Laischaft

Laischaft

Die Leischaft (auch Laischaft) war im Spätmittelalter eine Selbstverwaltungsorganisation in Städten des westfälischen Raums, vornehmlich in Münster (Westfalen) und Osnabrück (Niedersachsen). Sie sind abzugrenzen von der Bauernschaft in Dortmund und von den Schreinsbezirken in Köln.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsklärung

Der Begriff Leischaft basiert vermutlich auf letscipi (altsächsisch: Bauerschaft). [1]

Die Funktion der Leischaft übernehmen anderenorts das Quartier, die Gemeinde, das Banner, der Hof und die Nachbarschaft.

Die Leischaften entstanden im späten Mittelalter und lösten die Verwaltungseinheit Kirchspiel ab. Die Leischaften waren oft größer als die Kirchspielgrenzen und griffen strahlenförmig auf das benachbarte städtische Umland jenseits der Mauern über. Benannt wurden sie nach Kirchenpatronen, Ortsteilen oder den Stadttoren.

Sie hatten keine direkte Vertretung in den Räten, wirkten jedoch bei der alljährlichen Berufung der Ratsherren mit. Weiterhin waren sie bis in die Neuzeit für das Gerichts-, Wehr-, Wach-, Lösch- und Steuerwesen zuständig.

Osnabrück

In Osnabrück bestanden im Mittelalter entsprechend den vier Altstadtbezirken vier Laischaften, wie sie dort bezeichnet werden; ihre Zahl wuchs später auf acht. Ihren Namen hatten sie nach den Stadttoren, durch die das Vieh auf die Weiden getrieben wurden, welche zwischen Stadtbefestigung und Landwehr lagen.[2] Erstmals urkundlich erwähnt wurden die Osnabrücker Laischaften 1348 in der Sate, der Stadtverfassung, aus deren Zeit bis heute der Handgiftentag in der Stadt gefeiert wird. Auf einer Karte von Carl Hollenberg von 1822 werden noch sechs Laischaften dargestellt, die Martinianer Laischaft, die Heger Laischaft, die Natruper Laischaft, die Haselaischaft, die Herrenteichslaischaft sowie die Johanneslaischaft, die wegen ihrer Lage in der Neustadt auch Neustädter Laischaft oder Neustädter Gemeinheit genannt wurde.[3] Die Laischaften widmeten sich neben der gemeinsamen Bewirtschaftung ihrer Flächen in folgenden Jahrhunderten auch dem Wegebau, der Entwässerung und dem Feuerwehrwesen; sie unterstützten Bedürftige und gründeten Stiftungen für Kirchen sowie für das Gesundheits- und Bildungswesen.

Bis heute überdauert haben in Osnabrück die Heger Laischaft und die Herrenteichslaischaft. Die nunmehr in der Rechtsform des Vereins geführten Laischaften verwalten unter anderem einen umfangreichen Grundbesitz im heutigen Stadtgebiet. Die Vereinsvorsitzenden werden der Tradition folgend noch heute als Buchhalter bezeichnet.

Heger Laischaft

Schnatgangstein von 1934 am Hotel Walhalla in Osnabrück
Der Begrüßungsruf der Schnatgangsteilnehmer der Heger Leischaft gab einer Osnabrücker Traditionsgaststätte den Namen

Die Heger Laischaft ist seit 1560 belegt. In ihr waren die Bürger zusammengeschlossen, die Anteile am Heger Holz besaßen, einem damals außerhalb der Stadtmauern gelegenen Wald. Sie bewirtschafteten auch gemeinsame Weidegründe. Die Heger Laischaft richtet noch immer den Schnatgang aus, der im 19. Jahrhundert zu einem Traditionsfest wurde und jetzt mit einem sieben Tage dauernden Volksfest verbunden ist. Schnat ist der niederdeutsche Begriff für Grenze. Beim Schnatgang wurden die Grenzen der gemeinsam bewirtschafteten Flächen abgeschritten und diese damit kontrolliert. Der Begrüßungsgruß der Teilnehmer lautete und lautet „Olle use“ (Alles unseres). Er gab einer Osnabrücker Traditionskneipe ihren Namen. Der Schnatgang wird alle sieben Jahre veranstaltet, zuletzt im Jahr 2004. Heute ziehen die Teilnehmer gemeinsam ins Heger Holz; das hinter dem Heger Tor gelegene Altstadtviertel wird aus diesem Anlass liebevoll geschmückt.

