Kreis Ortelsburg

Kreis Ortelsburg
Kreisgebiet um 1910
Lage in Ostpreußen

Der Landkreis Ortelsburg war eine Gebietskörperschaft der preußischen Provinz Ostpreußen.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Während die ersten Kreise im Herzogtum Preußen bereits im Zusammenhang mit dessen Konstituierung im Jahre 1525 gebildet wurden, entstand der Kreis Ortelsburg erst mit der Verwaltungsreform vom 30. April 1815. Er wurde mit Wirkung vom 1. Februar 1818 durch die Ausgliederung der drei Städte Ortelsburg, Passenheim und Willenberg mit ihren umliegenden Landgemeinden aus dem Kreis Neidenburg gebildet. Mit einer Flächengröße von 1.703 km² gehörte er danach zu den größten Kreisen der Provinz Preußen, dem späteren Ostpreußen. Bevor der Deutsche Orden in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in das Gebiet vorstieß, war es nahezu unbewohnt und mit Urwald bewachsen. Im Rahmen seiner Besiedlungspolitik gründete der Orden zahlreiche Ortschaften, und bereits 1386 wurde Passenheim als erster Siedlung das Stadtrecht verliehen. Ortelsburg und Willenberg wurden hingegen erst 1723 zu Städten ernannt. Mit einer zweiten Ansiedlungsaktion erschloss der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm I. im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts den Osten des späteren Kreisgebietes durch die Gründung zahlreicher neuer Dörfer. Durch den Versailler Vertrag von 1919 war der Kreis Ortelsburg der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zu Ostpreußen oder Polen unterworfen. Am 11. Juli 1920 entschieden sich 48.207 Stimmberechtigte des Kreises gegen 497 Stimmen für einen Verbleib bei Ostpreußen. Im Rahmen der von den Nationalsozialisten veranlassten „Germanisierung“ von Ortsnamen durch lautliche Angleichungen, Übersetzungen oder freie Erfindungen wurden am 16. Juli 1938 im Kreis Ortelsburg 50 Gemeinden umbenannt. Betroffen waren zum Beispiel Jablonken > Wildenau, Piasutten > Seenwalde oder Wawrochen > Deutschheide. Zum 1. Januar 1939 wurde die offizielle Bezeichnung „Landkreis“ eingeführt. Sowohl vor als auch nach dem 1. Weltkrieg wurden zahlreiche Eingemeindungen vorgenommen. Während zum Kreis 1908 noch 200 Gemeinden zählten, waren es 1931 nur noch 166 und am 1. Januar 1945 noch 164 Gemeinden. Eine große Kontinuität gab es bei den Landräten des Kreises. In der Zeit seines 128-jährigen Bestehens residierten lediglich sieben Landräte. Sowohl der erste Landrat Ritter von Berg (1818 bis 1851) als auch Victor von Poser (1914 bis 1945) konnten auf lange Amtszeiten verweisen. Der Landkreis Ortelsburg wurde im Januar 1945 von der Roten Armee erobert.

Geografie

Der Landkreis Ortelsburg lag im zentralen Süden Ostpreußens an der Grenze zu Polen. Er reichte im Norden bis zum Baltischen Höhenrücken, schloss die Allensteiner Seenplatte und die Johannisburger Heide mit ein und ging im Süden in die masurische Tiefebene über. Die Landschaft ist sehr waldreich, der Große Schobensee war mit etwa 860 ha der größte See im Kreisgebiet. Mit dem Omulef, der Rozoga und der Szkwa berührten drei größere Narew-Nebenflüsse den Kreis. Heute entspricht dem Kreis ungefähr dem Powiat Szczycieński.

Infrastruktur

Im Jahr 1939 bestand der Landkreis Ortelsburg aus drei Städten, 157 Gemeinden und 4 Gutsbezirken (Forsten). Mehr als 1.000 Einwohner hatten

  • Ortelsburg, Stadt (heute Szczytno) = 13.523
  • Willenberg, Stadt (Wielbark) = 2.599
  • Passenheim, Stadt (Pasym) = 2.409
  • Friedrichshof (Rozogi) = 1.800
  • Puppen (Spychowo-Pupy) [1] = 1,516
  • Dorf Mensguth (Dzwierzuty) = 1.390
  • Lindenort (Lipowiec) = 1.226
  • Groß Schiemanen (Szymany) = 1.133

Insgesamt hatte der Landkreis 1939 72.146 Einwohner, von denen 85,9 Prozent Evangelische und 12,1 Prozent Katholiken waren. Bei der Volkszählung 1900 gaben 43,4 % der Bewohner masurisch als ihre Muttersprache an. Mit einem Anteil von 31,1 Prozent (1900) lebte eine verhältnismäßig große polnischsprachige Minderheit im Kreis. Das Wirtschaftsgeschehen wurde hauptsächlich von der Land- und Forstwirtschaft bestimmt. Im 19. Jahrhundert wurde östlich der Kreisstadt ein 2.500 km² großes Bernsteinlager ausgebeutet. Die industrielle Infrastruktur bildeten Ziegeleien, Mühlen und Sägewerke. In Passenheim hatte sich ein Kalksandsteinwerk angesiedelt. Verkehrsmäßig war der Landkreis durch die Bahnlinien Allenstein - Ortelsburg -Johannisburg und Bischofsburg - Ortelsburg - Neidenburg sowie durch die Reichsstraßen 128 Königsberg - Ortelsburg - Polen und 134 Ortelsburg - Preußisch Eylau erschlossen.

Anmerkung

  1. Zu den rotgefärbten Orten gibt es in der deutschsprachigen Wikipedia zurzeit noch keine Artikel. Bei Bedarf können die Artikel in der polnischsprachigen Wikipedia aufgerufen werden: Pupy, Dzwierzuty, Lipowiec, Szymany

Literatur

  • Max Meyhöfer: Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg, 2. Auflage, Leer: Rautenberg, 1984, 326 Seiten, ISBN 3-7921-0311-7

Weblinks


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