Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland

Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland

Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM) [1] ist der Spitzenverband der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland. Er wurde am 11. April 2007 vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DİTİB), dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD) und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) gegründet.

Inhaltsverzeichnis

Vertretungsanspruch

Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland vertritt sowohl sunnitische wie schiitische Muslime. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş ist nicht unmittelbar beteiligt, sie dominiert aber den Islamrat und ist über diesen mittelbar beteiligt. Der Anspruch des Koordinierungsrats ist es, dem Staat einen zentralen Ansprechpartner für die Muslime in Deutschland zu bieten, z. B. in Fragen des schulischen Religionsunterrichts, und politischen Einfluss zu nehmen. [2]

Schätzungen zufolge vertritt der Koordinierungsrat über seine Mitgliedsvereine etwa 280.000 der etwa 3,3 Millionen Muslime in Deutschland[3] und, nach Angaben des DİTİB, 2000 der 2900 deutschen Moscheegemeinden. [4]

Die Aleviten und die Ahmadiyya werden vom Koordinierungsrat der Muslime nicht vertreten.

Organisation

Der Funktion des Sprechers des Koordinierungsrates wechselt im halbjährlichen Turnus. Erster Sprecher war von April bis September 2007 Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Sein Nachfolger als Sprecher des KRM war von Oktober 2007 bis März 2008 der Leiter der Abteilung für interreligiösen Dialog von DITIB, Bekir Alboga. Im Zeitraum April bis September 2008 war der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland Ali Kizilkaya Sprecher des Koordinierungsrates. Ihm folgte für die Amtsperiode bis März 2009 Erol Pürlü vom Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Seit dem 1.April 2009 ist nunmehr wieder Ayyub Axel Köhler Sprecher, nachdem diese Funktion turnusmäßig auf den Zentralrat der Muslime übergegangen ist.

Es ist geplant, dass sich Außenstehende an den Sprecher des Koordinierungsrates wenden können, um ihn zu den Islam in Deutschland betreffenden Themen zu befragen. So können beispielsweise die Haltung der Muslime zur Imam-Ausbildung, der islamische Religionsunterricht oder das Schächten Thema solcher Anfragen sein. Der Sprecher bemüht sich, einen Konsens mit den drei anderen Vorsitzenden der vertretenen Organisationen zu erreichen. Um der föderalen Struktur in Deutschland zu entsprechen, ist es geplant, in jedem Bundesland Vertretungen einzurichten.

Der KRM hat keine Rechtspersönlichkeit. Er ist (bisher) kein eingetragener Verein, sondern beruht lediglich auf einer von den vier ihn tragenden Verbänden am 28. März 2007 unterzeichneten [5] gemeinsamen Geschäftsordnung. [6] Sie gibt der DITIB ein Vetorecht [7] und drei stimmberechtigte Vertreter, während die anderen Verbände jeweils nur zwei Vertreter haben. Weiter heißt es in der Geschäftsordnung des Koordinationsrates: „Mitglieder können nur Dachorganisationen werden“, …" über ihre Aufnahme entscheidet die Mitgliederversammlung" (des Koordinationsrates). "Eine Ablehnung der Mitgliedschaft braucht nicht begründet zu werden. [8] Der Koordinationsrat bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland" und dass „Koran und Sunna des Propheten Mohammed (…) die Grundlagen des Koordinationsrates (bilden). Dieser Grundsatz darf durch Änderungen dieser Geschäftsordnung nicht aufgegeben werden“. [9]

Zur Weiterentwicklung des Spitzenverbands nach der Geschäftsordnung ist eine verbindliche Satzung für den KRM geplant. Aiman Mazyek, der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, schätzt, dass das Ende des Jahres 2007 geschafft sein wird. [10] Eine Verschmelzung ist nach Aussage von Ayyub Axel Köhler nicht geplant. [11]

Reaktionen auf die Gründung

Schon seit langem wurde von deutschen Politikern die Gründung eines Dachverbandes der in Deutschland lebenden Muslime gefordert, der als einheitlicher Ansprechpartner für die Politik dienen und die rechtliche Anerkennung der organisierten Muslime als Religionsgemeinschaft und darüber hinaus als Körperschaft des öffentlichen Rechts erleichtern sollte. Auch dem Koordinierungsrat ist dies jedoch noch nicht gelungen - bisher sind islamische Gemeinden meistens in Form von Vereinen organisiert. Entsprechend nannte ein Sprecher des Innenministeriums die Gründung des Koordinierungsrats einen „wichtigen und guten Schritt“. Von liberalen Muslimen wie Omid Nouripour, einem Bundestagsabgeordneten der Grünen oder Lale Akgün, der Islam-Beaftragten der SPD, wird jedoch kritisiert, dass der Koordinationsrat vor allem konservative Muslime vertrete und nicht für die Gesamtheit der Muslime in Deutschland sprechen könne. [3] Nach einer Umfrage des Zentrums für Türkeistudien bezeichnen sich von den etwa 1.760.000 Türken in Deutschland 28 Prozent als „sehr religiös“, 55 Prozent als „eher religiös“ und rund ein Drittel gab an, selten oder nie eine Moschee zu besuchen. [4]

Volker Beck äußerte die Meinung, dass der KRM noch nicht die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfülle: „Ein reiner Dachverband ist nach unserem Recht noch keine Religionsgemeinschaft und erfüllt noch lange nicht die Voraussetzungen einer Körperschaft.“ Er riet auch zur Vorsicht im Umgang mit den überwiegend konservativen und fundamentalistischen Kräften innerhalb des KRM, obwohl er für eine Perspektive der Gleichberechtigung plädierte. [12]

