Anser anser

Anser anser
Graugans
Graugans (Anser anser)

Graugans (Anser anser)

Systematik
Ordnung: Gänsevögel (Anseriformes)
Familie: Entenvögel (Anatidae)
Unterfamilie: Gänse (Anserinae)
Tribus: Echte Gänse (Anserini)
Gattung: Feldgänse (Anser)
Art: Graugans
Wissenschaftlicher Name
Anser anser
(Linnaeus, 1758)
Graugans in der Wiese

Die Graugans, (Anser anser, auch Wildgans) ist eine Art der Gattung Feldgänse (Anser) in der Familie der Entenvögel (Anatidae). Graugänse zählen zu den häufigsten Wasservögeln und bilden zugleich die zweitgrößte Gänseart in Europa. Sie sind neben den Schwanengänsen (Anser cygnoides), auf die vor allem asiatische Hausgänse zurückgehen, die wilden Vorfahren der domestizierten Hausgänse. Mitteleuropa gilt als die Region, in der diese Gans domestiziert wurde.[1]

Die Art wurde 1758 erstmals durch Carl von Linné in seinem Werk Systema naturae beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Aussehen und Ruf

Die Graugans ist heller als die anderen grauen Gänse. Der Hals wirkt relativ dick und durch die streifige Anordnung der Federn leicht längsgestreift. Die Vorderflügel sind auffällig hell und der Bauch hat mehr oder minder stark ausgeprägte schwarze Flecken. Der Schnabel ist relativ groß und klobig. Sie erreicht eine Länge von 75 bis 90 cm, eine Flügelspannweite von 147 bis 180 cm und ein Gewicht von 2,5 bis 4 kg. Ganter sind dabei schwerer als Weibchen und wiegen in der Regel zwischen drei und vier Kilogramm. Die leichteren Weibchen dagegen kommen auf zwei bis 3,5 Kilogramm.[2]

Frisch geschlüpfte Gänsejungen sind an der Oberseite olivbraun. Dies ändert sich später zu einem schmutzigen Graubraun. Die Bauchseite ist von einem dunklen Rahmweiß. Der Kopf, der Hals und die Körperseiten sind grünlichgelb. Das Jugendkleid ist verglichen mit adulten Vögeln etwas brauner. Der Bauch ist noch ohne schwarze Fleckungen. Der Schnabel ist zunächst grau und färbt später gelblich um. Die Füße sind olivgrau. Im 1. Jahreskleid gleichen die Jungvögel weitgehend den Altvögeln. Sie haben lediglich nur wenige oder gar keine schwarze Bauchfedern.

Graugänse können bis zu 17 Jahre alt werden. Bekanntester Laut ist das auch von Hausgänsen bekannte „ga-ga-ga“, jedoch verfügt die sehr rufaktive Graugans über mehr als ein Dutzend verschiedener Lautäußerungen. Dabei gibt es individuelle Unterschiede. Einige Graugänse rufen immer in einer sehr hohen Kopfstimme, während andere eher geräuschhaft knarrende Laute von sich geben.[3] Sie haben jedoch auch laut trompetende Rufe im Repertoire. Gelegentlich kommt es zu einem duettartigen Rufen zwischen zwei Individuen, wobei die Gänse dabei jeweils im Wechsel rufen.[4]

Verbreitung

Die Graugans ist ein Brutvogel Nord- und Osteuropas sowie Asiens.

Während des Zuges ist die Graugans in ganz Europa anzutreffen. Sie brütet in Großbritannien, ganz Fennoskandinavien außer den weit von der Küste entfernten Gebieten sowie in ganz Kontinentaleuropa nordöstlich einer Linie von Dünkirchen bis Patras in Griechenland mit Schwerpunkt in den Niederlanden, Norddeutschland, der Südküste der Ostsee sowie in einem Gebiet zwischen Österreich, Ungarn und Tschechien.

Die Überwinterungsgebiete der Graugans sind an der Westküste der iberischen Halbinsel, an den Nordküsten von Algerien und Tunesien und die Küsten der Adria. Große Populationen mit mehreren zehntausend Gänsen rasten regelmäßig im Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel auf den brachliegenden Wiesen.

Lebensweise

Bevorzugter Brutplatz der Graugänse sind Seen mit breiten Riedgürteln und angrenzenden Wiesen, die sie zur Äsung nutzen. Äsungsplätze können sich jedoch auch weit entfernt befinden. Brütende Graugänse finden sich jedoch auch in Mooren, auf bewaldeten Inseln und in Flussauen.

