0-0-0

0-0-0

Die Rochade [rɔˈxɑːdə, auch rɔˈʃɑːdə] ist der Spielzug im Schach, bei dem König und Turm einer Farbe bewegt werden, sie stellt eine standardisierte Abkürzung für eine Reihe von Einzelzügen dar. Indem ein Spieler die Rochade ausführt (rochiert), verfolgt er das Doppelziel, den König in eine sichere Position zu bringen und die Türme zu verbinden. Die Rochade darf von jedem Spieler pro Spiel höchstens einmal ausgeführt werden. Ihre Zulässigkeit ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Begriff kommt aus dem Persischen. Der Turm war damals ein Kampfwagen, genannt Ruch (persischرخAngesicht, siehe die mittelalterliche Bezeichnung Roch sowie das heute noch im Englischen verwendete rook = „Turm“).

Der Schachausdruck Rochade und das damit verknüpfte Bild einer komplizierten gleichzeitigen Bewegung zweier (mehrerer) Figuren wird darüber hinaus in übertragener Bedeutung verwendet. Gemeint ist dann etwa ein politisch bedingter Personen- und Funktionswechsel („Personalrochade“) oder der situationsbedingte Positionswechsel von Fußballspielern während des Spiels. Es ließen sich zahlreiche weitere Beispiele für eine übertragene Bedeutung anführen.

Definition und Voraussetzungen

kurze Rochade - Königsflügel: O-O
lange Rochade - Damenflügel: O-O-O

Die Rochade meint einen gemeinsamen Doppelzug von König und Turm. Der König, welcher bei der Ausführung der Rochade zuerst berührt beziehungsweise gezogen werden muss, macht zwei Schritte in Richtung des an der Rochade beteiligten Turms, danach springt der betreffende Turm über den König auf dessen Nachbarfeld. Dabei unterscheidet man zwischen der langen bzw. großen Rochade mit dem (weiter entfernt stehenden) Damenturm und der kurzen bzw. kleinen Rochade mit dem nahen Königsturm. Die Notation lautet 0-0 für die kurze, 0-0-0 für die lange Rochade (unabhängig von der Farbe).

Es gibt also insgesamt 4 mögliche Rochadezüge:

  • Ke1-c1 und Ta1-d1 (lange weiße Rochade)
  • Ke1-g1 und Th1-f1 (kurze weiße Rochade)
  • Ke8-c8 und Ta8-d8 (lange schwarze Rochade)
  • Ke8-g8 und Th8-f8 (kurze schwarze Rochade)

Eine Rochade kann nur dann ausgeführt werden, wenn

  1. der König noch nicht gezogen wurde,
  2. der beteiligte Turm noch nicht gezogen wurde,
  3. zwischen dem König und dem beteiligten Turm keine andere Figur steht,
  4. der König über kein Feld ziehen muss, das durch eine feindliche Figur bedroht wird,
  5. der König vor und nach Ausführung der Rochade nicht im Schach steht,
  6. Turm und König auf derselben Reihe stehen.

Der Turm darf bedroht sein oder über ein bedrohtes Feld ziehen. Die Rochade gilt als ein Königszug. Falls ein Spieler eine illegale Rochade ausführt und sein Gegner dies reklamiert, muss er einen anderen Königszug (dies kann auch die Rochade mit dem anderen Turm sein) ausführen. Ist kein legaler Königszug möglich, so kann er einen beliebigen legalen Zug ausführen (er muss also nicht den Turm ziehen, der an der illegalen Rochade beteiligt war).

Verlust des Rochaderechts

Ist einer der beiden ersten obengenannten Punkte nicht erfüllt, geht das Recht auf die Rochade insgesamt (Punkt 1) oder eine bestimmte Rochade (Punkt 2) für immer, also bis zum Ende der Partie, verloren. Hat der König gezogen, ist das Rochaderecht für die betroffene Partei unwiderruflich verloren. Zieht der Th1 (h8), verfällt das Recht auf die kurze Rochade endgültig (oder umgekehrt beim Ziehen des Damenturms entsprechend das Recht auf die lange Rochade).

Ist Punkt drei, vier oder fünf nicht erfüllt, ist die Rochade dagegen nur vorübergehend ausgeschlossen, und zwar so lange bis die jeweilige Bedingung wieder erfüllt ist. Die sechste Bedingung wurde nur hinzugefügt, um die ansonsten theoretisch mögliche Pam-Krabbé-Rochade auszuschließen.

Zweck der Rochade

In der Eröffnungsphase der Partie spielt sich das Geschehen meistens im Zentrum ab. Die Mittelbauern werden aufgezogen, der Kampf findet hier statt. Das bedeutet, dass der König in der Mitte gefährdet steht. Außerdem stehen die Türme am Rand im Abseits. Der König wird daher in eine sichere Randstellung hinter einen stabilen Bauernschutz gebracht und der Turm wird in die Mitte geführt, wo er am Geschehen aktiv teilnehmen und mit dem anderen Turm verbunden werden kann.

