Lemniskales System

Lemniskales System
Der Lemniscus medialis entsteht durch die Konvergenz von Fasciculus gracilis und Fasciculus cuneatus, nachdem sie auf das zweite Neuron verschaltet wurden und auf die kontralaterale Seite gekreuzt sind

Das lemniskale System (Schleifenbahnsystem, Hinterstrangbahn, von lat. lemniscus „Schleife“) ist eine funktionelle Untereinheit der Leitungsbahnen für die sensible Wahrnehmung (sog. allgemeine somatische Afferenz, ASA) bei Säugetieren. Es wird dem extralemniskalen System gegenübergestellt.

Über das lemniskale System werden haptische Informationen geleitet:

Anatomie

Querschnitt durch das Rückenmark

Die Nervenzellkörper (Perikaryen) der sensiblen Neurone liegen in den Spinalganglien. Ihre Axone verlaufen im Hinterstrang (Funiculus posterior, bei Tieren: Funiculus dorsalis) des Rückenmarks. Ab der Mitte der Brustwirbelsäule wird der Hinterstrang durch ein Gliaseptum geteilt in:

  • Fasciculus gracilis (GOLL-Bündel, nach Friedrich Goll): es liegt zur Mitte hin (medial) und enthält die Nervenfasern aus den (Hinter-)Beinen und den unteren (bei Tieren: hinteren) Rumpfabschnitten.
  • Fasciculus cuneatus (BURDACH-Bündel, nach Friedrich Burdach): Es legt sich dem GOLL-Bündel seitlich (lateral) an und enthält die Nervenfasern aus dem Arm (Vordergliedmaße) und den oberen (vorderen) Rumpfabschnitten.

Diese beiden Bahnsysteme enden in jeweils einem Kerngebiet, Nucleus gracilis und Nucleus cuneatus, in der Medulla oblongata kaudal der Rautengrube (Fossa rhomboidea). Hier erfolgt die Umschaltung auf ein zweites Neuron. Diese Zweitneurone kreuzen noch in der Medulla oblongata auf die andere Seite und ziehen als Lemniscus medialis (mediale Schleife) zum Thalamus, genauer zu den lateralen Thalamuskernen.

Im Thalamus erfolgt die Umschaltung auf ein drittes Neuron. Diese Drittneurone projizieren zum sensiblen Gebiet der Großhirnrinde im Parietallappen. Durch die Kreuzung der Zweitneurone wird in der jeweiligen Hälfte der Großhirnrinde die Information der gegenüberliegenden Körperseite abgebildet. Dabei werden die Informationen je nach Ursprung am Körper räumlich getrennt verarbeitet (somatotopische Projektion, Homunculus).

Klinische Aspekte

Einseitige Schädigungen des Hinterstranges führen zu Sensibilitätsstörungen auf der gleichen Körperseite (ipsilateral), da die Kreuzung erst weiter gehirnwärts erfolgt.

Hierbei treten Störungen

  • der Feinwahrnehmung (epikritische Sensibilität),
  • des Vibrationssinns (Pallästhesie),
  • der Zweipunktdiskrimination (die Fähigkeit, räumlich eng benachbarte Reize als getrennt wahrzunehmen),
  • der Stereognosie (Fähigkeit zum Erkennen von Form, Textur und Konsistenz eines Gegenstands durch Betasten) und
  • des Lage- und Bewegungssinns (propriozeptive Wahrnehmung, Kinästhesie) auf.

Durch den gestörten Lage- und Bewegungssinn kommt es auch zu Störungen in den Bewegungsabläufen (spinale Ataxie). Diese können bei intaktem Kleinhirn durch die visuelle Wahrnehmung zum Teil kompensiert werden.

Literatur

  • Martin Trepel: Neuroanatomie. Urban & Fischer, 3. Auflage 2003. ISBN 3437412973
  • Franz-Viktor Salomon: Nervensystem, Systema nervosum. In: Salomon/Geyer/Gille (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke Stuttgart, 2004, S. 464-577. ISBN 3-8304-1007-7

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