Einige Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz stellen ebenfalls das Recht des KRM in Frage, für die Muslime in Deutschland sprechen zu können. So sagte Navid Kermani: „Niemand solle davon ausgehen, dass der KRM für alle hier lebenden Muslime spricht. Der KRM kann ein, aber niemals der Ansprechpartner des Staates sein.“ Der Vorsitzende des Europäischen Islamzentrums Berlin, Badr Mohammed, meinte: „Sowenig wie irgendein Sportverein im Namen des deutschen Volkes auftreten kann, kann dieser Koordinierungsrat im Namen der deutschen Muslime sprechen.“ Der im KRM engagierte Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, betont jedoch: „Wir sind kein geschlossener Kreis. Jeder ist willkommen, der sich zu den fünf Säulen des Glaubens und sechs Glaubensartikeln des Islam bekennt.“ [13]

Stellungnahmen des KRM

  • Der KRM forderte die sofortige Freilassung der deutschen Geiseln im Irak in einer Stellungnahme vom 13. April 2007. [14]
  • In einem Interview vor dem 2. Treffen der Islamkonferenz erklärte der KRM Sprecher, muslimische Eltern bei der Forderung nach einem getrennten Sportunterricht unterstützen zu wollen[15] und erntete dafür starke Irritationen und Kritik. [16] [17] [18]
  • Anlässlich des zweiten Treffens der Deutschen Islamkonferenz forderte der KRM von der Bundesregierung, eine „Roadmap“ vorzulegen und die Zielsetzungen zu konkretisieren. [19]
  • In einer Stellungnahme vom 24. Mai 2007 [20] [21] antwortete der KRM auf die Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema Christen und Muslime in Deutschland „Klarheit und gute Nachbarschaft" vom 28. November 2006 [22]
  • Zum Gesetzesentwurf zur Umsetzung aufenthalts– und asylrechtlicher EU-Richtlinien nahm der KRM am 3. Juli 2007 Stellung. [23] Türkische Organisationen hatten wegen des Gesetzes mit dem Rückzug vom Integrationsgipfel gedroht [24] und diesen schließlich boykottiert. Der KRM könne „verstehen, wenn sich die Ditib von dem Integrationsgipfel distanziert“. Aus dem Kreis der KRM-Mitgliedsverbände wird lediglich DITIB zu den Integrationsgipfeln eingeladen.
  • Im Sommer 2008 einigten sich erstmalig die im KRM vertretenen Verbände auf eine gemeinsame Berechnungsgrundlage für Beginn und Ende des Fastenmonats Ramadan [25] und schufen damit die Voraussetzung, dass zum ersten Mal nahezu alle Muslime in Deutschland den Ramadan und das anschließrende Fest des Fastenbrechens zur selben Zeit begehen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland, auch Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, beide Begriffe werden sowohl von den beteiligten Verbänden als auch den Medien nebeneinander verwendet.
  2. Stefan Frank: Islam GmbH & Co. konkret Juni 2007, S. 24
  3. a b Bedenken gegen Kooperation islamischer Verbände Berliner Zeitung vom 12. April 2007
  4. a b Süddeutsche Zeitung vom 11. April 2007
  5. Berlin Aktuell vom 12. April 2007
  6. KRM Geschäftsordnung auf der Webseite des ZMD
  7. Der Prophet verbindet die Muslime, Kizilkaya: „jeder Verband nach seinem Organisationsgrad berücksichtigt“, Islamische Zeitung vom 11. April 2007
  8. Claudia Dantschke laut Dorothea Jung: „Einer für alle“, dlf vom 2. Mai 2007
  9. Hartmut Krauss: Zur Gründung des KRM, hdp vom 13. April 2007
  10. Kirchenkampf um die Moscheen - Muslime fordern ihre staatsrechtliche Anerkennung Tagesspiegel vom 13. April 2007
  11. „Wir sprechen mit einer Stimme“ WDR Interview vom 11. April 2007
  12. Die Tageszeitung vom 16. April 2007
  13. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15. April 2007
  14. Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) fordert die sofortige Freilassung der deutschen Geiseln im Irak, islam.de, 13. April 2007
  15. »Wir vertreten einen Mainstream-Islam« Die Zeit, 19. April 2007
  16. „"Fundamentalisten haben die Mehrheit im Rat." Böhmer gegen muslimisches Koordinationsgremium“, Mariam Lau, Die Welt, 21. April 2007
  17. Aiman Mazyek zu den Aussagen von Köhler, Jörg Lau, 21. April 2007
  18. "Große Idee, kleiner Plan", Spiegel Online, 23. April 2007, von Andrea Brandt und Cordula Meyer
  19. Koordinationsrat der Muslime zur Deutschen Islamkonferenz: „Roadmap“ und die Zielsetzungen müssen konkretisiert werden, islam.de, 1. Mai 2007
  20. PM des KRM: Profilierung auf Kosten der Muslime?, Pressemitteilung des Koordinationsrates der Muslime, 24. Mai 2007
  21. "Profilierung auf Kosten der Muslime?" IGMG, 24. Mai 2007
  22. Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema Christen und Muslime in Deutschland „Klarheit und gute Nachbarschaft" vom 28. November 2006
  23. Stellungnahme des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland zum Gesetzesentwurf zur Umsetzung aufenthalts – und asylrechtlicher EU-Richtlinien vom 3. Juli 2007
  24. „Muslime drohen mit Rückzug vom Integrationsgipfel“, Tagesspiegel, 4. Juli 2007
  25. http://www.islam.de/10694.php

Weblink


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