Die kurze Rochade gilt in der Regel als sicherer als die lange Rochade. Bei der langen Rochade ist eine längere Bauernkette zu verteidigen und der a-Bauer ist nicht mehr durch den Turm gedeckt, sodass in vielen Fällen noch ein Tempo investiert werden muss, um den König auf b1 bzw. b8 sicherer zu stellen. Außerdem müssen zur Vorbereitung der kurzen Rochade nur zwei Felder geräumt werden. Aus diesen Gründen wird in 8 von 10 Partien kurz rochiert. In den übrigen Partien erfolgt je etwa zur Hälfte die lange Rochade oder keine Rochade. Ein Vorteil der langen Rochade ist, dass der Turm auf der d-Linie sofort Einfluss auf das Zentrum nimmt.

Rochieren Weiß und Schwarz zu verschiedenen Seiten (wie es zum Beispiel oft in der Sizilianischen Verteidigung der Fall ist), so entsteht meist ein besonders heftiger Kampf, weil beide Seiten mit Bauernvorstößen die gegnerische Königsstellung angreifen können, ohne den eigenen König zu entblößen.

Ferner ist die künstliche Rochade zu erwähnen. Mit dem Ausdruck ist gemeint, dass eine Partei nicht direkt rochiert, sondern den Zweck der Rochade durch mehrere Züge erreicht (also z.B. g2-g3, Ke1-f1, Kf1-g2 und Wegzug des Th1). Dies ist unvermeidlich mit einem großen Tempoverlust verbunden. Nach dem möglichen Verlust des Rochaderechts kann dies jedoch ein geeigneter Weg sein, den eigenen König auf einem der beiden Flügel in Sicherheit zu bringen.

Historisches

Die Rochade ist eine relativ neue Entwicklung im europäischen Schachspiel. In den asiatischen Schachvarianten findet sie sich nicht. Ihr Vorläufer war der um 1200 entstandene Königssprung, bei dem der König im ersten Zug einen weiten Satz ausführen durfte. Um 1550 entwickelte sich daraus die heutige Rochade. Eine plausible Erklärung für diese Veränderung lautet, dass typischerweise zwei Züge − etwa Th1-f1 und der Königssprung nach g1 − unmittelbar aufeinander folgten. Schließlich wurden beide Züge zu einem neuen Doppelzug zusammengefasst.

Die erste Erwähnung findet sich in der mittelalterlichen Satire Gargantua et Pantagruel von François Rabelais (1564). In Italien entwickelte sich die „Freistil-Rochade“, bei der König und Turm ihre Plätze frei wählen konnten. So finden sich bei Salvio Eröffnungsvarianten mit Rochaden, bei denen König und Turm auf den Feldern Kb8/Te8, Kg1/Te1 oder Kh1/Tf1 landen. In den Schriften von Gioacchino Greco (1600–1634) wurde die beschränkte Rochade in ihrer heutigen Form als Norm bestimmt. Diese breitete sich dann von Frankreich her, wo Greco seine Hauptwirkung entfaltet hatte, in die anderen Länder aus. In Italien galt dagegen lange Zeit weiterhin das Recht der freien Rochade, und erst zum Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich auch dort die internationale Regel durch. Der letzte namhafte Schachmeister, der sich für die Beibehaltung der freien Rochade einsetzte, war Serafino Dubois.

Das Notationssymbol 0-0 verwendete erstmals 1811 Johann Allgaier in der dritten Auflage seines Lehrbuchs. Er benutzte ausschließlich die Schreibweise 0-0 und im Falle der Unterscheidung 0-0r(echts) und 0-0l(inks). Im Jahr 1837 wurde dann durch Aaron Alexandre das Symbol 0-0-0 für die lange Rochade eingeführt.[1] Wenig später schloss sich das Handbuch des Schachspiels diesem Gebrauch an.

Erst 1964 wurde festgelegt, dass zwei Stellungen mit identischer Position der Figuren, aber unterschiedlichen Rochaderechten (wenn also z.B. eine Seite inzwischen den nichtrochierten König gezogen hat) im Sinne der Stellungswiederholung als unterschiedlich gelten.

Besonderheiten

Für die Rochade allein geltend

  • Die Rochade ist der einzige Zug, bei dem ein König weiter als nur auf ein angrenzendes Feld ziehen darf.
  • Die Rochade ist der einzige Zug, bei dem zwei Steine derselben Farbe gleichzeitig gezogen werden.
  • Sie ist der einzige Zug, bei dem ein Turm über einen anderen Stein (den König) springen darf.

Für die Rochade neben en passant geltend

  • Abgesehen vom Schlagen en passant ist die Rochade der einzige Zug, bei dem die Vergangenheit der Position von Bedeutung ist.
  • Zudem ist sie neben en passant der einzige Zug, bei dem zwei Felder gleichzeitig geräumt werden.
  • Zwei Schachstellungen mit identischen Positionen aller Steine und demselben Spieler am Zug können dadurch dynamisch verschieden sein, dass inzwischen ein Rochaderecht oder ein Recht, en passant zu schlagen, verloren gegangen ist. Dabei gilt das Rochaderecht erst mit dem Zug als verloren, wenn der König oder der entsprechende Turm tatsächlich ziehen, aber noch nicht mit einem Zug, der einen Königs- oder Turmzug erzwingt.

