Klostergeviert

Klostergeviert
Kreuzgang des Stift Lilienfeld, Niederösterreich

Der Kreuzgang ist ein zentraler arkadenumstandener Hof in einem christlichen Klosterbau. Er dient als Erschließung für anliegende klösterliche Gebäudeteile, als Andachtsbereich und als Friedhof. Ein Kreuzgang kommt auch in der Umgebung von katholischen Bischofskirchen (Kathedrale oder Dom) vor, dann dient er häufig als Grablege der Domkapitulare und zur Erschließung von Bischofshaus, Kapitelsaal und anderen Verwaltungsgebäuden der Diözese. Ein Beispiel ist der Kreuzgang am Trierer Dom, der außerdem als Verbindung zur Liebfrauenkirche und als Zugang zur Sakristei genutzt wird.

Wichtige Elemente des Kreuzgangs sind die Arkatur, das Gewölbe, und der Brunnen im Zentrum der Anlage. In der modernen Kunstgeschichte (Rolf Legler) wird der Begriff soweit eingeengt, dass nur arkaturumstandene Höfe mit einer Hof und Umgang trennenden Sitzbank als Kreuzgang zu bezeichnen sind.

Der Ursprung des Bautypus ist nicht eindeutig geklärt. Die Vertreter der Atriumstheorie behaupten, der Kreuzgang sei eine Abwandlung des frühchristlichen Narthex. Die Anhänger der Villentheorie vertreten die Ansicht, durch die Umnutzung antiker Villen zu Klöstern sei der römische Patio in die mönchische Architektur eingedrungen. Die Vertreter der Orienttheorie nehmen an, dass ein in syrischen Klöstern der Spätantike entwickelter Hoftyp als Vorbild für den Kreuzgang diente. Jüngere Forschungen (z. B. Rolf Legler) weisen auf die Unstimmigkeiten in der Datierung von frühchristlichen Klöstern hin und nehmen daher an, dass der Kreuzgang eine eigenständige Neuschöpfung im Zuge der anianischen Reform (820 n. Chr.) ist.

Die erste zeichnerische Darstellung eines Kreuzganges findet sich im Klosterplan von Sankt Gallen, gezeichnet um das Jahr 820. Der Kreuzgang ist hier das Zentrum eines idealisierten Klosters. Die Arkaden des Kreuzganges werden auf quadratischem Grundriss errichtet. Der Arkadenumgang erschließt die wichtigen Bereiche des Klosters: Kirche, Dormitorium, Refektorium und Kapitelsaal. Wirtschaftsräume (Werkstätten, Küche, Pferdestall usw.) werden hingegen in einiger Entfernung zum Kreuzgang untergebracht.

Welches das früheste gebaute Beispiel eines Kreuzganges ist, darüber besteht bis heute keine Einigkeit. Das im Klosterplan dargestellte Schema wurde zum normalen Anlageschema benediktinischer und zisterziensischer Klöster im ländlichen Raum zwischen dem 9. und dem 14. Jahrhundert. Auch die Reformorden des 13., 14., und 15. Jahrhunderts nutzten den Kreuzgang im deutlich geänderten Kontext des städtischen, missionarisch ausgerichteten Klosters.

In Lateinamerika erlebte das benediktinische Anlageschema eine entscheidende Transformation. Der als Claustro Mayor bezeichnete zentrale Kreuzgang hatte Funktion und Position des mittelalterlichen Kreuzganges. Der Grundriss wurde aber ergänzt durch eine große Anzahl von weiteren, kleineren Kreuzgängen, denen jeweils Teilbereiche des klösterlichen Lebens zugewiesen wurden. Diese Struktur spiegelt die komplexe, stadtartige Struktur des lateinamerikanischen Stadtklosters wider.

Neben der Bezeichnung Kreuzgang, welche vermutlich auf die hier durchgeführten Kreuzprozessionen zurückzuführen ist, wird er auch als Paradies bezeichnet. Diese Bezeichnung deutet auf die Bezüge zu den biblischen Beschreibungen des Paradiesgartens (Genesis 2) und des neuem Jerusalem (Offenbarung, Kap 20) hin.


Weblinks

Literatur

  • Legler, Rolf: Der Kreuzgang, ein Bautypus des Mittelalters. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-631-40706-8.
  • Klein, Peter K. (Hrsg.): Der mittelalterliche Kreuzgang - Architektur, Funktion und Programm. Regensburg 2004, ISBN 3-7954-1545-4.

Siehe auch


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