Kolchizin

Kolchizin
Strukturformel
Allgemeines
Name (−)-(S)-Colchicin
Andere Namen
  • 7α-H-Colchicin
  • N-[(7S)-1,2,3,10-Tetramethoxy- 9-oxo-6,7-dihydro-5H-benzo[d] heptalen-7-yl]acetamid
Summenformel C22H25NO6
CAS-Nummer 64-86-8
PubChem 6167
ATC-Code

M04AC01

Kurzbeschreibung feine hellgelbe, bitter schmeckende Nadeln [1]
Eigenschaften
Molare Masse 399,43 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

155–157 °C [1]

Löslichkeit

in Wasser: 45 g·l−1 bei 25 °C[2]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [3]
Sehr giftig
Sehr giftig
(T+)
R- und S-Sätze R: 46-28
S: 53-45
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50

5,89 mg·kg−1 (Maus, peroral} [4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Colchicin ist ein toxisches Alkaloid aus der Gruppe der Colchicin-Alkaloide und zählt zu den Tropolon-Derivaten. Es gilt als erbgutverändernd.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Es wurde früher zur Behandlung von Gicht, einer Stoffwechselerkrankung, eingesetzt. Heute kommt es nur noch bei akuten Gichtanfällen oder bei Unverträglichkeit von Alternativen zum Einsatz.

Vorkommen

Colchicein

Colchicin findet sich nicht nur in den Samen der Herbstzeitlose (0,5 %), sondern auch in den Blüten (bis zu 1,8 %), die Knolle enthält ca. 0,2 % und die Blätter 0,03 %. Es tritt in Begleitung seines Alkohols (−)-Colchicein auf.

Wirkung

Colchicin ist ein so genannter Mitose-Hemmstoff, der die Ausbildung der Spindelfasern hemmt, indem er an freie Mikrotubuli-Untereinheiten bindet und diese nicht mehr für den Spindelfaseraufbau zur Verfügung stehen. Die weiteren Mitose-Vorgänge werden dabei jedoch nicht unterbrochen, sondern durchlaufen nach wie vor sämtliche Mitosephasen sowie die Zellteilung. Wegen des fehlenden Spindelapparates kommt es jedoch nicht zur korrekten äquatorialen Ausrichtung der Chromosomen, wie es in der Metaphase normalerweise der Fall ist. Auch das Aufteilen der Schwesterchromatiden während der Anaphase unterbleibt aufgrund fehlender Spindelfasern. Bei der Teilung entsteht so je eine Zelle mit und eine ohne Zellkern, wobei letztere nicht lebensfähig ist. Die andere Zelle verdoppelt nun in der Interphase die Chromatiden, was zur Polyploidisierung führt. Als Folge sterben tierische Zellen ab, während es bei pflanzlichen Zellen zur Vergrößerung der Zellen kommt, was für die Züchtung von Pflanzenrassen bedeutsam ist. Bei der Erstellung von Karyogrammen werden so Chromosomen gewonnen, die sich lichtmikroskopisch gut beurteilen lassen. Des Weiteren können bei der Erzeugung transgener Pflanzen aus Mikrosporenkolonien durch eine Genomaufdopplung mit Colchicin diploide Individuen erzeugt werden. Diese sind durch die Aufdopplung in der Lage Saatgut zur weiteren Zucht hervorzubringen.

Medizinische Bedeutung

Für das „Gichttherapeutikum“ Colchicin finden sich zunehmend Hinweise für erfolgreiche Anwendungen bei einer Vielzahl weiterer ganz unterschiedlicher Krankheitsbilder.[5]
In entsprechender Dosis eingenommen, werden im Körper Zellteilungsprozesse verhindert. Dadurch kommt es überall im Körper zur Bildung nichtfunktionsfähiger Zellen, deren Beseitigung das Immunsystem überlastet. Dies führt zu schweren Vergiftungserscheinungen und kann lebensgefährlich sein. Bei der Einnahme von Colchicum-Arzneien darf eine Höchstdosis nicht überschritten werden. Obwohl das Mittel pflanzlicher Herkunft ist, fällt es unter die rezeptpflichtigen Medikamente und sollte nie ohne Kontrolle durch einen Arzt eingenommen werden, da gerade Kinder, ältere Menschen und Schwangere gefährdet sein können.