Graugans-Schwarm an der Lippe

Die Graugans ist ein Zugvogel, der für gewöhnlich im Winter nach Süden zieht. In den letzten Jahrzehnten ist eine Tendenz zu beobachten, dass Graugänse immer weiter im Norden überwintern, besonders in den Niederlanden oder überhaupt in den nicht zu weit nördlich gelegenen Brutgebieten und dadurch zu Standvögeln werden.

Begünstigt wird das durch eine intensivierte Landwirtschaft, die auch im Winter genügend Nahrung auf abgeernteten oder neu eingesäten Feldern bietet, dem geringeren Jagddruck als in Südeuropa sowie eventuell dem Klimawandel. Bis vor wenigen Jahrzehnten überwinterten noch fast alle Graugänse in den Marismas des Guadalquivirs und in Tunesien um den Ischkeul-See sowie in Westalgerien. Wenn sie auf ihrem Zug sind, bilden sie eine charakteristische V-Formation.

Die Wanderungsrouten der Graugans sind nicht genetisch fixiert, sondern werden in den verschiedenen Teilpopulationen tradiert. Neben dem Zug in die Überwinterungsquartiere gibt es einen sogenannten Mauserzug der nicht brütenden Tiere zu bestimmten Mauserplätzen. Seit den sechziger Jahren hat sich das Oostvaardersplassen zum wichtigsten Mauserplatz Europas entwickelt. Abgesehen von Paarungs- und Brutzeit leben Graugänse in großen Schwärmen. Graugänse verpaaren sich bereits im Herbst des zweiten Kalenderjahres, aber brüten selten vor Erreichen des vierten Kalenderjahres.

zwei Graugänse

Fortpflanzung

Für gewöhnlich zeigen Graugänse eine große Partnertreue, verpaaren sich jedoch bei Verlust des Partners neu. Die Brut beginnt je nach Standort Mitte März bis Ende April. Der Niststandort befindet sich bevorzugt auf Inseln in Süßwassergewässern, in Sumpf- und Marschland, am Ufer von Seen oder langsam fließenden Flüssen. Sie brüten in einer sehr lockeren Kolonienverbund, bei dem zwischen den einzelnen Nestern ein größerer Abstand besteht.

Zum Brüten bauen sie flache Nestmulden. Nur in sehr feuchten Brutgebieten ist das Nest eine Anhäufung von Sumpfpflanzen. Die eigentliche Nistmulde wird nur mit einer sehr dünnen Schicht an Daunen ausgelegt. Diese Daunen sind klein, grau und in der Mitte etwas heller. Im Süden und Südosten ihres Verbreitungsgebietes beginnt die Brutperiode in der Regel gegen Ende März. In nörderlicheren Verbreitungsgebieten fangen Graugänse erst im späten April mit der Eiablage an. Graugänse haben nur ein Gelege pro Jahr. Wird dieses zerstört, kommt es zu keinem Nachgelege.[5]

Das Gelege besteht bei wilden Graugänsen gewöhnlich aus vier bis sechs Eiern. Diese haben eine weiße oder gelbliche Schale und eine fast ovale Form. Die Eiablage erfolgt gewöhnlich mit einem Legeabstand von etwa mehr als 24 Stunden. Es brütet allein das Weibchen. Die Bebrütung beginnt mit der Ablage des letzten Eis. Das Männchen hält sich während der Brutzeit in der Nähe des Nestes auf. Nach etwa 27 bis 29 Tagen schlüpfen die Jungen, deren Aufzucht etwa 50 bis 60 Tage dauert. Die Schwingenmauser der Elterntiere liegt so, dass sie etwas später als die Jungtiere wieder flugfähig werden, was das langsame Erlernen schwieriger Flugmanöver der Jungtiere, die ihren Eltern folgen, erleichtert.

Meist bleiben die Jungtiere bis zur nächsten Brut mit den Elterntieren zusammen und sind auch später oft bei diesen anzutreffen. Graugänse vermögen sich hauptsächlich am Ruf individuell zu erkennen. Auf großen Rastplätzen herrscht oft die ganze Nacht ein reges Rufen und Treiben, das dem Wiederfinden von Familienmitgliedern dient.

Es kann unter männlichen Graugänsen auch zu homosexuellen Beziehungen kommen. Ein Weibchen kann in eine solche gleichgeschlechtliche Partnerschaft miteinbezogen werden; beide Männchen begatten das Weibchen, ein Männchen ist jedoch stets dominant. Während der Aufzucht der Jungen bleibt das Trio zusammen. Danach trennt sich das Weibchen von der Gruppe, während das männliche Paar zusammen bleibt.

