Angiologie

Angiologie
Schema des menschlichen Blutkreislaufs

Die Angiologie (gr. ἀγγεῖον angeīon „Gefäß“ und -logie) ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin, welches sich mit Gefäßerkrankungen beschäftigt. Sie befasst sich mit der Entstehung, Epidemiologie, Diagnose, konservativen und interventionellen Therapie, Rehabilitation und Prävention von Erkrankungen der Arterien, Venen und Lymphgefäße.

Die exakte Abgrenzung gegenüber anderen Fachrichtungen oder -teilbereichen ist weder immer möglich noch erwünscht. Erkrankungen der Koronargefäße sind allerdings eine Domäne der Kardiologen; für Gefäßerkrankungen, die das zentrale Nervensystem betreffen, sind auch Ärzte der Neurologie und Neurochirurgie zuständig. Bei Erkrankungen des venösen Gefäßsystems wie Krampfadern oder postthrombotischem Syndrom und der Lymphgefäße gibt es Überschneidungen mit der Dermatologie und der Phlebologie. Die Gefäßchirurgie ist ein Teilbereich der Chirurgie und gehört nicht zur Angiologie. Bei vielen angiologischen Krankheitsbildern besteht eine enge Kooperation mit anderen medizinischen Fachgebieten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Angiologie wurde in Deutschland von Professor Max Ratschow (1904–1963) begründet, der von 1954 bis zu seinem Tod 1963 Klinikdirektor in Darmstadt war und dort die weltweit erste Angiologische Klinik überhaupt etablierte. Die Angiologie ist der jüngste Zweig der Inneren Medizin, was sich auch in einer Zahl von nur 81 rein angiologisch tätigen Arztpraxen in Deutschland widerspiegelt. (Kassenärztliche Bundesvereinigung September 2005).

Krankheitsbilder

Eingeteilt werden die entsprechenden Krankheitsbilder in die Erkrankungen des zuführenden oder arteriellen Anteils des Kreislaufsystems, somit der Arterien und der Arteriolen sowie der Kapillaren als Bindeglied zum abführenden Anteil des Kreislaufsystems, den Venen und den Lymphgefäßen (bzw. dem Lymphsystem).

Erkrankungen der Arterien

Zu etwa 90–95 % ist die Ursache der arteriellen Erkrankungen die Arteriosklerose mit Ausbildung von Engstellen (Stenosen) oder Verschlüssen. Wegen der Häufigkeit und der Relevanz für die Betroffenen sind besonders zu erwähnen:

Die Arterien des Schultergürtels und der Arme sind eher selten von arteriosklerotisch bedingten Engstellen betroffen.

Außer zur Bildung von Engstellen kann es als Folge der Arteriosklerose durch Schwächung der Gefäßwandstrukturen auch zur Ausweitung der Gefäße kommen, was ab einem bestimmten Ausmaß als Aneurysma bezeichnet wird. Von Bedeutung sind dabei wegen der Gefahr des Einreißens der Gefäßwand (Ruptur) oder der Ablagerung von geronnenem Blut im Aneurysma und anschließender Ablösung (Embolie) vor allem Erweiterungen der

  • Brust- und Bauchschlagader (Aorta),
  • der Beckenarterien und
  • der Kniekehlenarterien.

Im Vergleich zur Arteriosklerose seltene Ursachen von arteriellen Gefäßerkrankungen sind:

  • Embolien
  • Gefäßverletzungen,
  • Bestrahlungsfolgen und
  • entzündliche Gefäßerkrankungen (Vaskulitiden).

Eine Sonderform der entzündlichen Gefäßerkrankungen ist die Thrombangiitis obliterans, die im Krankheitsverlauf meist in eine Arteriosklerose übergeht.

"Funktionelle Durchblutungsstörungen" sind nicht Folge eines strukturellen Gefäßschadens (also Stenose oder Verschluss) sondern Folge einer aus verschiedenen Gründen fehlerhaften Steuerung des Gefäßsystems. Typische Krankheitsbilder sind:

Raynaud-Symptome können aber auch bei systemischen Erkrankungen auftreten im Sinne einer Begleitvaskulitis, wie zum Beispiel bei Lupus erythematodes oder Sklerodermie. Die Einnahme von ergotaminhaltigen Medikamenten, die bei manchen Migräneformen eingesetzt werden, können vor allem bei Überdosierung zu einem ausgeprägten Spasmus der arteriellen Gefäße führen, was irreversible Schäden zur Folge haben kann.

Das diabetische Fußsyndrom ist nur zum Teil Folge einer gestörten Durchblutung. Vor allem wird er durch Nervenschäden und Schäden am Fußskelett hervorgerufen. Das Mal perforans bezeichnet dabei eine Sonderform an der Fußsohle unter den Zehengrundgelenken.

