Kontrollierter Flug in den Boden

Kontrollierter Flug in den Boden

Der Ausdruck Kontrollierter Flug in den Boden oder auch Kontrollierter Flug ins Gelände (englisch: CFIT, Controlled Flight Into Terrain) ist der Fachausdruck für den Absturz eines zum Zeitpunkt des Unfalls voll flugtauglichen und kontrollierbaren Luftfahrzeugs. Der Ausdruck erscheint widersprüchlich: Kontrolliert bezieht sich auf das Fluggerät, nicht auf die Situation. Ein kontrollierter Flug in den Boden ist definitionsgemäß immer die Folge menschlichen Versagens, auch wenn die Technik beschränkt oder beeinträchtigt sein sollte. Die internationalen Vorschriften und Standards in der Führung von Luftfahrzeugen sollen sowohl von technischer als auch von menschlicher Seite dem Grunde nach einen unkontrollierten Flugzustand verhindern, insofern kein unkontrollierbarer technischer Defekt oder unkontrollierbare äußere Umstände vorliegen.

Beispiele für ein CFIT:

  • Während eines Landeanfluges missverstehen die Piloten die Höhenvorgaben der Flugsicherung, fliegen in Folge mit nicht ausreichender Höhe und erkennen diesen Umstand aufgrund eingeschränkter Sicht und Ablenkung durch andere Aufgaben im Cockpit entweder gar nicht oder erst in dem Moment, in dem ein Bodenkontakt nicht mehr zu vermeiden ist.

In diesem Fall liegt kein technischer Defekt vor. Die zulässige Flughöhe wurde missinterpretiert und zusätzlich deren Verifikation über die mitgeführten Karten entweder unterlassen oder zusätzlich falsch gelesen.

  • Während eines Fluges fällt ein Triebwerk aus. Anstatt das Flugzeug gemäß den Emergency-Checklists zu konfigurieren, gerät das Flugzeug infolge falscher bzw. ausbleibender Reaktionen in eine instabile Fluglage, erleidet einen Strömungsabriss und stürzt ab.

In diesem Fall ist zwar ein technischer Defekt zu beklagen (Triebwerksausfall), welcher allerdings unter allen in dieser Situation anzunehmenden Umständen beherrschbar gewesen wäre. Das Flugzeug war in dieser Situation noch kontrollier- und beherrschbar. Grund für den Absturz war die Nicht-Umsetzung der Verfahrensweisen für diese Situation.

  • Aufgrund fehlerhafter Bedienung des Autopiloten steuert das Flugzeug selbstständig in den Boden.

Hier liegt ein klassischer Bedienungsfehler vor: Die Systemzusammenhänge der Avioniksteuerung wurden entweder nicht verstanden oder fahrlässig falsch bedient, was zur Folge hatte, dass der Autopilot den eingestellten Anweisungen nach zwar systematisch korrekt handelte, jedoch nicht im Sinne dessen, was die Piloten eigentlich erreichen wollten.

Beispiele, welche kein CFIT darstellen:

  • Aufgrund von Rauchentwicklung im Cockpit sind die Piloten durch die Einschränkung der Sicht nicht mehr in der Lage, die dennoch korrekt arbeitenden Instrumente abzulesen. In Folge stürzt das Flugzeug ab.

In diesem Fall sind zwar alle Instrumente und Systeme des Flugzeuges intakt, jedoch war es den Piloten objektiv unmöglich, diese korrekt zu lesen.

In diesem Fall sind die Steuerungssysteme nicht mehr intakt - die Piloten verlieren zwangsläufig die Herrschaft über das Flugzeug. Ein Uncontrolled Flight Into Terrain ist die Folge.

Die Unterscheidung zwischen einem Controlled Flight Into Terrain und einem Uncontrolled Flight Into Terrain werden jedoch in Einzelfällen von den zuständigen Flugunfalluntersuchungsbehörden häufig nicht eindeutig abgegrenzt. Fällt beispielsweise während eines Fluges die Elektrik im Cockpit aus, was zur Folge hat, dass nur noch unter Zuhilfenahme von Standby-Instrumenten gesteuert werden kann, wird im Falle eines Absturzes auf die Klassifizierung 'Controlled Flight Into Terrain' verzichtet, da es als zweifelhaft gilt, wie kontrolliert ein solcher Flug sein kann.

Abstürze in Folge von technischen Defekten werden daher im Allgemeinen nicht als Controlled Flight Into Terrain gewertet, da sie als Uncontrolled Flight Into Terrain (UFIT) zu bewerten sind.

Eine Häufung von CFIT-Unfällen führte in den 1970er-Jahren zur Entwicklung und Einführung des Bodenannäherungswarnsystems (GPWS, Ground Proximity Warning System).

Weitere Beispiele für „CFIT“ sind:

  • Der Flugzeugabsturz einer Boeing 737 der Condor Flugdienst am 2. Januar 1988 in Izmir, die durch Navigationsfehler nach dem Empfang einer Nebenkeule des Instrumentenlandesystems mit einem Berg kollidierte.
  • Im Dezember 1995 fanden 150 Menschen den Tod, als eine Boeing 757 in der Nähe von Cali, Kolumbien, mit einem Berggipfel der Anden kollidierte.
  • Der Absturz der US-Airforce-Boeing 737 am 3. April 1997 beim Landeanflug auf Dubrovnik, bei dem unter anderem der US-Wirtschaftsstaatssekretär und Clinton-Vertraute Ron Brown ums Leben kam.
  • Am 6. August 1997 flog eine Boeing 747-300 der Korean Airlines beim Landeanflug auf den Flughafen Won Pat der Pazifikinsel Guam „kontrolliert“ in das Gelände, 227 Menschen starben.
  • Der Absturz einer Avro RJ100 beim Anflug auf den Runway 28 des Flughafens Zürich am 24. November 2001, die bei schlechter Sicht mit einer Baumgruppe kollidierte und anschließend explodierte. (siehe: Crossair-Flug 3597)

Etymologischer Nachweis

Die Diskrepanz der möglichen Übersetzungen rührt daher, dass „terrain“ aus dem Englischen sowohl mit Boden, als auch mit Gelände (Gebiet) übersetzt werden kann.


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