Künstliches Koma

Künstliches Koma
Klassifikation nach ICD-10
R40.2 Koma, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

In der Medizin ist ein voll ausgeprägtes Koma (griechisch κῶμα, „tiefer Schlaf“) die schwerste Form einer quantitativen Bewusstseinsstörung. In diesem Zustand kann das Individuum auch durch starke äußere Stimuli wie wiederholte Schmerzreize nicht geweckt werden.

Das Koma ist somit ein Symptom (Krankheitszeichen) und keine Krankheit. In der internationalen Klassifikation der Gesundheitsstörungen (ICD-10) wurde es daher in die Rubrik „R“ (Symptome und Befunde) eingeordnet (R40.2). Das Koma ist Ausdruck einer schweren Störung der Großhirnfunktion und zumeist lebensbedrohend. Die weitere Entwicklung des Komatösen (Prognose) ist von der zugrunde liegenden Erkrankung und medizinischen Versorgung abhängig.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Primäre Gehirn-Erkrankungen

  • Schlaganfall (Gefäßverschluss oder Blutung)
    • plötzliches Ereignis, Koma überwiegend bei Hirnstammschädigung
    • Hirnblutungen können zur Bewusstlosigkeit führen, wenn sie den Hirnstamm direkt, oder über eine generelle Druckerhöhung im Schädel schädigen.
  • Schädelhirntrauma
    • Koma besonders bei Hirnstammschädigung
  • Meningitis / Enzephalitis
    • entzündliche Erkrankung meist mit hohem Fieber
    • Entwicklung eines Komas meist über Stunden
  • epileptischer Anfall
    • plötzliches Ereignis, meist spontane Erholung
  • Hirntumor
    • langsame Entwicklung – Koma meist durch Hirndruck

Stoffwechselstörung – metabolisches Koma

Vergiftungen

  • als Unfall (akzidentell)
  • durch Drogen (z. B. Alkohol, Rauschmittel)
  • medizinisch erwünschte (Sedierung, Narkose, künstliches Koma)

Sofortmaßnahmen

Rettungskette befolgen:

Komatiefe

Die Einteilung erfolgt nach klinischen Gesichtspunkten, also entsprechend der Reaktion auf bestimmte Reize. Je nach verwendeter Klassifikation werden zumeist drei bis vier Grade unterschieden:

  1. Grad – gezielte Abwehr auf Schmerz, Pupillenbewegung intakt, Augenbewegung bei Reizung des Gleichgewichtsorgans (vestibulo-okulärer Reflex) intakt
  2. Grad – ungerichtete Abwehr auf Schmerz, Massenbewegungen, Außenschielen (divergente Bulbi)
  3. Grad – keine Abwehr, nur noch Fluchtreflexe, vestibulo-okulärer Reflex fehlt, Pupillenreaktion abgeschwächt
  4. Grad – keine Schmerzreaktion, keine Pupillenreaktion, Ausfall weiterer Schutzreflexe

In der Notfallmedizin etabliert ist die Glasgow-Koma-Skala – die auch als Entscheidungshilfe z. B. für Beatmung herangezogen wird. Sie umfasst auch leichtere Bewusstseinsstörungen.

Abgeleitete Begriffe

„Künstliches Koma“, „künstlicher Tiefschlaf“

Diese Begriffe bezeichnen eine medikamentös herbeigeführte Bewusstseinsminderung. Treffender sind die Begriff Sedierung oder Narkose, denn ein Koma ist primär ein ungeregelter Bewusstseinsverlust. Sedierung ist dagegen ein kontrollierter Zustand. Patienten, die in schwierigen Phasen einer Intensivbehandlung betäubt werden, erhalten zu diesem Zweck Medikamente in wirkungsabhängiger Dosierung. Dabei werden, meist in Kombination, Medikamente mit verschiedener Wirkung eingesetzt: Schlaf- und Beruhigungsmittel (Sedativa, Hypnotika, etwa Benzodiazepine oder Propofol), Schmerzmittel (Opioidanalgetika), andere Narkotika sowie Psychopharmaka. Auch beatmete Patienten werden manchmal nicht die ganze Zeit in Narkose gehalten, wenn möglich nur sediert.

Durch Beobachtung, Patientenbefragungen und technische Überwachungs- und Untersuchungsmethoden ist das Bild immer differenzierter geworden, welche Leistungen des Gehirns während einer Narkose, gerade auch Dauernarkose, herabgesetzt werden: Wachheit (Vigilanz), Stress, Schmerzempfindung, Angst, motorische Reaktion, Erinnerung. Die meisten eingesetzten Medikamente beeinflussen mehrere Hirnleistungen, mit unterschiedlichem Schwergewicht.

Dabei gibt es nicht nur Unterschiede von Medikament zu Medikament, sondern auch in der Wirkung desselben Medikamentes auf verschiedene Patienten. So kann ein gut sedierter, aber durchaus nicht komatöser Patient bei Behandlungsmaßnahmen kooperieren, ohne sich anschließend an irgendetwas zu erinnern (Amnesie), ein bewegungslos und ohne vegetative Stresszeichen im Bett liegender Patient sich nachher an zahlreiche Einzelheiten erinnern, ein dritter trotz hoher Dosen an Beruhigungs- und Schmerzmitteln zwar nicht ansprechbar, aber motorisch unruhig sein.

Wachkoma

Hierbei handelt es sich um eine schwere Hirnschädigung, bei der die Funktion des Großhirns erloschen ist. Daher wird sie auch als apallisches Syndrom („ohne Hirnrinde“) bezeichnet. Das Leben wird durch die Funktionen des Hirnstamms aufrechterhalten. Als Folge werden die Betroffenen zwar wach, erlangen aber mangels kognitiver Funktionen nicht das Bewusstsein und können in keinerlei Kontakt mit der Umwelt treten (weder aktiv noch passiv). Fachlich exakt wird das Wachkoma als persistierender vegetativer Status (PVS) bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Stöhr, Thomas Brandt, Karl M. Einhäupl: Neurologische Syndrome in der Intensivmedizin. Kohlhammer, 1998, ISBN 3-17-014557-6
  • Wolfgang J. Bock, Christel Bienstein: Bewusstlos, eine Herausforderung für Angehörige, Pflegende und Ärzte, Verlag Selbstbestimmtes Leben, Düsseldorf, 1994, 2. Auflage, ISBN 3-910095-20-8
  • C. Greif: Philipp, 9 Jahre Unfallopfer. Kampf um ein Kind, Roman, C. H. Beck Verlag, München, 1998, ISBN 3-406-37477-8
  • E. Goshen-Gottstein: Rufe ins Schweigen, Roman, Bastei-Lübbe-Taschenbuch, 1993, ISBN 3-404-61257-4

Bis auf den Grund des Ozeans von Julia Tavalaro, Richard Tayson, und Michaela Link von Herder, Freiburg

Weblinks

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