Koalitionsrecht

Koalitionsrecht

Koalitionsfreiheit bezeichnet das Recht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen.

Arbeitsbedingungen sind Bedingungen, die sich auf das Arbeitsverhältnis selbst beziehen, wie z. B. Lohn, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz usw.

Wirtschaftsbedingungen haben darüber hinaus wirtschafts- und sozialpolitischen Charakter, wie z. B. Maßnahmen zur Verringerung oder Vermeidung der Arbeitslosigkeit.

In Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Italien gehört die Koalitionsfreiheit zu den verfassungsmäßig garantierten Grundrechten. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährt in Art. 11 Ziff. 1 ausdrücklich das Recht, Gewerkschaften zu bilden, ebenso der UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte in Art. 22 Abs. 1.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Dieses Grundrecht ist ein Sonderfall des allgemeinen Grundrechts der Vereinigungsfreiheit (vgl. Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes).

Art. 9 III GG schützt neben der individuellen (s. o.) auch die kollektive Koalitionsfreiheit. Demnach sind alle koalitionsspezifischen Betätigungen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden grundrechtlich geschützt (Schutz der Koalitionen in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung, und in ihrer Betätigung wie Abschluss von Tarifverträgen und Führung von Arbeitskämpfen, sofern sie der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen). Die kollektive Koalitionsfreiheit schützt auch die Werbung neuer Mitglieder durch einen Aushang am „Schwarzen Brett“ eines Unternehmens.

Art. 9 III GG ist ein schrankenlos gewährleistetes Grundrecht, in das nur rechtmäßig eingegriffen werden kann, wenn es zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang erforderlich ist (BVerGE 57, 220, 246.). Zusätzlich gilt auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Außerdem wirkt die Koalitionsfreiheit des Art. 9 III GG unmittelbar auch zwischen Privaten, meistens den Arbeitsvertragsparteien. Damit ist es das einzige Grundrecht mit unmittelbarer Drittwirkung, Art. 9 III S. 2 GG.

Schweiz

In der Schweiz ist die Koalitionsfreiheit in Art. 28 der Bundesverfassung von 1999 garantiert: „Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie ihre Organisationen haben das Recht, sich zum Schutz ihrer Interessen zusammenzuschliessen, Vereinigungen zu bilden und solchen beizutreten oder fernzubleiben“ (Abs. 1).

Inwiefern die Koalitionsfreiheit in der alten Bundesverfassung von 1874, welche die Koalitionsfreiheit nicht explizit erwähnte, unter die Vereinsfreiheit fiel, war umstritten.

Frankreich

In der Präambel der französischen Verfassung von 1946 werden Koalitions- und Streikrecht explizit garantiert. Wörtlich: "Jeder Mensch kann seine Rechte und seine Interessen durch gewerkschaftliche Betätigung verteidigen und sich einer Gewerkschaft seiner Wahl anschließen. Das Streikrecht wird im Rahmen der Gesetze, die es regeln, ausgeübt."[1]

Italien

Die Verfassung der italienischen Republik vom 1. Januar 1948 garantiert das Koalitionsrecht

  • Art. 39: "Der Zusammenschluss zu Gewerkschaften ist frei"

sowie das Streikrecht

  • Art. 40: "Das Streikrecht wird im Rahmen der Gesetze ausgeübt."[2]

Geschichte

Historisch gehört die Koalitionsfreiheit zu den erbittert umkämpften Rechten der Arbeitnehmer für den Zusammenschliss in Gewerkschaften.

In Frankreich erließ die Nationalversammlung nach der Revolution von 1789 und dem Bruch mit der korporativen Ordnung, nur zwei Jahre nach der Erklärung der Menschen-und Bürgerrechte, im Juni 1791 ein Gesetz (Loi Le Chapelier), das Koalitionen zur Vertretung gemeinsamer Berufs- und Gewerbeinteressen generell verbot und im Code pénal (Art. 414-416) mit unterschiedlichen Strafen für die beiden Parteien der Arbeitgeber und Arbeitnehmer belegte. Nach der Revolution von 1848 wurde das Verbot kurzfristig und erst 1884 mit dem Loi Waldeck-Rousseau endgültig aufgehoben.[3]

Das britische Parlament hatte alle Zusammenschlüsse (Combinations) von Arbeitern zur Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen mit den Combinations Acts von 1799 und 1800 verboten. Aufgehoben wurde das Verbot mit den Combinations Repeal Acts von 1824 und 1825. Doch konnten die Aktivitäten der Gewerkschaften noch weitere fünfzig Jahre, bis zum Erlass des Trade Union Act von 1871 und des Conspiracy and Protection of Property Act von 1875 als illegale und kriminelle Handlungen verfolgt werden.

In Deutschland wurde nach dem Sieg Napoleons in den französisch besetzten Gebieten der Code pénal mit dem Koalitionsverbot übernommen. Auch die Preußische Gewerbeordnung von 1845 stellte Koalitionsbestrebungen unter Strafe (§§ 181-184). Koalitionsfreiheit gewährte Sachsen ab 1861, der Norddeutsche Bund ab 1869 und das Deutsche Reich an 1872.[4]

Literaturnachweise

  1. Dieter Gosewinkel / Johannes Masing (Hrsg.); Die Verfassungen in Europa 1789-1949. C.H. Beck, München 2006, S. 360.
  2. Dieter Gosewinkel / Johannes Masing (Hrsg.); Die Verfassungen in Europa 1789-1949. C.H. Beck, München 2006, S. 1388.
  3. G. Endruweit / E. Gaugler / W. H. Staehle / B. Wilpert (Hrsg.): Handbuch der Arbeitsbeziehungen. Gruyter, Berlin 1985, S. 421ff.
  4. Michael Kittner: Arbeitskampf. Geschichte - Recht - Gegenwart. C. H. Beck, München 2005, S. 155ff.

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