Liquiditätsprämie

Liquiditätsprämie

Die Liquiditätsprämie ist der nicht materielle Nutzen eines Gutes, seine Prämie, für den sein Besitzer einen Betrag zu zahlen oder einen Aufwand zu leisten bereit ist, wenn er die Verfügung darüber, hier Liquidität genannt, besitzt. Die Liquiditätsprämie wird gemessen in Prozent des Anfangswerts des betreffenden Gutes für einen bestimmten Zeitraum, z. B. in Prozent pro Jahr. Sie ist ein Nutzen emotioneller oder ideeller Art. Liquiditätsprämie kann mit Verfügungsvorteil übersetzt werden.

Der Begriff der Liquiditätsprämie wird speziell gebraucht in Zusammenhang mit Geld, Kredit und Zins. Bei einem Kreditgeschäft ist die Liquiditätsprämie der Preis dafür, dass der Gläubiger über das verliehene Geld während der Laufzeit des Kredits nicht verfügen kann.

Obwohl eine Liquiditätsprämie jedem Gut im Rahmen der Eigenzinsberechnung zugewiesen werden kann, erreicht die Liquiditätsprämie nur bei Geld und gewissen Wertpapieren (z. B. Staatliche Schuldscheine) eine nicht vernachlässigbare Höhe.

Inhaltsverzeichnis

Theoretische Grundlage

Der Begriff der Liquiditätsprämie stammt von John Maynard Keynes. Nach ihm besitzt jedes Vermögensgut eine Liquiditätsprämie. Er unterscheidet für ein Vermögensgut (englisch „asset“) grundsätzlich drei wirtschaftliche Größen:

  1. die Produktivität (englisch „yield“) q eines Vermögensguts, die ein Erzeugungsverfahren unterstützt oder andere Dienste leistet;
  2. Durchhaltekosten („carrying cost“) c in Form von Wertminderung durch Verderben und Veralten wie auch Kosten für Unterhalt, Lagerung und Versicherung;
  3. Liquiditätsprämie („liquidity premium“) l, eine „potenzielle Annehmlichkeit oder Sicherheit“.

Der Gesamtvorteil eines Gutes, sein Eigenzins („own-rate of interest“), ist dann

Produktivität minus Durchhaltekosten plus Liquiditätsprämie,

q – c + l.

Bei Produktionskapital (zum Beispiel Maschinen) oder Gebrauchskapital (Gebäude) überwiegt der Produktivitätswert die beiden anderen Werte („man hat etwas davon“). Bei nicht benötigten und überflüssigen Gütern überwiegen die Durchhaltekosten („man muss sie pflegen und beschützen und hat nur Aufwand damit“). Bei Geld sind der Produktivitätswert null und die Durchhaltekosten (für Aufbewahrung und Sicherheit) gering, die Liquiditätsprämie jedoch bedeutend („man kann sich was dafür kaufen“). Der besondere Unterschied zwischen Geld und fast allen anderen Vermögensgütern besteht darin, dass beim Geld die Liquiditätsprämie die Durchhaltekosten stark überwiegt, während umgekehrt bei den anderen Vermögensgütern die Durchhaltekosten die Liquiditätsprämie stark überwiegen.

Beispiel

Für die Blumenverkäuferin hat der Strauß, wenn sie ihn verkauft, einen Produktivitätswert: den Verkaufserlös. Daneben verursacht er Durchhaltekosten: sie muss ihn ins Wasser stellen. Eine Liquiditätsprämie hat er für sie jedoch nicht, denn sie will ihn ja loswerden. Kann sie ihn nicht verkaufen und muss sie ihn wegwerfen, dann hat sie nur Durchhaltekosten. Dazu gehören dann auch die Kosten für die Entsorgung.

Für eine Käuferin hat der Strauß keinen Produktivitätswert mehr, denn sie will ihn ja nicht mehr verkaufen. Hingegen hat er für sie eine Liquiditätsprämie, weshalb sie ihn gekauft hat: je nachdem die Freude, die sie beim Verschenken empfindet, oder – wenn sie ihn selbst behält – die Freude an seiner Schönheit und seinem Duft. Doch muss sie dafür Durchhaltekosten in Kauf nehmen: Sie muss ihn ins Wasser stellen, dieses ab und zu erneuern und die Stiele neu anschneiden.