Da Colchicin im Anhang IV der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 über Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln aufgeführt ist, ist seine Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren in der Europäischen Union generell verboten.

Gicht

Colchicin kann als Tablette o. ä. genommen werden und beseitigt die oft extremen Gelenkschmerzen bei Gicht sehr zuverlässig. Dies kann auch als Test benutzt werden, ob es sich um Gicht handelt. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite soll eine Einzeldosis von 2 mg und eine Tagesdosis von 6 mg nicht überschritten werden. Bei 12 mg gab es bereits Todesfälle. Colchicin darf nicht während der Schwangerschaft eingesetzt werden. Heute werden bevorzugt andere Schmerzmittel wie Indometacin aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) verwendet.

Die Wirkung beruht wahrscheinlich auf einer Hemmung der Einwanderung von Entzündungszellen in die Gelenke. Als Nebenwirkung kommt es zu schweren Durchfällen, weil auch die Epithelzellen des Darmes sehr teilungsaktiv sind und empfindlich reagieren. Bei Überdosierung wird die Niere geschädigt. Bei längerer Anwendung kommt es zu Schäden des Knochenmarks und Haarausfall. Die Ausscheidung erfolgt zum Teil unverändert über die Nieren, aber auch über die Galle mit enterohepatischem Kreislauf (Halbwertszeit: 4–5 h).

Bemerkung: Acetylsalicylsäure sollte nicht eingesetzt werden. Aufgrund von Studien wird eine schubauslösende Wirkung angenommen, allerdings ist die Lage noch nicht definitiv geklärt.

Familiäres Mittelmeerfieber

Bei Patienten mit familiärem Mittelmeerfieber kann die lebenslange Einnahme von Colchicin die Entstehung einer Amyloidose verhindern.

Krebs

Es wurde auch versucht, die zellteilungshemmende Wirkung von Colchicin zur Krebstherapie zu nutzen.[1][6] Colchicin ist jedoch zu toxisch für eine therapeutische Anwendung (geringe therapeutische Breite), daher gibt es keine zugelassenen Arzneimittel mit Colchicin für diese Indikation. Mit ähnlicher Wirkungsweise ('Spindelgift' mit Hemmung der Mitose) werden jedoch in der Onkologie die Vincaalkaloide eingesetzt.

Zirrhose

Auch wenn sich im Tierversuch die Faserbildung in der Leber durch die Verabreichung von Colchicin hemmen lässt, konnte bei einer klinischen Studie an 55 Patienten mit histologisch gesicherter alkoholischer Leberzirrhose keine signifikante Besserung gegenüber einer Placebogruppe festgestellt werden. Die Beobachtungszeit betrug mehr als 40 Monate. Die Nebenwirkungen waren tolerabel.[7][8][9]

Morbus Adamantiades-Behçet

Beim Morbus Adamantiades-Behçet konnten in verschiedenen Studien, insbesondere bei Kindern, positive Ergebnisse erhalten werden. Im Vergleich zu Steroiden oder Immunsuppressiva scheint Colchicin vorteilhaft aufgrund der besseren Langzeitverträglichkeit.[5][10]

Einzelnachweise

  1. a b c Hermann Römpp, Jürgen Falbe und Manfred Regitz: Römpp Lexikon Chemie. 9. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1992.
  2. Sicherheitsdatenblatt Carl Roth
  3. Eintrag zu CAS-Nr. 64-86-8 im European chemical Substances Information System ESIS
  4. Colchicin bei ChemIDplus
  5. a b Lange U et al, Aktuelle Aspekte der Colchicin-Therapie, 2. Teil:Weitere klassische Indikationen und neue therapeutische Ansätze, in Z. ärztl. Fortbild. Qual.sich. (ZaeFQ), 96/2002, S.115-9.
  6. Cancer Res., 28/1968, S.1031-40.
  7. Ärzteblatt, Colchicin bei Leberzirrhose wirkungslos, 99/2002, S.2631
  8. Cortez-Pinto H et al., Lack of effect of colchicine in alcoholic cirrhosis: final results of a double blind randomized trial, in Eur J Gastroenterol Hepatol, 14/2002, S.377–81.
  9. Lonardo A, Loria P, Of liver, whisky and plants; a requiem for colchicine in alcoholic cirrhosis?, in Eur J Gastroenterol Hepatol, 14/2002, S.355–8.
  10. Sander HM, Randle HW, Use of Colchicin in Behçet‘s syndrome., in Cutis, 37/1986, S.344–8.

