Antipsychotikum

Antipsychotikum

Als Neuroleptikum (etwa „Nervendämpfungsmittel“) wird ein Medikament bezeichnet, das als psychotrope Substanz eine antipsychotische, sedierende und psychomotorische Wirkung besitzt und vor allem zur Behandlung von Psychosen eingesetzt wird. Darüber hinaus werden hochpotente Neuroleptika (wie z. B. Droperidol) zusammen mit einem Opioid-Analgetikum (Fentanyl) zur Neuroleptanalgesie, einer Sonderform der Analgesie, verwendet.[1] Der Begriff Neuroleptika wurde 1955 eingeführt, seit den 1990er Jahren werden diese Medikamente häufig auch Antipsychotika genannt.

Der Einsatz von neuroleptischen Medikamenten ist heute üblicher Standard bei der Behandlung von akuten Psychosen, wobei nicht jede akute Psychose mit Neuroleptika behandelt wird (siehe Antidepressiva). Eine dauerhafte Medikation, nach Möglichkeit in geringerer Dosierung als in der Akutphase, kann erneuten Phasen akuter psychotischer Störungen vorbeugen. Neuroleptika ersetzen nicht die zusätzlich als notwendig anzusehende, ergänzende soziotherapeutische oder psychotherapeutische Behandlung. Darüber hinaus werden Neuroleptika auch bei anderen psychischen Störungen angewendet.

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Mit Einführung der Neuroleptikamedikation Anfang der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts ist der Anteil an im Krankenhaus behandelten Menschen mit psychotischen Symptomen aus dem schizophrenen Formenkreis signifikant gesunken.

Inhaltsverzeichnis

Chemie

Trizyklische Neuroleptika (Phenothiazine und Thioxanthene)

Chlorpromazin - ein Phenothiazin

Seit den 1950er-Jahren finden die trizyklischen Neuroleptika therapeutische Anwendung. Sie besitzen ein trizyklisches Phenothiazin- (Phenothiazine: zum Beispiel Chlorpromazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Prothipendyl, Perazin, Promazin, Thioridazin und Triflupromazin) oder Thioxanthenringsystem (Thioxanthene: zum Beispiel Chlorprothixen und Flupentixol). Das trizyklische Promethazin war zudem das erste therapeutisch genutzte Antihistaminikum. Strukturell ähneln trizyklische Neuroleptika weitgehend den trizyklischen Antidepressiva. Unterschiede in der pharmakologischen Wirkung zwischen beiden Substanzklassen werden mit einer voneinander abweichenden dreidimensionalen Konformation des trizyklischen Ringsystems in Verbindung gebracht.

Dibenzepine

Quetiapin - ein Dibenzepin

Von den älteren trizyklischen Neuroleptika sind die neueren trizyklischen Dibenzepine (zum Beispiel Clozapin, Olanzapin, Quetiapin und Zotepin) abzugrenzen. Sie verfügen über ein Dibenzothiepin- (Zotepin), Dibenzodiazepin- (Clozapin), Thienobenzodiazepin- (Olanzapin) oder ein Dibenzothiazepin-Ringsystem (Quetiapin), welche eine von den klassischen trizyklischen Neuroleptika abweichende dreidimensionale Anordnung besitzen und somit für deren abweichende (atypische) pharmakologische Wirkung verantwortlich sind.

Butyrophenone und Diphenylbutylpiperidine

Haloperidol - ein Butyrophenon

Die Butyrophenone (z. B. Haloperidol, Melperon, Bromperidol und Pipamperon) zeichnen sich chemisch durch einen 1-Phenyl-1-butanon-Baustein aus. Ausgehend vom Haloperidol wurden zahlreiche weitere Neuroleptika entwickelt, etwa das Spiperon mit klar erkennbarer Strukturverwandtschaft zu den Butyrophenonen. Therapeutische Anwendung finden auch die abgeleiteten Diphenylbutylpiperidine Fluspirilen und Pimozid).

