Anrechnungszeit

Anrechnungszeit

Als Anrechnungszeit (AZ) bezeichnet man in Deutschland eine rentenrechtliche Zeit, die in Abgrenzung zu den (tatsächlich verbeitragten) Beitragszeiten und den sog. Berücksichtigungszeiten, eine beitragsfreie Zeit ist. Sie kann sowohl dem Grunde wie der Höhe nach zu anwartschaftserhöhenden Rentenansprüchen führen.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlagen

Für die Rentenberechnung in Deutschland wird diese in den §§ 58, 252, 252a und 253 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelt.

Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen der Versicherte aus persönlichen Gründen an der Beitragszahlung gehindert war. Für folgende Tatsachen können nach § 58 SGB VI Anrechnungszeiten anerkannt werden:

  • Arbeitsunfähigkeit (inkl. Rehabilitation) (siehe § 58 Abs.1 S.1 Nr. 1 SGB VI)
  • Krankheit zwischen dem 17. und 25. Lebensjahr (siehe § 58 Abs. 1 S.1 Nr. 1a SGB VI)
  • Schwangerschaft/Mutterschutz (§ 58 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGB VI)
  • Arbeitslosigkeit (siehe § 58 Abs. 1 S.1 Nr. 3 SGB VI)
  • Ausbildungssuche (siehe § 58 Abs. 1 S.1 Nr. 3a SGB VI)
  • Schulbesuch (siehe § 58 Abs. 1 S.1 Nr. 4 SGB VI)
  • Rentenbezug vor dem 55. Lebensjahr (siehe § 58 Abs. 1 S.1 Nr. 5 SGB VI)
  • ab 1. Januar 2011 Arbeitslosengeld II - Bezug (siehe § 58 Abs. 1 S.1 Nr. 6 SGB VI)

Es bestehen noch Übergangsregelungen und Altfälle für die noch für weitere Tatbestände Anrechnungszeiten anerkannt werden können, diese sind jedoch in der Praxis nicht mehr relevant.

Verwaltungsrechtliche Durchführung

Die Rentenversicherungsträger, das sind die Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung (ehemals Landesversicherungsanstalten (LVA)), die Deutsche Rentenversicherung Bund (ehemals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)), die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (ehemals Bundesknappschaft, Bahnkasse & Seekasse (Fusion zum 1. Oktober 2005)) entscheiden über die Anerkennung einer Anrechnungszeit durch Verwaltungsakt d.h. durch einen öffentlich-rechtlichen Bescheid. Anrechnungszeiten werden in der Regel von der Krankenkasse (bei Arbeitsunfähigkeit, Schulbesuch und Schwangerschaft) oder von der Agentur für Arbeit (Arbeitslosigkeit) dem Rentenversicherungsträger gemeldet. Sollte es sich um andere Anrechnungszeittatbestände handeln oder ist die Meldung nicht durchgeführt worden, sind die Tatsachen, die zu einer Anerkennung der Anrechnungszeit führen, in der Regel nachzuweisen.

Eine Anrechnungszeit kann nicht anerkannt werden, wenn wegen des gleichen Tatbestands Sozialleistungen gezahlt werden. Dies ist vor allem bei Arbeitsunfähigkeit und bei Arbeitslosigkeit ein häufiger Ausschlußgrund.

Anrechnungszeiten können, obwohl der Tatbestand erfüllt ist, nicht anrechenbar sein. Dies ist der Fall wenn bei Arbeitsunfähigkeit, Schwangerschaft oder Arbeitslosigkeit eine versicherte Beschäftigung/Tätigkeit nicht unterbrochen wird (Ausnahme: Der Tatbestand wird zwischen dem 17. und 25. Lebensjahr zurückgelegt). Unterbrechung liegt dann vor, wenn zwischen dem Ende der versicherten Beschäftigung/Tätigkeit und dem Beginn des Anrechnungszeit-Tatbestandes eine Lücke < 1 Kalendermonat liegt. Es ist allerdings möglich, eine entsprechend zu große Lücke durch sog. "Überbrückungstatbestände" zu schließen. Dies ist vor allem dann notwendig, wenn zwei Anrechnungszeiten aufeinander folgen. Als Überbrückungstatbestand gelten hier alle einfachen Anrechnungszeit-Tatbestände oder auch eine Berücksichtigungszeit (z.B. wegen Kindererziehung)

