Lamentationes

Lamentationes
Nevi'im (Prophetenbücher) des Tanach
„Vordere“ Propheten
„Hintere“ Propheten

„Große“:

„Kleine“ (Zwölfprophetenbuch):

Die Klagelieder Jeremias (Hebräisch איכה ʾēḫā(h), Eikha; auch Jeremiaden, auch Lamentationes (Vulgata) und Threni (Septuaginta) genannt und wiss. so zitiert; abgekürzt Klgl) sind ein Buch des Alten Testaments der Bibel, das aus fünf Gedichten besteht. In der Hebräischen Bibel sind sie unter den Festrollen eingeordnet, in der Septuaginta und Vulgata wie im heutigen Alten Testament nach dem Propheten Jeremia.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungszeit

In den Klageliedern wird die Zerstörung Jerusalems und des Tempels von 586 v. Chr. beklagt. Die Fakten des Geschehens sind in 2. Könige 25 und Jeremia 52 beschrieben. Von diesem Inhalt her bietet sich eine Entstehung zwischen 586-530 an. Die tiefe Erschütterung in den ersten vier Kapiteln lässt vermuten, dass sie aus dem unmittelbaren Erleben heraus kurz nach dem Fall Jerusalems geschrieben wurden. Kapitel 5 betont mehr das Leid des Exils.

Verfasser

Die Klagelieder sind anonym, sie enthalten nichts, was auf den Verfasser schließen lässt. Nach jüdischer Tradition aus vorchristlicher Zeit (Targum, Septuaginta) gilt der Prophet Jeremia als Verfasser. In der Sekundär-Literatur gehen die Meinungen darüber auseinander, in der aktuellen Forschung wird Jeremia als Verfasser kaum noch vertreten.

Dichterischer Stil

Die Klagelieder sind Beispiele von hochstehender hebräischer Dichtkunst. Sie sind im Versmaß der hebräischen Totenklage (Qina) abgefasst, die ersten vier als Akrostichon (alphabetisches Lied). Das jüdische Akrostichon hat nicht nur den praktischen Zweck der Gedächtnisstütze, sondern ist auch Ausdruck der Grenzenlosigkeit der alles einschließenden Trauer – vergleiche im Deutschen den Ausdruck „von A bis Z“ für „alles“. Das Akrostichon beweist, dass die Lieder von Anfang an schriftliche Literatur waren und nicht eine erst später niedergeschriebene mündliche Überlieferung darstellen.

Die ersten beiden Lieder enthalten je 22 Verse mit je drei Zeilen. Die jeweils ersten Worte jedes Verses beginnen der Reihe nach mit den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets. Das vierte Lied ist ebenso gestaltet, jedoch kommen auf jeden Vers zwei Zeilen. Das dritte Lied hat 66 Verse, unterteilt in 22 Einheiten zu je drei Versen. Jeder dieser drei Verse beginnt mit dem entsprechenden gleichen Buchstaben. Eine Besonderheit besteht darin, daß im 2.-4. Lied der Pe-Vers entgegen der heute üblichen alphabetischen Reihenfolge vor dem Ajin-Vers steht. Diese Folge ist jedoch ebenfalls in alten Alphabettafeln belegt. Das fünfte Lied hat 22 Verse zu je einer Zeile, aber ohne spezifische Buchstabenfolge. Die Klagelieder verwenden eine reiche Zahl von Bildern, um das Leid und die Trauer plastisch darzustellen.