Benzamide

Eine Sonderstellung nehmen die Benzamide (Wirkstoffe Sulpirid und Amisulprid) ein, die außer einem neuroleptischen noch einen gewissen stimmungsaufhellenden, aktivierenden Effekt haben.

Benzisoxazol-Derivate, andere Stoffe

Zwischen den „AtypikaRisperidon und Ziprasidon bestehen ebenfalls Strukturparallelen, sie können als entfernt mit Haloperidol verwandt betrachtet werden. Das neuere Aripiprazol weist einige Gemeinsamkeiten mit den älteren Substanzen auf. Während Risperidon besonders stark antipsychotisch wirkt, zeigt Ziprasidon noch einen Noradrenalin-spezifischen Effekt. Aripiprazol ist ein Partialagonist an Dopamin-Rezeptoren und in diesem Punkt von sämtlichen übrigen Neuroleptika verschieden.

Alkaloide

Das pentazyklische Rauvolfia-Alkaloid Reserpin hat in der Therapie der Schizophrenie nur noch historische Bedeutung.

Pharmakologie

Neuroleptische Potenz

Nach Einführung der Neuroleptika hatte man festgestellt, dass ein Medikament umso stärker antipsychotisch wirkte, je größer seine extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen waren. Man führte daher den Begriff der neuroleptischen Potenz ein, der ein Maß für diese Nebenwirkungen ist. Erst mit der Einführung des Clozapin im Jahre 1971 kamen Medikamente auf den Markt, bei denen dieser Zusammenhang nicht besteht und die als atypische Neuroleptika bezeichnet werden. Die neuroleptische Potenz wird im Chlorpromazin-Index (CPZi) angegeben.

CPZ-Äquivalent: 1 mg der Substanz entspricht x mg Chlorpromazin.

Zum Beispiel: Chlorpromazin als Standardwirkstoff hat einen CPZi = 1, Haloperidol CPZi = 50, Perphenazin CPZi = 10; dies heißt, das 1 mg Haloperidol eine neuroleptische Potenz vergleichbar mit 50 mg Chlorpromazin und Perphenazin 1 mg mit 10 mg Chlopromazin besitzen.

Je nach der Potenz werden klassische Neuroleptika in drei Klassen unterteilt:

  • niederpotente Neuroleptika (CPZi ≤ 1,0)
Beispiele: Promethazin, Levomepromazin, Thioridazin, Promazin
  • mittelpotente Neuroleptika (CPZi = 1,0-10,0)
Beispiele: Chlorpromazin, Perazin, Zuclopenthixol
  • hochpotente Neuroleptika (CPZi > 10,0)
Beispiele: Perphenazin, Fluphenazin, Haloperidol, Benperidol

Die Zahlenangabe der Potenz eines Neuroleptikums sagt wenig über den Effekt der Substanz im Einzelfall (beim konkreten Patienten) aus, da individuell das Ansprechen auf eine Dosis sehr verschieden sein kann.