Liquiditätsprämie des Geldes

Beim Geld liegt der ideelle Nutzen – die Prämie – die einem Geldbesitzer aus seinem Besitz an Geld, aus seiner Liquidität zukommt, in der universellen Einsatzmöglichkeit des Geldes als Tauschmittel, die darin besteht, es überall und jederzeit gegen jedes zum Erwerb angebotene Vermögensgut eintauschen zu können. Mit keinem anderen Gut ist dies möglich. Dementsprechend verschafft Geld Zahlungsbereitschaft und die Freiheit der Wahl beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen.

Diese Vorteile lässt sich ein Geldbesitzer üblicherweise durch Zins vergüten, wenn er sein Geld als Kredit vergibt und während dieser Zeit auf Zahlungsfähigkeit und Wahlfreiheit verzichtet. Dabei geht die Liquiditätsprämie – der Vorteil der Verfügung über Geld – für die Laufzeit des Kredits vom Kreditgeber auf den Kreditnehmer über. Die Liquiditätsprämie des verliehenen Geldes wird dem Kreditgeber vom Kreditnehmer abgegolten durch einen Grundanteil im Zins, der im Allgemeinen ebenfalls mit Liquiditätsprämie bezeichnet wird. Hinzu kommen Zinsanteile für Inflationsausgleich, Anteil am Produktivitätszuwachs der Wirtschaft, Rückzahlungsrisiko und ein Vermittlerentgelt.

Die Liquiditätsprämie als Zinsanteil wird von Silvio Gesell als Urzins bezeichnet, von Dieter Suhr als Mehrwert des Geldes.

Beispiel Geldanlage

  • Eine renommierte Bank bietet Ihnen einen Festgeld-Vertrag an: Sie sollen der Bank 2000 € geben und in 2 Jahren erhalten sie 2000 € sowie einen Inflationsausgleich garantiert zurück. Würden Sie auf dieses Geschäft eingehen?

In aller Regel lautet die Antwort auf diese Frage Nein., denn das Geld hätte man (fast) genauso gut behalten können. In den 2 Jahren könnte es sein, dass der Gläubiger z. B. sein Auto reparieren muss oder eine andere, unerwartete Geldausgabe (z. B. wegen Krankheit) hat. Für diese würden dann diese 2000 € unter Umständen fehlen, vielmehr müsste er selbst einen Kredit aufnehmen, was ihm insgesamt teurer kommen würde. Die Bank kann aber ihr Angebot abändern:

  • Eine renommierte Bank bietet Ihnen einen Festgeld-Vertrag an: Sie sollen der Bank 2000 € geben und in 2 Jahren erhalten sie 2060 € sowie einen Inflationsausgleich garantiert zurück. Würden Sie auf dieses Geschäft eingehen?

Auch bei diesem Angebot, der 60 € Gewinn bringen könnte, ist vielleicht das Risiko (und der dazugehörige Aufwand), selbst einen Kredit aufnehmen zu müssen, immer noch zu hoch.

  • Eine renommierte Bank bietet Ihnen einen Festgeld-Vertrag an: Sie sollen der Bank 2000 € geben und in 2 Jahren erhalten sie 2120 € sowie einen Inflationsausgleich garantiert zurück. Würden Sie auf dieses Geschäft eingehen?

Bei 120 € Gewinn wird das Angebot langsam interessant. In diesem Beispiel liegt die Liquiditätsprämie also bei ungefähr 3 % pro Jahr.

Abweichende Beurteilung/Interpretation: Selbst bei dem Realzinssatz null oder leicht negativ, 2000 € Einlage, Rückzahlung von 2000 € und nur einem Teil des Inflationsausgleiches ist das Angebot überlegenswert: Es sind die Liquiditätsprämie und die an den Schuldner zu bezahlende „Gebühr“ für die Wertaufbewahrungsfunktion von Geld gegeneinanderzurechnen. Die Kreditvergabe, gering verzinste Einlage bei einer Bank, sichert das Geld ganz oder wenigstens teilweise vor Inflationsverlusten.

Literatur

  • John Maynard Keynes: ’’The General Theory of Employment, Interest and Money’’ (1936), ’’Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes’’ (dt. Ausgabe der ’’General Theory’’), Verlag Duncker & Humblot 2006, 10., verb. Auflage, ISBN 3-428-12096-5

Siehe auch


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