Käthchen von Heilbronn

Käthchen von Heilbronn
Erstdruck 1810

Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe (1807–08) ist ein großes historisches Ritterschauspiel in fünf Akten von Heinrich von Kleist (1777–1811). Es wurde am 17. März 1810 in Wien am Theater an der Wien uraufgeführt. Die Handlung spielt in Schwaben, u.a. auf der Schriesheimer Strahlenburg.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Vor dem Femegericht klagt der Waffenschmied Theobald Friedeborn den Grafen vom Strahl an, seine Tochter Katharine mit Hilfe der Magie entführt zu haben. Denn nachdem der Graf seinen Harnisch in Theobalds Schmiede hatte richten lassen, hatte sich das Mädchen aus dem Fenster gestürzt und war ihm gefolgt, sobald ihre Knochenbrüche verheilt waren. Es stellt sich aber heraus, dass sie ihm freiwillig gefolgt ist.

Graf vom Strahl befreit Kunigunde von Thurneck und glaubt, in ihr die Kaisertochter zu erkennen, die ihm ein Traum als Ehefrau angekündigt hatte. Diese ist jedoch auf seine Ländereien aus und nutzt die Gunst der Stunde, um nicht auf kriegerische Weise, sondern durch Heirat an ihr Ziel zu gelangen. Der ehemalige Verlobte Kunigundes erfährt von ihren Heiratsabsichten und greift erzürnt Burg Thurneck an, wobei diese in Brand gerät. Kunigunde, beunruhigt durch die Sorge des Grafen vom Strahl um Käthchen, bittet diese, etwas aus den Flammen zu retten. Sie hofft, das Mädchen damit in den sicheren Tod zu schicken. Ein Cherub aber kommt ihr zur Hilfe. Graf vom Strahl erkennt die Intrige und entdeckt, dass Käthchen die Tochter des Kaisers ist, der bei einem Besuch in Heilbronn mit der Frau des Waffenschmieds geschlafen hatte. Käthchen und Graf vom Strahl heiraten und nehmen den alten Theobald in ihrer Burg auf.

Historische Vorlagen

Kleist selbst bezeugte den fiktiven Inhalt seines Stückes. Insofern gibt es keine gesicherten historischen Vorlagen, sondern es kann höchstens erwogen werden, wodurch Kleist zur Ausgestaltung des Stückes angeregt wurde.

Der Oldenburger Germanist Dirk Grathoff († 2000) hat drei Einflußstränge aus den zahlreichen Untersuchungen herausdestilliert: 1. gattungsgeschichtliche (das Ritterdrama), 2. stoffgeschichtliche (Märchen, volkstümliche Dichtung), 3. motivgeschichtliche (Doppeltraum bei Christoph Martin Wieland, Somnambulismus). "Ironisch zugespitzt könnte man sagen, daß nahezu die gesamte Weltliteratur herbeizitiert wurde, um stoff- oder motivgeschichtliche Bezüge zum 'Käthchen' herzustellen." (Grathoff 1977)

Die älteste Überlieferung (Bülow, 1848) nennt als "Ur-Käthchen" keine Heilbronnerin, sondern die Dresdenerin Julie Kunze. In der Heilbronner Lokalgeschichtsschreibung galt zeitweise Lisette Kornacher (1773–1858), Patientin des im Tierischen Magnetismus mit Hypnose arbeitenden Arztes Eberhard Gmelin als Vorbild von Kleists Käthchen, da Kleist ihre Krankengeschichte 1807 gehört haben könnte. Neuere lokale Forschungen konzentrierten sich auf eine weitere Patientin Gmelins, die Heilbronner Kaufmannstochter Charlotte Elisabethe Zobel (1774–1806). Andere Forscher vertreten die Ansicht, dass Kleist bei der Ausgestaltung der Käthchenfigur von überhaupt keiner Heilbronnerin, sondern von einer Stuttgarter Bürgertochter inspiriert war.

Auch das Käthchenhaus in Heilbronn, ein spätmittelalterliches, steinernes Gebäude am Marktplatz, erhielt seine Bezeichnung erst nach Veröffentlichung des Schauspiels und bildet keinen geschichtlichen Hintergrund für Kleists Werk.

Bühnenschicksal

Wie kaum ein Theaterstück wurde das Werk immer wieder bearbeitet, um es "theaterfähig" zu machen, wobei ein zentraler Stein des Anstoßes war, dass Käthchen das uneheliche Kind des Kaisers war, ihr vermeintlicher Vater damit ein gehörnter Ehemann.

Zu den Bühnenfassungen des 19. Jahrhunderts gehören die von Franz von Holbein (1822), Eduard Devrient (1852), Heinrich Laube (1857), die des Meininger Hoftheaters (1879), die von Karl Siegen (1890) sowie die Fassung für das Papiertheater von Inno Tallavania (1900).