Neuroleptikum
(Arzneistoff)
Stoffklasse CPZ-
Äquivalent X
mittlere (-max.) Dosis
je Tag in mg
Hochpotente N.:
Benperidol Butyrophenon 75 1,5–20 (–40)
Haloperidol Butyrophenon 50 1,5–20 (–100)
Bromperidol Butyrophenon 50 5–20 (–50)
Flupentixol Thioxanthen 50 3–20 (–60)
Fluspirilen DPBP 50 1,5–10 mg/Wo. (max.)
Olanzapin Thienobenzodiazepin 50 5–20 (max.)
Pimozid DPBP 50 1–4 (–16)
Risperidon Benzisoxazolderivat 50 2–8 (–16)
Fluphenazin Phenothiazin 40 2,5–20 (–40)
Trifluoperazin Phenothiazin 25 1–6 (–20)
Perphenazin Phenothiazin 15 4–24 (–48)
Mittelpotente N.:
Zuclopenthixol Thioxanthen 5 20–40 (–80)
Clopenthixol Thioxanthen 2,5 25–150 (–300)
Chlorpromazin Phenothiazin 1 25–400 (–800)
Clozapin Dibenzodiazepin 1 12,5–450 (–900)
Melperon Butyrophenon 1 25–300 (–600)
Perazin Phenothiazin 1 75–600 (–800)
Quetiapin Dibenzothiazepin 1 150–750 (max.)
Thioridazin Phenothiazin 1 25–300 (–600)
Niedrigpotente N.:
Pipamperon Butyrophenon 0,8 40–360 (max.)
Triflupromazin Phenothiazin 0,8 10–150 (–600)
Chlorprothixen Thioxanthen 0,8 100–420 (–800)
Prothipendyl Azaphenothiazin 0,7 40–320 (max.)
Levomepromazin Phenothiazin 0,5 25–300 (–600)
Promazin Phenothiazin 0,5 25–150 (–1.000)
Promethazin Phenothiazin 0,5 50–300 (–1.200)
Amisulprid Benzamid 0,2 50–1.200 (max.)
Sulpirid Benzamid 0,2 200–1.600 (–3.200)

(Modifiziert nach Möller 2001, S. 243)

Wirkmechanismus

Als gesichert gilt heute, dass der Wirkungsmechanismus von Neuroleptika auf einem Eingreifen in die synaptische Erregungsübertragung innerhalb des Gehirns beruht, wobei alle derzeitigen Neuroleptika die Übertragung des Neurotransmitters Dopamin hemmen. Zusätzlich können Neuroleptika mit Rezeptoren für Serotonin, Acetylcholin, Histamin und Noradrenalin interagieren.

Neuroleptika wirken symptomatisch, das heißt, sie können psychische Krankheiten nicht im eigentlichen Sinne heilen, aber Symptome wie Halluzinationen oder Wahn können damit zumeist beseitigt werden. Dies ermöglicht dem Patienten eine Distanzierung von der Erkrankung - er kann also seinen Zustand selbst als krankhaft erkennen.
Neuroleptika beeinflussen nicht das Bewusstsein und die intellektuellen Fähigkeiten, können jedoch mitunter stark sedieren. Insbesondere atypische Neuroleptika führen häufig sogar zu einer besseren Konzentrationsfähigkeit und Sprachfähigkeiten. Teilweise haben Neuroleptika neben der antipsychotischen auch eine sedierende (beruhigende) Wirkung. Zumindest für die herkömmlichen Neuroleptika gilt dabei: je geringer die neuroleptische Potenz, desto stärker ist die Sedierung.

Typische Neuroleptika

Herkömmliche (typische) Neuroleptika sind antipsychotisch wirksame Arzneistoffe mit einer weitgehend einseitigen Wirkung auf die sogenannte Positiv-Symptomatik der Schizophrenie (zum Beispiel Halluzinationen, Wahnvorstellungen). Pharmakologisch sind sie Antagonisten des Dopamins am D2-Rezeptor. Zu den typischen Neuroleptika gehören (geordnet nach abnehmender neuroleptischer Potenz u. a.:

Atypische Neuroleptika

Hauptartikel: Atypisches Neuroleptikum

Als „atypisch“ werden Neuroleptika bezeichnet, die im Vergleich zu typischen Neuroleptika eine erhöhte antagonistische Wirksamkeit an Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren besitzen. Damit verbunden ist eine verbesserte Wirksamkeit auf die sogenannte Negativ-Symptomatik der Schizophrenie (z. B. auf Gefühlsverflachung, sozialen Rückzug, Antriebsmangel).