Für die Rochade neben anderen Zügen geltend

  • Ebenso wie Bauern- und Schlagzüge kann sie nicht in einem späteren Zug rückgängig gemacht werden.
  • Abgesehen von Abzugsschachs ist sie die einzige Möglichkeit, mit einem Königszug Schach zu bieten.

Diese Besonderheiten werden in der Schachkomposition genutzt, siehe Rochade in der Schachkomposition.

Rochade als Angriffszug

Dadurch, dass der Turm bei der Rochade ein von einem gegnerischen Stein bedrohtes Feld überspringen darf, ergibt sich manchmal Gelegenheit zu einer tückischen Falle:


a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
11. O-O-O+ !
a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
... und Schwarz verliert den Turm.

Schwarz erwachte sicherlich unsanft aus seinen Träumen, als Weiß mit der langen Rochade seinen Turm fing:

1.e2-e4 e7-e5
2.Sg1-f3 Sb8-c6
3.d2-d4 e5xd4
4.Sf3xd4 Lf8-c5
5.Lc1-e3 d7-d6?
6.Sd4xc6 b7xc6
7.Le3xc5 d6xc5
8.Dd1xd8+ Ke8xd8
9.Sb1-c3 Ta8-b8
10.f2-f3 Tb8xb2??
11. 0-0-0+! und der Turm fällt.


Schachvarianten

In einigen Schachvarianten gibt es bemerkenswerte Interpretationen der Rochaderegel. Im Chess960 ist anstelle bestimmter Positionen (auf ersten Reihe) nur festgelegt, dass der König am Anfang zwischen den beiden Türmen steht. Wenn rochiert wird, landen die beiden Figuren genau so, wie sie im klassischen Schach nach der Rochade stehen würden. Bei Zylinderschach gibt es beidseitige Verbindungslinien zwischen dem König und jedem der Türme, d. h. es ist auch möglich, mit dem Damenturm klein und mit dem Königsturm groß zu rochieren. Beim Janusschach wiederum zieht der König neben den Turm und der Turm springt dann über den König.

Rekorde

Den Titel der nach Zügen am spätesten erfolgten Rochade halten ex aequo die beiden Partien Neshewat–Garrison, Detroit 1994, mit 48. ... 0-0 und Somogyi–Black, New York 2002 mit 48. ... 0-0-0. In beiden Fällen gewann Schwarz.

Die Rochade mit der geringsten Anzahl von Steinen auf dem Brett fand in einer Partie Pupols–Myers, Lone Pine 1976, statt, als Weiß im Endspiel 40. 0-0-0 zog, mit nur noch 8 Steinen auf dem Brett. Die Partie endete Remis.

Die größte Anzahl von Rochaden in einer Partie betrug 3 und wurde in einer Partie Heidenfeld–Kerins, Dublin 1973, gespielt. Weiß rochierte illegalerweise zweimal – unbemerkt, aber vergeblich, denn er verlor die Partie.

Rochade-Irrtümer

Die Rochaderegeln bilden einen der kompliziertesten Bestandteile der Schachregeln. Auch berühmten Meistern passierten in einzelnen Fällen Missverständnisse mit der Rochade:

  • Während der 21. Partie im Kandidatenfinale gegen Anatoli Karpow 1974 fragte Viktor Kortschnoi den Schiedsrichter, ob er rochieren dürfe, wenn sein Turm angegriffen sei – er war sich in dem betreffenden Moment der Regel nicht bewusst.
  • Juri Awerbach protestierte in einer Partie gegen Cecil Purdy gegen dessen Rochade, weil der Turm ein angegriffenes Feld überquert hatte. Er nahm dabei an, dass dies illegal sei.
  • Richard Réti rochierte in einer Partie gegen Carlos Torre groß, obwohl er mit dem Damenturm schon gezogen hatte. Er entkam mit einem spielbaren Königszug ins Remis.
  • Alexander Kotow rochierte in einer Partie gegen Boris Spasski, obwohl er im Schach stand. Sein alternativer Königszug reichte trotzdem zum Gewinn der Partie.
  • Nigel Short rochierte in einer Partie gegen William N. Watson mit Schwarz groß, obwohl die weiße Dame auf a5 das Feld d8 beherrschte. Dieser Lapsus führte zum sofortigen Verlust der Partie.
  • Michail Tal vergaß in der 8. Matchpartie gegen Bent Larsen in den Niederlanden 1969, dass er bereits die Rochade verhindert hatte, beging deshalb einen entscheidenden Fehler und verlor später.

Einzelnachweise

  1. Stefan Bücker: „Was bedeutet 0-0?“, in: Kaissiber, Nr. 18, 2002, S. 70-71.

Literatur

  • Tim Krabbé: „Die Rochade“, in: Schach-Besonderheiten, Band 1. Econ, Düsseldorf 1987, S. 9-84. ISBN 3-612-20306-1
  • Robert Timmer: Startling castling. Batsford, London 1997. ISBN 0-7134-8137-4
  • Emanuel Lasker: Brettspiele der Völker. Berlin 1931.

Weblinks


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