Gesamtleistungsbewertung

Anrechnungszeiten können sich über die Gesamtleistungsbewertung rentensteigernd auswirken oder werden selbst bewertet. Zudem kann die Anwartschaft für eine Erwerbsminderungsrente erhalten bleiben (Anwartschaftserhaltungszeit). Bei der Rentenberechnung werden die Anrechnungszeiten sehr unterschiedlich bewertet. Für die Rentenberechnung ist zwischen Schul-und Hochschulausbildungen und einem Fachschulbesuch zu unterscheiden.

Schulbesuch, Krankheit und Schwangerschaft/Mutterschutz können auch anrechenbar sein, wenn sie im Ausland zurückgelegt wurden.

Anrechnungszeiten für Schul-, Fachhochschul- und Hochschulausbildung

Seit Angang der 1990er Jahre hat in Deutschland ein schrittweiser Abbau der Anrechnungszeiten für Schul-, Fachhochschul- und Hochschulausbildung (im Folgenden kurz Ausbildungszeiten genannt) bei der Berechnung der Rentenhöhe stattgefunden.

Bei einem Rentenbeginn bis Ende 1991 konnten Ausbildungszeiten ab dem 16. Geburtstag bis zum erfolgreichen Abschluss an einer Universität oder Fachhochschule angerechnet werden, bis insgesamt maximal 13 Jahren, sofern mindestens während der Hälfte der gesamten Versicherungsdauer Beiträge errichtet wurden.

Bei einem Rentenbeginn bis 1996 konnten Ausbildungszeiten bis maximal sieben Jahre rentensteigernd angerechnet werden.[1]

Bei einem Rentenbeginn ab 2002 war die rentensteigernde Anrechnung von Ausbildungszeiten auf maximal drei Jahre nach dem 17. Lebensjahr begrenzt, und wurden noch mit bis zu 75 Prozent des Durchschnittseinkommens angerechnet.[2]

Bei einem Rentenbeginn ab 2009 gelten Ausbildungszeiten nicht mehr als rentensteigernde Anrechnungszeit. Ausbildungszeiten zwischen dem 17. und 25. Geburtstag (also maximal 8 Jahre) werden nur noch als Anrechnungszeit zur Erfüllung der Wartezeit für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen und für die Altersrente für langjährig Versicherte berücksichtigt.

Der Besuch einer Fachschule und eine Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen wirken sich ebenfalls rentensteigernd aus.[3]

Gründe und Auswirkungen

Die Einschnitte, die vor allem Hochschulabsolventen gegenüber früher schlechter stellten, wurden mit dem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit begründet. Im Eckpunktepapier zur Rentenreform von 2003 hieß es, vor dem Hintergrund steigender demografischer Belastungen der Alterssicherungssysteme könne es nicht länger Aufgabe der Versichertengemeinschaft sein, Ausbildungszeiten ohne Beitragszahlungen rentenrechtlich auszugleichen.[1]

Die Reduzierung der Anrechnung von Schul- und Hochschulzeiten für die Rentenhöhe, in Kombination mit anderen Faktoren wie der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und der durch das Alterseinkünftegesetz schrittweise zunehmenden Steuerlast, wird als Risiko für eine zunehmende Altersarmut auch unter Hochschulabsolventen angesehen.[2]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Berrit Gräber: Ab 2005 Einbußen für Neurentner. Bundesregierung streicht Anrechnungszeiten für Ausbildungsjahre. Berliner Zeitung www.berlinonline.de, 22. Oktober 2003, abgerufen am 18. August 2010.
  2. a b Berrit Gräber: Vielen Akademikern droht Altersarmut. Focus-Online, 18. August 2010, abgerufen am 18. August 2010.
  3. Marcus Kleinlein: Ausbildungszeiten werden für die Rente geringer bewertet. Abgerufen am 14. August 2010.
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