Laimbauer

Laimbauer
Hinrichtung des Martin Aichinger, genannt Laimbauer und weiteren sechs Anführern am Linzer Hauptplatz (Zeichnung von Wenzel Hollar)
Hinrichtung des Martin Aichinger, genannt Laimbauer - Zinnfigurendiorama aus dem Peuerbacher Bauernkriegsmuseum

Martin Aichinger (vulgo Laimbauer) (* um 1592 in Steining, Luftenberg an der Donau; † 20. Juni 1636 in Linz) war ein protestantischer Prädikant, Mystiker und Bauernkriegsführer der sogenannten Machländischen Bauernbewegung an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Martin Aichinger führte von 1632 bis 1636 einen protestantisch und sozial motivierten regionalen Volksaufstand in der Riedmark an. Etwa 300 Aufständische unter der Führung von Martin Aichinger wurden durch Truppen der Oberösterreichischen Stände bei der Kirche auf dem Frankenberg, Gemeindegebiet Langenstein, eingekesselt und großteils niedergemacht. Martin Aichinger und seine engsten Getreuen wurden darauf hin am 20. Juni 1636 auf dem Hauptplatz der Stadt Linz an der Donau in einer groß angelegten öffentlichen Hinrichtung enthauptet und gevierteilt.

Kult und theologisches Konzept

Martin Aichinger wurde nach dem Ende der Großen Bauernkriege um 1626 als Protestant von seinem Hof - dem ehemaligen Laimbauerngut - in der Ortschaft Steining in der damaligen Herrschaft Luftenberg vertrieben und entwickelte ein eigenes theologisches Modell in welchem einander der Geist des frühen Mittelalters, magische Traditionen, urtümliche Volksüberlieferung und puritanisches Christentum in schamanistischer Weise durchdrungen haben. Nach eigenen Angaben erhielt er zuerst durch einen Engel und später durch Gott-Vater selbst den Auftrag, die zu seiner Zeit bereits wieder zu einem guten Teil rekatholisierten Bauern wieder zu bekehren und für den Protestantismus zurückzugewinnen.

Martin Aichinger erfuhr sich in seinen Offenbarungen und mystischen Erfahrungen sieben mal über den Wolken, wo Gott Vater zu ihm herabgesprochen und ihm Aufträge erteilt habe und sieben mal am Himmelstor, als er die Seelen Verstorbener in ihre jenseitigen Aufenthaltsorte begleitete. Seinen Anhängern gab er zu verstehen: Merket Euch wohl, dass ich dazu verwendet bin, die Seelen in den Himmel zu führen oder in die Hölle zu schmeißen.

Aichinger reichte den Teilnehmern seiner religiösen Versammlungen geweihtes Wasser wie in einem Sakrament zum Trinken oder markierte zum Schutz seiner Anhänger Zauberkreise mit geweihtem Wasser an den Versammlungsorten oder Lagerstätten. Aichinger verfasste für diese Zusammenkünfte auch eigene Liedertexte, wobei die folgende, endzeitliche Strophe zu einer der meistgesungensten zählte: Herzlich tut mich verlangen nach einem seligen End, weil ich bin umfangen von Trübsal und Elend. Von seinen Anhängern wurde Aichinger auch als Prophet und Zauberer wahrgenommen. Die heiligen Zahlen des Laimbauer waren: 3, 7, 12 und 30.

Der Laimbauer predigte im Frühjahr 1632 zuerst in geheimen Versammlungen im Raum Freistadt und mahnte seine Landsleute angesichts des bald erwarteten jüngsten Gerichtes zu einem sittenstrengen Leben, einer gewissenhaften Kindererziehung und zu einer verantwortungsvollen Wirtschaftsführung. Ab 1635 führte Aichinger mit seinen Anhängern aus dem Raum Freistadt kommend offene rituelle Prozessionen mit bis zu 700 Teilnehmern quer durch die Riedmark in den Raum Luftenberg und St. Georgen/Gusen durch.

Diesen, durch Trommelschlag, Pfeifen und Geigenmusik begleiteten Prozessionen, schritten bis zu 60 mit Feuerwaffen ausgestattete Getreue mit einer wimpelartigen Sturmfahne voran. Dann folgte der Laimbauer in Grün gekleidet mit einem weißen Hut mit roter Feder und seinem eigene quadratischen Feldzeichen. Hinter ihm seine weiteren Anhänger. Sowohl die Sturmfahne als auch sein Feldzeichen waren mit kosmischen Sonnen- und Sternsymbolen, magischen Zahlen- und Buchstabenkombinationen und dem Fahnenspruch DAS WALT GOTT VATER, SOHN, HEILIGER GEIST, DER UNS DEN WEG ZUM HIMMEL WEIST. ausgestattet.

Vernichtung der machländischen Bauernbewegung

Bereits am 22. Oktober 1632 beauftragte der Hauptmann des Landes ob der Enns den Bürgermeister und den Rat der Stadt Freistadt, dem Laimbauern habhaft zu werden und ihn nach Linz zubringen, was nicht gelang, weil Martin Aichinger spurlos verschwunden war.

Als Aichinger zu Georgi 1635 eine seiner Prozessionen durchführte und er am 27. April 1635 bei Gusen von den landständischen Truppen militärisch angegriffen wurde, konnte er diese mit seinen Getreuen und Gottes Hilfe ein erstes mal abwehren und mit seinem Gefolge untertauchen. Um Martini 1635 zog Aichinger mit einigen Getreuen zum Trotz seiner Verfolger geisterartig in weißen Gewändern und mit seinem Feldzeichen durch die Nächte.