Erkrankungen der Venen

Häufige und nicht nur für den Einzelnen sondern auch volkswirtschaftlich bedeutsame venöse Erkrankungen sind:

  • das primäre Krampfaderleiden (primäre Varikose), das zu ca. 70% vererbt wird,
  • die chronische venöse Insuffizienz bei angeborener Schwäche des tiefen Leitvenensystems und
  • die Venenthrombose (Thrombose) mit der Folge:

Als Folge von Krampfadern oder auch als äußeres Zeichen einer anderen zugrundeliegenden Erkrankung kann es zur Entzündung und Gerinnselbildung in oberflächlichen Hautvenen kommen, was als Thrombophlebitis bezeichnet wird.

Erkrankungen der Lymphgefäße

Im wesentlichen muss zwischen einem primären und einem sekundären Lymphödem unterschieden werden. Das primäre Lymphödem ist Folge einer vererbten Schwäche oder Nichtanlage (Atresie) der Lymphbahnen und manifestiert sich meist im dritten bis vierten Lebensjahrzehnt, während das sekundäre Lymphödem Folge einer anderen Erkrankung ist, die auch den Lymphabfluss schädigt. Ein nicht mehr reversibles und massiv ausgeprägtes Lymphödem wird als Elefantiasis bezeichnet. Lymphangitis und Erysipel sind relativ häufige entzündliche Erkrankungen der Lymphgefäße..

Untersuchungsmethoden

Die körperliche Untersuchung konzentriert sich je nach Anamnese und Beschwerdebild auf die Inspektion von Venen, Lymphgefäßen und Gewebsdurchblutung sowie das Ertasten der Pulse in den betroffenen Körperregionen.

Bei den meisten Durchblutungsstörungen und Venenerkrankungen erlaubt eine Ultraschalluntersuchung der Arterien oder Venen, ggf. inklusive Doppler und Farbdoppler, bereits eine zuverlässige Diagnose und Planung der Therapie. In Zweifelsfällen und vor geplanten Operationen ist in einigen Fällen eine weitere bildgebende Diagnostik sinnvoll. Je nach Fragestellung kommen dafür Röntgenuntersuchungen mit Kontrastmittel (Angiografie, Phlebografie oder Computertomografie) und die Magnetresonanztomografie ("Angio-MRT") in Frage.

Für spezielle angiologische Fragestellungen werden Plethysmografie, Kapillarmikroskopie und Lichtreflexionsrheografie eingesetzt.

Literatur

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  • Hans Christoph Diener: Schlaganfall. 100 Fragen und 100 Antworten. Thieme, Stuttgart 2002. ISBN 3-13-132961-0
  • Ernst Pilger: Arterielle Gefäßerkrankungen. Standards in Klinik, Diagnostik und Therapie. Thieme, Stuttgart 2002. ISBN 3-13-130631-9
  • Franz Aichner: Atherothrombose. Ein interdisziplinärer Leitfaden für Grundlagen, Klinik und Management. Thieme, Stuttgart 2002. ISBN 3-13-129861-8
  • Edward I. Bluth, Peter H. Arger, Carol B. Benson, Philip W. Ralls: Ultrasonography in Vascular Diseases. A Practical Approach to Clinical Problems. Thieme, New York 2003. ISBN 3-13-129141-9
  • Bettina Kemkes-Matthes, Gerd Oehler: Blutgerinnung und Thrombose. Thieme, Stuttgart 2001. ISBN 3-13-104822-0
  • Kurt Huck: Kursbuch Dopplersonographie und Duplexsonographie. Nach den Richtlinien der DEGUM und der KBV. Thieme, Stuttgart 2001. ISBN 3-13-115371-7
  • Manfrted Kaps, Gerhard-Michael von Reutern, Hans J von Büdingen: Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Arterien. Thieme, Stuttgart 2000. ISBN 3-13-731403-8
  • Hans-Wolfgang Menges, Hubert Mörl: Gefäßkrankheiten in der Praxis. Thieme, Stuttgart 2000. ISBN 3-13-114657-5
  • Horst-E Gerlach, Eberhard Rabe: Praktische Phlebologie. Empfehlungen zur differenzierten Diagnostik und Therapie phlebologischer Krankheitsbilder. Thieme, Stuttgart 2000. ISBN 3-13-119231-3
  • Doris Neuerburg-Heusler, Michael G. Hennerici: Gefäßdiagnostik mit Ultraschall Lehrbuch und Atlas. Thieme, Stuttgart 1999. ISBN 3-13-707503-3
  • Malte Ludwig: Angiologie in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart 1998. ISBN 3-13-110191-1
  • Alexander Sturm, Jürgen Chr Reidemeister: Checkliste Angiologie, Hypertonie, Hypotonie. Thieme, Stuttgart 1998. ISBN 3-13-617803-3
  • Bruce A. Perler, Gary J. Becker: Vascular Intervention. Thieme, New York 1998. ISBN 3-13-108041-8
  • Dieter Liermann, Johannes Kirchner: Angiographische Diagnostik und Therapie. Thieme, Stuttgart 1997. ISBN 3-13-108311-5

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