Als atypische Neuroleptika gelten:

Nebenwirkungen

Allgemein

Es treten üblicherweise häufig Nebenwirkungen auf, die den Krankheitssymptomen entsprechen. Nach dem Spiegel-Bericht Abschied vom Kettenhemd würden die allermeisten Ärzte ihren Verwandten keine hochpotenten Neuroleptika verordnen.[2] Die Verträglichkeit von Neuroleptika ist individuell. Ein Wechsel des Medikaments kann zum Beispiel bei auftretender Bewegungsunruhe ratsam sein. Die Medikamente sollten so kurz wie möglich in so geringen Dosen wie möglich angewandt werden und zum Ende der Behandlung ausgeschlichen werden. Atypische Neuroleptika sollen weniger gefährlich sein als klassische Neuroleptika. Die Patienten sollten möglichst wenig Stress ausgesetzt sein, um erneute Krankheitsausbrüche zu vermeiden. Im Abschlussbericht der Bund-Länder Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“ zur 74. Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom Juni 2003, werden ab Seite 159 Psychopharmaka benannt, die wegen stark schädigenden Nebenwirkungen als durch das Vormundschaftsgericht genehmigungsbedürftig eingestuft werden. Diskutiert werden besonders potente Psychopharmaka wie Clozapin und Lithium, die Langzeitbehandlung mit Neuroleptika und Antikonvulsiva, z. B. Benperidol, Promethazin und Levomepromazin, wegen der damit verbundenen Gefahr von Spätfolgen durch eine Liste ins Gesetz aufzunehmen, „um die bedenkenlose (unkontrollierte) Anwendung einzudämmen“.[3]

Nebenwirkungen im Einzelnen

Die hier genannten Nebenwirkungen treten nicht alle zwangsläufig und auch nicht in gleicher Weise bei allen Neuroleptika auf.

Bei den Nebenwirkungen sind solche vegetativer Art (hormonelle und sexuelle Störungen, Muskel- und Bewegungsstörungen, Schwangerschaftsschäden, Körpertemperaturstörungen etc.) und solche psychischer Art (sedierende Wirkungen, Depressionen, Antriebslosigkeit, emotionale Verarmung, Verwirrtheit, andere Wirkungen auf das Zentralnervensystem etc.) zu unterscheiden. Betroffene selbst beschreiben oft ein Gefühl, „eingemauert“ zu sein.

Eine Folge der hemmenden Wirkung der Neuroleptika auf den Überträgerstoff Dopamin ist die Störung der Steuerung von körperlichen Bewegungsabläufen, da Dopamin daran wesentlich beteiligt ist. Dabei wird unterschieden zwischen:

  • Frühdyskinesien: Unwillkürliche Bewegungen bis hin zu krampfartigen Anspannungen von Muskeln und Muskelgruppen. Als quälend wird zum Beispiel das Zungenschlundphänomen mit Zungenkrämpfen und Schlundkrämpfen erlebt. Frühdyskinesien sind üblicherweise nach Absetzen eines Neuroleptikums bzw. Umstellung auf ein nebenwirkungsärmeres Präparat reversibel, bilden sich also zurück. Auch Biperiden - ein Anticholinergikum (Handelsname zum Beispiel Akineton®) - kann die Frühdyskinesien aufheben.
  • Während der Behandlung können als Nebenwirkung auch Bewegungsstörungen auftreten, die an die Parkinson-Krankheit erinnern und deswegen als Parkinsonoid bezeichnet werden. Auch dystone Störungen wie zum Beispiel ein Schiefhals kommen vor.
  • Bei Langzeitbehandlungen treten in bis zu 20 % aller Fälle Spätdyskinesien, auch Tardive Dyskinesien genannt auf. Das sind Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich (Zuckungen, Schmatz- und Kaubewegungen) oder Hyperkinesen (unwillkürliche Bewegungsabläufe) der Extremitäten. Diese treten nach längerer neuroleptischer Behandlung auf und scheinen eine Abhängigkeit von der insgesamt aufgenommenen Menge an Neuroleptika aufzuweisen. Spätdyskinesien werden zwar von den Betroffenen teilweise als weniger störend erlebt, fallen aber der Umwelt auf und sind dadurch oft bei der sozialen Reintegration störend. Spätdyskinesien sind häufig nicht reversibel und sprechen auch schlecht auf Biperiden an. Das Absetzen des Neuroleptikums verstärkt zumeist die Dyskinesie, ist aber die einzige Möglichkeit zur langdauernden Besserung. Dosisreduktion und Anticholinergika verschlechtern die Situation zumeist.
  • Akathisie: Eine quälende Sitzunruhe, die die Patienten dazu bringt ständig umherzulaufen. Diese Nebenwirkung spricht auf Biperiden nur mäßig an. Sie tritt unter atypischen Neuroleptika seltener auf.