Literatur

  • M. Hueble: Ueber Colchicin. In: Archiv der Pharmazie. 171/2006, 193–216.
Gesundheitshinweis
Bitte beachte den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kolchizin — Kolchizīn, giftiges Alkaloid der Herbstzeitlose (s. Colchicum), gelbliches Pulver von bitterm Geschmack, leicht löslich in Wasser und Alkohol, gegen Gicht und Rheumatismus gegeben …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Kolchizin — Kol|chi|zin 〈n.; s; unz.〉 = Colchicin * * * Kolchizin,   das Colchicin.   * * * Kol|chi|zin, (chem. fachspr. auch:) Colchicin, das; s [zu griech. kolchikón = Herbstzeitlose, nach dem häufigen Vorkommen in der ↑Kolchis] (Med., Biol.): sehr… …   Universal-Lexikon

  • Kolchizin — kolchicinas statusas T sritis ekologija ir aplinkotyra apibrėžtis Genetikoje ir medicinoje naudojamas labai nuodingas alkaloidas. atitikmenys: angl. colchicines vok. Kolchizin, n rus. колхицин, m …   Ekologijos terminų aiškinamasis žodynas

  • Kolchizin — Kol|chi|zin 〈[ çi ] n.; Gen.: s; Pl.: unz.; Pharm.; Biochemie〉 giftiges Alkaloid der Herbstzeitlosen [Etym.: nach colchicum autumnale »Herbstzeitlose«] …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Kolchizin — Kolchizịn [zu ↑Colchicum], chem. fachsprachl.: Colchici̱n s; s: giftiges Alkaloid der Herbstzeitlose (u.Kolchizina. Gicht u. Rheumamittel; wegen seiner die Zellkernteilung hemmenden Wirkung auch in der experimentellen Vererbungsforschung… …   Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke

  • Kolchizin — Kol|chi|zin, fachspr. auch Colchicin [kɔlçi tsi:n] das; s <zu nlat. colchicum (autumnale) »(Herbst)zeitlose«, dies aus gleichbed. gr. kolchikón; vgl. ↑...in> giftiges, die Zellkernteilung hemmendes ↑Alkaloid der Herbstzeitlose (ein Gicht u …   Das große Fremdwörterbuch

  • Colchicin — Col|chi|cin 〈n.; s; unz.〉 giftiges Alkaloid des Herbstzeitlosensamens; oV Kolchizin [nach lat. colchicum autumnale „Herbstzeitlose“] * * * Col|chi|cin [nlat. Colchicum autumnale = Herbstzeitlose (Bot.; nach dem Land Kolchis); ↑ in (3)], das; s;… …   Universal-Lexikon

  • Mitosegift — Mi|to|se|gift 〈n. 11; Biol.〉 Stoff, der die Zellteilung stört (z. B. Kolchizin) * * * Mi|to|se|gift: svw. Mitosehemmer. * * * Mi|to|se|gift, das (Biol.): Stoff, der den normalen Ablauf der Zellkernteilung stört (z. B. Kolchizin) …   Universal-Lexikon

  • КОЛХИЦИН — (ново лат.). Наркотическое вещество, находящееся в ядовитом растении осеннем безвременнике. Словарь иностранных слов, вошедших в состав русского языка. Чудинов А.Н., 1910. КОЛХИЦИН новолатинск. Наркотическое вещество, находящееся в ядовитом… …   Словарь иностранных слов русского языка

  • Colchicum — Colchĭcum L., Zeitlose, Pflanzengattg. der Liliazeen. C. autumnāle L. (Herbstzeitlose [Tafel: Giftpflanzen, 6]) auf Wiesen in ganz Europa, treibt im Spätherbst 2 4 blaßrote Blumen aus einer Zwiebel und erst im folgenden Jahre Blätter und Früchte; …   Kleines Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”