Herrenteichslaischaft

Die Herrenteichslaischaft stiftete die Plastik Gleiches Gewicht – Gleichgewicht von Joachim Bandau auf dem Theatervorplatz

Die Herrenteichslaischaft wurde urkundlich zum ersten Mal im Jahr 1588 erwähnt. Sie unterstützt Vorhaben in der Stadt sowohl ideell als auch finanziell. Seit 1993 lobt sie einen Preis für wissenschaftliche Arbeiten aus, die sich mit der Stadtgeschichte oder Themen zu Kunst, Kultur und Wissenschaft mit Bezug zur Stadt befassen. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre rief sie zusammen mit der Stadt Osnabrück zu einem Wettbewerb zur Gestaltung des Vorplatzes des Theaters Osnabrück auf, als dessen Ergebnis dort am 7. Oktober 1998 im Jahr der 350. Wiederkehr des Westfälischen Friedens die Skulptur Gleiches Gewicht – Gleichgewicht des Bildhauers Joachim Bandau enthüllt wurde. Die Skulptur wurde von der Laischaft finanziert.[4]

Die beiden Laischaften arbeiten in ihrem Einsatz zum Wohl der Stadt auch zusammen. So spendete die Herrenteichslaischaft 2004 Geld für die Erhaltung eines Gartenhauses aus dem 19. Jahrhunderts am Bürgerpark, das zum Studentenwohnheim umgebaut wurde; die Heger Laischaft stiftete Holz für den Dachstuhl aus dem Heger Holz. [5]

Münster

In Münster bestanden seit dem 14. Jahrhundert sechs Leischaften, die als Verwaltungsbezirke fungierten. Es waren die nach Kirchspielen benannten Leischaften Liebfrauen, Martini, Lamberti, Ludgeri und Aegidii sowie die Leischaft Jüdefeld.

Sie nahmen Einfluss auf die Zusammensetzung des Stadtrats, der bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ausschließlich aus Erbmännern, den Patriziern der Stadt, bestand. Der Begriff Erbmänner bezeichnete nach Hermann von Kerssenbrock, der von 1550 bis 1575 Rektor der Domschule war, die Erbfähigkeit des Standes. Erbmänner lebten von Einkünften aus Landwirtschaft und Renten und vererbten Titel sowie Rechte, etwa den Anspruch, ein Wappen zu führen.

Der Rat wurde jeweils am ersten Montag nach Beginn der Fastenzeit gewählt. Vier Leischaften wählten jeweils zwei als Kurgenossen bezeichnete Wahlmänner; die Leischaften Jüdefeld und Überwasser entsandten gemeinsam zwei Kurgenossen.[6] Die Kurgenossen wählten ihrerseits die Ratsherrn. Als Kurgenossen fungierten beispielsweise Handwerksmeister mit Bürgerrecht, die sich in Gilden und seit 1410 zur Gesamtgilde zusammengeschlossen hatten. 1525 etwa vertrat der Steinhauer Heinrich Brabender die Martini-Leischaft als Kurgenosse, sein Sohn Johann Brabender 1560.

Die Personenschatzungen der Leischaften gaben auch Aufschluss über den gesellschaftlichen Status von Einwohnern der Stadt. So wurde Andrea Alovisii, der in Münster lebende Hofmaler des Osnabrücker Fürstbischofs Franz Wilhelm von Wartenberg, 1676 von der Aegidii-Leischaft als hochfürstlicher Maler bezeichnet; 1685 wurde er nach dem Tod des Fürstbischofs und dem daraus folgendem Verlust seiner Stellung sowie dem Fortzug vom angesehenen Prinzipalmarkt in der Personenschatzung der Ludgeri-Leischaft nur noch als geringer hausbesitzender Handwerksgesell aufgeführt.

Literatur

  • Karl Kühling: Olle Use – vom Osnabrücker Laischaftswesen und anderen Dingen. Verlag H. Th. Wenner, Osnabrück 1975, ISBN 3-87898-093-0.
  • B.-U. Hergemöller: Leischaft, Laischaft. In: Lexikon des Mittelalters. Band 5, Sp. 1862–1863.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hergemöller, B.-U.: Artikel Leischaft. in: Lexikon des Mittelalters, Bd. V, S. 1862f.
  2. Vgl. Förderpreisstifter: Herrenteichslaischaft Osnabrück, in: Zeitung Universität Osnabrück, Ausgabe Nr. 96/6 vom 10. Dezember 1996 (Forschung, Lehre, Studium, S. 4).
  3. Grundriß von der Stadt und ihrem Bezirke. Osnabrück im Wandel vom 18. ins 19. Jahrhundert auf osnabrueck.de.
  4. Elke Hergert: Künstlerisches Zeichen für mehr Toleranz: Die Osnabrücker Skulptur des Bildhauers Joachim Bandau (PDF).
  5. (PDF)
  6. [1]

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