nordflügels und das angrenzende frühere Wirtschaftsgebäude beherbergen die Akademie für Medizinische Berufe des Universitätsklinikums Ulm.

Der Südflügel des Klosters, der 1917 neu errichtet wurde, wird heute als städtisches Altersheim genutzt.

Kirche und der Bibliothekssaal im Nordflügel können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Das Klostermuseum in den ehemaligen Gästezimmern des Konvents ist seit 2006 eröffnet.

Literatur

  • Michael Braig: Wiblingen. Kurze Geschichte der ehemaligen vorderösterreichischen Benediktinerabtei in Schwaben. Isny 1834 (Neuausgabe: Konrad, Weißenhorn 2001 ISBN 3-87437-456-4) - Werk eines ehemaligen Wiblinger Konventualen
  • Gustav Bölz: Die Baugeschichte des Klosters Wiblingen. Dissertation. Technische Hochschule, Stuttgart 1922 (maschinenschriftlich vervielfältigt)
  • Adolf Feulner: Kloster Wiblingen. (= Deutsche Kunstführer; Band 1). Filser, Augsburg 1925
  • Alois Schwenger: Abtei Wiblingen. Zerle, München 1930
  • Ingrid Kessler-Wetzig: Kloster Wiblingen. Beiträge zur Geschichte und Kunstgeschichte des ehemaligen Benediktinerstiftes. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1993 ISBN 3-88294-189-8
  • Johannes May: Die Bibliothek des Benediktinerklosters Wiblingen. Landratsamt Alb-Donau-Kreis, Ulm ca. 2002 ISBN 3-9806664-7-6
  • Otto Beck: Einstige Kloster- und heutige Pfarrkirche Sankt Martinus in Wiblingen. Päpstliche Basilika. Kunstverlag Fink, Lindenberg 1997 ISBN 3-931820-55-6 (Kunstführer)
  • Ingrid Münch: Kloster Wiblingen. Deutscher Kunstverlag, München u.a. 1999 ISBN 3-422-03058-1 (Kunstführer)
  • Staatsanzeiger-Verlag (Hrsg.): Wiblingen: Kloster und Museum. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Stuttgart 2006, ISBN 3-929981-59-9
  • Martina Oberndörfer: Wiblingen. Vom Ende eines Klosters - Die Vorderösterreichische Abtei Wiblingen und ihr Umland im Zeitalter des Barock und der Aufklärung, Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm im Jan Thorbecke Verlag 2006, ISBN 3-7995-8034-4

Weblinks

Quellen

  1. vergl. Bölz (siehe Literatur), Baugeschichte, 1922
  2. vergl. Purrmann (siehe Literatur), Aufsatz: Wiblingen und Schüssenried, 2003
  3. vergl. Ohngemach/Aubele (siehe Literatur), Aufsatz Familie Wiedemann, 2001
  4. vergl. Dischinger, Fischer II, 1997 und Möhring, Diss. Fischer

Anmerkungen

  1. Der Stammsitz der Grafen befand sich in Oberkirchberg

48.361669.9927Koordinaten: 48° 21′ 42″ N, 9° 59′ 31″ O


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