Ernährung

Graugänse mit Küken

Graugänse leben von Pflanzen, sowohl Land- wie auch Wasserpflanzen, dabei hauptsächlich von kurzen Gräsern und Kräutern, sowie in geringerem Umfang Stauden und Wurzeln. Im Herbst suchen Graugänse bevorzugt Maisstoppelfelder auf, auf denen sie energiereiche Körnernahrung finden. Sie findet sich jedoch auch auf Feldern mit Raps und Wintergetreide ein. Auch im Frühjahr sind es vor allem Flächen mit Wintergetreide sowie Grünland, das sie zur Nahrungsaufnahme nutzt. Im Juli und August sind Graugänse häufig auf Getreidestoppelfeldern zu beobachten.[6]

Für die Ernährung ist es wichtig, dass die Flächen, auf denen Graugänse Nahrung suchen, niedrig bewachsen sind, um so ihr Sicherheitsbedürfnis zu erfüllen, aber auch weil sie sich nur von kurzem Gras und Kräutern ernähren können. Dafür sind natürliche Weidesysteme mit großen Pflanzenfressern (Megaherbivoren) ideal.

Bestandsentwicklung

Von einem Tiefpunkt Anfang der 1970er Jahre, als die europäische Gesamtpopulation etwa 20.000 Tiere umfasste, hat sich der Bestand über etwa 170.000 Tiere Mitte der achtziger Jahre auf heute (2003) wohl über 250.000 Tiere erhöht. Dabei kam es nicht nur zu einer dichteren Besiedelung traditioneller Brutgebiete, sondern auch zu einer deutlichen Ausweitung des Brutareals vor allem in Deutschland und in den Niederlanden.

Sonstiges

Der Nobelpreisträger Konrad Lorenz hat in seinem Buch Hier bin ich – wo bist du?, wie er in seinem Vorwort anmerkt, „die vollständigste Bearbeitung der Ethologie eines höheren Tieres“ verfasst, das heißt: alle bekannten Verhaltensweisen der Graugänse genau beschrieben.

Bildergalerie

Einzelnachweise und weiterführende Informationen

Einzelnachweise

  1. Kolbe, S. 111
  2. Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg): Wildlebende Gänse und Schwäne in Sachsen – Vorkommen, Verhalten und Management, Dresden 2006, Veröffentlichung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, S. 9
  3. Hans-Heiner Bergmann; Hans-Wolfgang Helb; Sabine Baumann; Die Stimmen der Vögel Europas – 474 Vogelporträt mit 914 Rufen und Gesängen auf 2.200 Sonogrammen, Aula-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89104-710-1, S. 47
  4. Hans-Heiner Bergmann; Hans-Wolfgang Helb; Sabine Baumann; Die Stimmen der Vögel Europas – 474 Vogelporträt mit 914 Rufen und Gesängen auf 2.200 Sonogrammen, Aula-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89104-710-1, S. 47
  5. Collin Harrison und Peter Castell: Field Guide Bird Nests, Eggs and Nestlings, HarperCollins Publisher, überarbeitete Auflage von 2002, ISBN 0007130392, S. 64
  6. Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg): Wildlebende Gänse und Schwäne in Sachsen – Vorkommen, Verhalten und Management, Dresden 2006, Veröffentlichung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, S. 26

Literatur

  • Bergmann, Hans-Heiner, Helmut Kruckenberg & Volkhard Wille (2006): Wilde Gänse - Reisende zwischen Wildnis und Weideland, G. Braun Verlag, Karlsruhe
  • Madsen, J., G. Cracknell & Tony Fox (1999): Goose Populations of the Western Palearchtic, Wetlands International, Wageningen.
  • Konrad Lorenz: Das Jahr der Graugans. Piper: 1982 (Neuausgabe 2003: Serie Piper Bd.2637; Text- und Bildband)
  • Konrad Lorenz: Hier bin ich – wo bist du? Ethologie der Graugans. München/Zürich: Piper, 1988
  • Erich Rutschke: Wildgänse, Lebensweise – Schutz – Nutzung, Berlin: Parey, 1997
  • H. Kolbe, Die Entenvögel der Welt, 5. Aufl., Ulmer Eugen Verlag (1999) – ISBN 3800174421

Belletristik

Weblinks


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