Diese Mauer der ehemaligen Kirche auf dem Frankenberg ist Teil eines Denkmales für die niedergemetzelten Anhänger des "Laimbauern".

Als Aichinger zu Pfingsten 1636 eine weitere, offene Prozession durchführte mobilisierten die Landstände ein Heer von 2700 Soldaten gegen Aichingers machländische Bauernbewegung, dessen Vorhut Aichinger bei Neumarkt im Mühlkreis erneut schlagen konnte. 2 Tage später konnte Aichinger bei Gusen einen weiteren Angriff der landständischen Truppen erfolgreich abwehren. Darauf hin zog Aichinger sich mit Gottvertrauen und etwa 300 Getreuen, Frauen und Kindern in den Weiler auf dem Frankenberg (heute Gemeinde Langenstein) zurück und hisste auf dem Turm der damals bereits sehr baufälligen Kirche auf dem Frankenberg eine seiner weißen Fahnen.

Aichinger und seine Getreuen glaubten dort auch fest an die Unterstützung durch ein mythisches Heer von 60.000 Soldaten unter Führung von Kaiser Friedrich Barbarossa, als der Hauptmann des Landes ob der Enns, Graf Kuefstein, am späten Nachmittag des Pfingstmontags 1636 seinem Kommandanten, Graf Kaspar von Starhemberg, den Befehl zum Angriff gab.

Die sogenannte Schlacht auf dem Frankenberg dauerte etwa 3 Stunden und konnte durch die landständischen Truppen nur gewonnen werden, weil Graf Kuefstein alle Häuser der Ortschaft Frankenberg niederbrennen ließ und schließlich auch die Kirche auf dem Frankenberg, in welche sich Laimbauer und seine Anhänger geflüchtet hatten, ebenfalls niederbrannte. Darauf hin erfolgte ein in der österreichischen Geschichte beispielloses Gemetzel, in dem bei der Kirche auf dem Frankenberg bis zehn Uhr abends nahezu alle Getreuen des Laimbauer einschließlich Frauen und Kinder getötet wurden.

Die wenigen, vom Scharfrichter von Linz in den Leichenhaufen bei der Kirche gefundenen Überlebenden wurden wie Vieh nach Linz getrieben wo über Martin Aichinger ein Schauprozess eröffnet wurde. Laimbauer, sein vierjähriger Sohn und sechs seiner Getreuen wurden in einer groß angelegten öffentlichen Hinrichtung auf dem Linzer Hauptplatz zuerst mit glühenden Zangen gezwickt, dann enthauptet, gevierteilt und die Leibesviertel zu Abschreckung öffentlich aufgesteckt.

Ein prominenter Zeuge dieser brutalen Hinrichtung war der durchreisende, englische Diplomat Thomas Howard Earl of Arundel, dem ein authentischer Reisebericht mit einem Kupferstich zu dieser Hinrichtung zu verdanken ist. Die beiden erhalten gebliebenen Fahnen des Laimbauer zählen zu den bedeutenden Relikten aus den Oberösterreichischen Bauernkriegen im Oberösterreichischen Landesmuseum. Auch eine erhalten gebliebene Mauer der ehemaligen Kirche auf dem Frankenberg ist dem Gedenken an die brutale Vernichtung der Anhänger Martin Aichingers gewidmet. Dieser Mauerrest wurde im Jahre 1978 durch den Service-Club Round Table 2 Linz in das Bauernkriegsdenkmal Frankenberg eingebunden.

Eingang in die Blut und Boden Literatur

Bemerkenswert ist auch, dass der Linzer Realschüler Adolf Hitler sich um 1903 mehrere Tage in St. Georgen/Gusen einquartierte, um auf eigene Faust ferne Erinnerungen an diese Schlacht in der lokalen Bevölkerung zu erforschen.[1]

Der in St. Georgen wirkende Lehrer Eduard Munninger verarbeitete um 1935 diese Tragödie auch im Roman Die Beichte des Ambros Hannsen[2], wofür dieser im Jahre 1937 den Deutschen Literaturpreis erhielt.

Literatur

  • Ernst Burgstaller: Der letzte Oberösterreichische Bauernkrieg (1632-1634) in historischer und volkskundlicher Sicht. In: Memoriam Antonio Jorge Dias. Separata do Vol. II. Lisboa, 1974. S. 79-101
  • Ernst Burgstaller: Der Laimbauer. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, S. 418 f.
  • Ernst Burgstaller: Martin Laimbauer und seine machländische Bauernbewegung 1632-1636. In: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1973. Verlag Anton Schroll & Co, Wien 1974. ISBN 3-7031-0395-7. S. 3-30
  • Round Table 2 Linz. Bauernkriegsdenkmal Frankenberg. Festschrift zum Serviceprojekt des Round Table 2. Linz, 1978
  • Franz Wilflingseder: Martin Laimbauer und die Unruhen im Machlandviertel 1632 bis 1636. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 6 (1959), 136-208 ISSN 0259-4145

Einzelnachweise

  1. August Kubizek: Adolf Hitler, Mein Jugendfreund. Leopold Stocker Verlag, Graz, 2002. S. 35. ISBN 3-7020-0971-X
  2. Eduard Munninger: Die Beichte des Ambros Hannsen. Verlag Blut und Boden. Goslar, 1937

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