Käthchen-Brunnenfigur (1965) von Dieter Läpple in Heilbronn
Relief am Heinrich von Kleist-Denkmal in Frankfurt (Oder) von 1910.

Zeugnisse der Wirkungsgeschichte

Der hohe Bekanntheitsgrad des Stückes im 19. Jahrhundert hat zu verschiedenartigsten Formen der Wirkung geführt: Von Sammelbildchen (Liebigs Fleischextrakt) bis hin zu Kolportageromanen wie dem von Robert Frankenburg mit über 3.000 Seiten und 100 ganzseitigen Abbildungen, der die Geschichte des angeblichen Heilbronner Bürgermädchens, das in Wahrheit die Tochter des Kaisers ist, um die Geschichte der verfeindeten Familien Rossitz und Warwand (Kleist, Die Familie Schroffenstein) und weitere, bisher nicht entschlüsselte Literaturversatzstücke erweitert.

Gerade die zahlreichen und zum Teil in hohen Auflagen erschienenen volkstümlichen Bearbeitungen und Nacherzählungen des Käthchen-Stoffes sind bis heute noch unerforscht, weil sich in der Regel Bibliotheken um solche "minderwertigen" Produkte nicht gekümmert haben.

Opernbearbeitungen

Eine weitere Schiene der Wirkungsgeschichte vollzieht sich auf der Opernbühne. Bis heute sind insgesamt acht Käthchen-Opern entstanden, meist von weniger bekannten Komponisten.

Die Vertonung durch Carl Martin Reinthaler (1822–1896), die nach ihrer Uraufführung 1881 in Frankfurt a.M. an den großen deutschen Opernhäusern gespielt wurde, gelangt am 21. März 2009 am Theater Erfurt zur Wiederaufführung.

Literatur

Vorbemerkung: Die Literatur zu Heinrich von Kleist und seinen Stücken, darunter das "Käthchen von Heilbronn", ist unübersehbar. Sie wird ab Berichtszeit 1990 in der von Günther Emig bearbeiteten Kleist-Bibliographie nachgewiesen, die in den Heilbronner Kleist-Blättern erscheint. Eine retrospektive Bibliographie (bis 1990) erschien 2007.

  • Kaharine Weder: Kleists magnetische Poesie. Experimente des Mesmerismus. Göttingen 2008, S. 158-205.
  • Barbara Wilk-Mincu: „Als ob der Himmel von Schwaben sie erzeugt“. Kleists „Käthchen von Heilbronn“ in der bildenden Kunst. In: Heilbronner Kleist-Blätter 17. 2005.
  • Nanna Koch: Zwischen hagiographischer Stilisierung und Illusionsbrechung. In: Heilbronner Kleist-Blätter 18. 2006 (über die Opern-Bearbeitungen)
  • Günther Emig: Kleists "Käthchen" - neue "Lebensspuren". In: Heilbronner Kleist-Blätter 8. 2000 (neue Funde zur Uraufführung)
  • Friedrich Röbbeling: Kleists "Käthchen von Heilbronn" 1913. Reprint 2005 (Heilbronner Kleist-Reprints)
  • Reinhold Stolze: Kleists "Käthchen von Heilbronn" auf der deutschen Bühne. 1923. Reprint 2004 (Heilbronner Kleist-Reprints)
  • Lothar Schirmer: "Der Liebe Kranz aus funkelnden Gestirnen, da wir erst wurden, schon geflochten ward". Kleists "Käthchen von Heilbronn" auf Berliner Bühnen. In: Heilbronner Kleist-Blätter 11. 2001 (von 1824 bis zur Gegenwart)
  • Lothar Heinle: Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbronn" auf der Opernbühne. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte. Heilbronn 1994.
  • Günther Emig: Die Käthchen-Festspiele 1952 im Deutschhof in Heilbronn. Eine Dokumentation. Heilbronn 2005. (Käthchen in Heilbronn. Band 2)
  • Richard Stecher: Erläuterungen zu Kleists "Käthchen von Heilbronn". 1901. Reprint 2005. (Käthchen-Bibliothek)
  • Erstdruck: H. von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe / ein großes historisches Ritterschauspiel. Aufgeführt auf dem Theater an der Wien den 17., 18. und 19. März 1810. Berlin: Realschulbuchhandlung 1810, 198 S. - Reprint 2002 (Die Käthchen-Bibliothek. Band 1)
  • Dirk Grathoff: Heinrich von Kleist, Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Erläuterungen und Dokumente, Reclam, Stuttgart, 1977, ISBN 3-15-008139-4 (Universal-Bibliothek Nr. 8139 [2])
  • Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe, Reclam, Stuttgart, 1983, ISBN 3-15-000040-8 (Universal-Bibliothek Nr. 40)

Verfilmungen

Weblinks


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