Inhalt

Auffälligstes Merkmal ist die Personifikation Jerusalems („Tochter Zion“) als klagende Mutter, vergewaltigte und entehrte Geliebte und verlassene Witwe. Diese personifizierenden Elemente weisen darauf hin, dass möglicherweise eine Gattung altorientalischer Stadtklage Vorbild für die Abfassung dieser Texte war.
Es finden sich folgende Klageelemente:

  1. Schilderung des Zustands
  2. Einzelklagen der „Frau Jerusalem“
  3. Klagen des Volkes
  4. Die Not unter dem Gericht
  5. Die Ursache des Elends
  6. Schuldannahme

Klagelieder in religiöser Tradition

Jüdische Traditionen

Orthodoxe Juden lesen die Klagelieder wöchentlich an der Klagemauer in Jerusalem. Der neunte Aw (Tischa beAw) ist ein jährlicher jüdischer Gedenk- und Fastentag zur Erinnerung an die Zerstörung des ersten Tempels in Jerusalem (Bajith Rishon) durch die Babylonier und an die Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem (Bajith Sheni) durch die Römer, an dem die Klagelieder rezitiert werden.

Die Klagelieder gehören zusammen mit Ijob und Jeremia zu den einzigen Teilen der Bibel, die traditionelle Juden in der Trauerzeit nach dem Tod eines Angehörigen lesen.

Christliche Tradition

Sebastian Raval: Lamentationes, Rom 1594

In der katholischen Liturgie werden die Klagelieder im Triduum Sacrum der Karwoche bei den frühmorgendlichen Karmetten als Lesung gesungen.

Es gibt in der Geschichte der Kirchenmusik eine große Anzahl an Vertonungen, entweder nur der Klagelieder oder auch der Responsorien. Zu den letzteren gehören Werke von Carlo Gesualdo und Marc-Antoine Charpentier. Der Text der Klagelieder wird unterschiedlich auf die jeweiligen Tage bzw. Nokturnen verteilt:

Carpentras (1539)

    1. Tag: 	1:1-4		1:5,4:1-2		1:11-13
    2. Tag:	2:8-10		2:11,1:14-15		4:10-12
    3. Tag:	3:22-29		1:8-9,2:17		5:1-7

Orlando di Lasso (1584)

    1. Tag: 	1:1-3		1:7-9		1:12-14
    2. Tag:	2:8-10		2:13-15		3:1-9
    3. Tag:	3:22-30		4:1-3		5:1-6

Charpentier (Ende 17. Jhdt.)

    1. Tag:	1:1-5		1:6-9		1:10-14
    2. Tag:	2:8-11		2:12-15		3:1-9
    3. Tag:	3:22-30		4:1-6		5:1-11

Jan Dismas Zelenka (1722)

    1. Tag:	1:1-5		1:6-9		(fehlt)
    2. Tag:	2:8-11		2:12-15		(fehlt)
    3. Tag:	3:22-30		4:1-6		(fehlt)


In der gegenwärtigen evangelischen Perikopenordnung ist lediglich der Abschnitt Klagelieder 3,22-26.31-32 vertreten und als Lesung aus dem Alten Testament (Predigtreihe III) dem 16. Sonntag nach Trinitatis zugeordnet. Matthias Weckmann schuf im August 1663 ein Geistliches Konzert aus Versen des ersten Kapitels mit dem Titel Wie liegt die Stadt so wüste zum 10. Sonntag nach Trinitatis, an dem der Zerstörung der Stadt Jerusalem gedacht wurde. Rudolf Mauersberger vertonte die Verse 1,1.4.9.13; 2,15; 5,17.20-21 in seinem Trauerhymnus Wie liegt die Stadt so wüst am Karsamstag 1945 als Reaktion auf die Zerstörung Dresdens.

Siehe auch

Literatur

  • Gunther Wanke: Klagelieder. In: Theologische Realenzyklopädie 19 (1990), S. 227-230 (Einführung und Lit.)
  • Ulrich Berges: Klagelieder. Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament. Herder, Freiburg i. Br. u.a. 2002 (312 S.) - ISBN 3-451-26840-X Inhaltsverzeichnis
  • Jannie Hunter: Faces of a Lamenting City. The Development and Coherence of the Book of Lamentations. Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums 39. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1996 ISBN 3-631-48397-X

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