Anita - Tänze des Lasters

Anita - Tänze des Lasters
Filmdaten
Originaltitel: Anita - Tänze des Lasters
Produktionsland: Bundesrepublik Deutschland
Erscheinungsjahr: 1988
Länge: 89 Minuten
Originalsprache: deutsch
Altersfreigabe: FSK 16
Stab
Regie: Rosa von Praunheim
Drehbuch: Rosa von Praunheim, Lotti Huber, Hannelene Limpach, Marianne Enzensberger
Produktion: Rosa von Praunheim, Road Movies/ZDF
Musik: Konrad Elfers, Rainer Rubbert, Alan Marks, Ed Lieber
Kamera: Elfi Mikesch (Farbe/s-w)
Besetzung
  • Lotti Huber: Anita Berber alias Frau Kutowski
  • Ina Blum: Anita Berber als junge Frau, Schwester in der Psychiatrie
  • Mikael Honesseaau: Tänzer
  • Hannelene Limpach: Psychiaterin
  • Michael Morris
  • Tillmann Lehnert
  • Marion Kutschke
  • Friedrich Steinhauer: Patient
  • Eva Maria Kurz: Patientin
  • Rainer Kranich
  • Bernd Henckels
  • Helge Musial

Anita - Tänze des Lasters ist ein deutscher Spielfilm von Rosa von Praunheim aus dem Jahre 1988.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Eine alte Frau beschwört in verklärten Bildern noch einmal ihr bewegtes Leben als große Tänzerin der Stummfilmzeit herauf, ehe sich ihre Vita als bis zum Wahnsinn gesteigerter Wunschtraum entpuppt. Anita Berber war in den 1920er Jahren Nackttänzerin und Stummfilmdiva, eine „kokainschnüffelnde Galionsfigur der prassenden Dekadenz-Gesellschaft.“ (Ponkie) Der Film Rosa von Praunheims zeigt die Gegenwart (in schwarz-weiß) im Schnitt gegen die Stummfilm-Visionen mit Zwischentiteln (in Farbe): Eine geistesgestörte Alte - gespielt von Lotti Huber als brilliant komische Knalltüte mit frechem Witz und dreister Lebenswut - entblößt auf der Straße ihr Hinterteil und behauptet, Anita Berber zu sein; „Wer A sagt, muss auch -rsch sagen!“ Wer -rsch sagt, landet jedoch in der Klapsmühle. Den Alltag in der Irrenanstalt meistert sie mit unverschämten Anarcho-Sprüchen, und dazwischen wähnt sie sich als Jungteufelin Anita - dargestellt von Ina Blum - in einer Otto Dix und George Grosz- Bildern nachempfundenen Szenerie verfaulter Sabber-Voyeure aus alten Giftschrank-Stummfilmen. Mit dem Tänzer Mikael Honesseaau als Lasterpartner windet sich "Anita" Blum in Verkommenheits-Ekstasen nach Art expressionistischer Malerei

Die Uraufführung erlebte der Film am 19. Februar 1988 in der Reihe Panorma im Wettbewerb der Berlinale 1988; der Kinostart war am 25. Februar.

Kritiken

Ponkie schrieb in der AZ: „Unter Rosa von Praunheims Film-Kuriositäten aus den Kellerlöchern der bürgerlichen Schmutzfinkphantasie (Unsere Leiche leben noch), Horror Vacui) ist dieses tolldreiste Lustobjekt ein besonders gelungenes Exemplar. Die mit hohem stilistischen Raffinement ineinander verschränkten Lebensläufe zweier Zeitgenossinnen fügen sich zu einem virtuos exzentrischen Lastertraum: Ein Stummfilm-Kunstporno als Schauergroteske und Zeit-Psychogramm. (...) Die Anita-Irre ist zwar eine Luxuszicke ohne soziales Gewissen, aber ihre Gier nach exzessiven Leben hat Format: Noch vom Leichentisch schreit die Alte nach einem Taxi. Suff, Drogen, Syphilis und Sado-Sex, totaler Genuss und totaler Ruin: Ein Gruselkabinett voll Komik und Magie.“

Ulrich Behrens schrieb in Filmzentrale:„Anita – Tänze des Lasters spielt mit der Verwechslung, Identifizierung und der Distanzierung der Grauen – folgerichtig auch in Schwarz-Weiß, vor allem Grau gefilmten – Gegenwart gegen die bunte, lasterhafte Vergangenheit. Neben einer, die sich für Rosa Luxemburg hält (Eva-Maria Kurz), einem religiös-fanatischen Patienten (Friedrich Steinhauer) und etlichen anderen gibt Frau Kutowski/Berber jedoch nicht etwa auf. Nein, sie reimt, schreit, lacht, und dreht den Ärzten und Psychologen, Schwestern und Pflegern das Wort im Mund herum, damit es passt – zu ihrer Situation. Und uns passt das auch vorzüglich. Letztlich ist es völlig gleichgültig, ob sie nun die Kutowski ist oder die Berber – oder die Huber. Sie lebt als Anita. Und Rosa von Praunheim wechselt zwischen dem eintönigen Grau der psychiatrischen Gegenwart und dem farbenprallen erinnerten Vergangenen der 20er Jahre. „Anita – Tänze des Lasters” ist auch die Lebensgeschichte der Anita Berber, die 1916, mitten im ersten Weltkrieg, ihre kurze Karriere als femme fatale und Tänzerin begann. (...)

Anita Berber. Briefmarke 1991 nach dem „Bildnis der Tänzerin Anita Berber 1925“ Otto Dix, Kunstmuseum Stuttgart

Wechsel in die Psychiatrie: Lotti Huber alias Frau Kutowski alias Anita wird zur Psychiaterin (Hannelene Limpach) gebracht und wundert sich über die gähnende Leere des Raums, die Trostlosigkeit, die hier herrscht. Die Psychiaterin hat keine Chance bei Frau Kutowski. Irgendwann sitzt letztere auf dem Schoß der Ärztin und sagt: „Fummel doch nicht immer an meiner Seele herum. Fummel doch mal an was anderem rum.” Lotti Hubers Frau Kutowski füllt jeden Raum in dieser Psychiatrie mit Leben, mit Anzüglichem, ja mit Erotischem, mit Zynischem und Enthüllendem, mit Lebensfreude, etwa wenn sie ihre Mit-Patienten zum Tanz auffordert und sie ihr folgen. Frau Kutowski nimmt Raum, und als die Ärzte am Schluss denken, sie sei gestorben, ist dies auch nur ein Treppenwitz. Sie fällt in Ohnmacht, als die Schwester (ebenfalls gespielt von Ina Blum) sie fragt, warum sie ausgerechnet Anita Berber sein wolle – und nicht Inge Meysel. Und dann steht diese Frau, Anita-Lotti-Kutowski wieder auf und geht hinaus aus der Anstalt.“

Quelle

Lotti Huber 1992
  • Lothar R. Just: Film-Jahrbuch 1989. Heyne, München, 1990 ISBN 3-453-03012-5

Weblinks


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