Die Dyskinesien treten bei unterschiedlichen Neuroleptika unterschiedlich häufig auf. Grundsätzlich ist bei herkömmlichen, hochpotenten (stark antipsychotisch wirkenden) Neuroleptika das Auftreten von Dyskinesien wahrscheinlicher. Neuere, so genannte atypische Neuroleptika, versuchen durch eine spezifische Rezeptorbindung die Gefahr einer Dyskinesie zu mindern. Dies gelingt teilweise und vor allem bei sparsamer Dosierung. Keine Dyskinesien verursacht Clozapin. Clozapin kann allerdings gefährliche Blutbildstörungen verursachen, weshalb regelmäßige Kontrollen (Leukozyten und Thrombozyten) erforderlich sind.

Nebenwirkungen:

  • Sedierung (Müdigkeit, Verlangsamung der Reaktionen)
  • therapeutisch-induzierte Supersensitivitätspsychosen, bei denen es trotz hoher neuroleptischer Dosierung zu einer Toleranzentwicklung gegenüber der Neuroleptikawirkung kommt
  • Psychische Erstarrung
  • Abschottung" gegenüber der Umwelt
  • Bewegungsstörungen, Dystonien, Dyskinesien (s. o.), Parkinsonoid, Bewegungsstereotypen, Akathisie (Sitz-/ Bewegungsunruhe)
  • Leber- oder Nierenfunktionsstörungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Einschränkungen von Sexualität und Libido
  • erhebliche Verringerung der Lebenserwartung bei Dauermedikation
  • Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse
  • Gewichtszunahme bis hin zu Fettleibigkeit, besonders bei Clozapin und Olanzapin
  • Hormonstörungen, u. a. bei Frauen: Störungen der Regelblutung
  • Schädigungen bei bestehender Schwangerschaft
    • Neuroleptika werden mit der Muttermilch weitergegeben
  • Störungen der Regulation der Körpertemperatur
  • einige der modernen, atypischen Neuroleptika, wie zum Beispiel Risperidon und Olanzapin scheinen neueren Untersuchungen zufolge bei alten Patienten die Schlaganfallgefahr zu erhöhen.
  • Hyperprolaktinämie
  • Rhabdomyolyse
  • Epilepsie

Seltene (bis zu 0,4 %), aber unter Umständen lebensgefährliche Nebenwirkungen sind:

  • das Maligne Neuroleptische Syndrom mit Fieber, Muskelsteifigkeit und Bewegungsstarre, Bewusstseinsstörungen, starkem Schwitzen und beschleunigter Atmung.
  • Störungen der Bildung weißer Blutkörperchen (Agranulozytose).

Bestimmte Neuroleptika dürfen unter anderem nicht eingenommen werden bei einigen Blutbildveränderungen (z. B. Clozapin), Hirnerkrankungen, akuten Vergiftungen, bestimmten Herzerkrankungen sowie bei schweren Leber- und Nierenschäden.

Die Einnahme von Neuroleptika zusammen mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln kann zu einer gefährlichen Wirkungsverstärkung führen. Tee, Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke können die Wirkung von Neuroleptika verringern.

Durch Neuroleptika kann es zu einer Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens kommen. Die Fahrtüchtigkeit kann eingeschränkt sein, und es kann zu einer Gefährdung am Arbeitsplatz (zum Beispiel beim Bedienen von Maschinen) kommen.

Auf keinen Fall sollten Neuroleptika leichtfertig oder bei Menschen mit AD(H)S-Symptomen gegeben werden.

Kritische Aspekte der Neuroleptika-Anwendung

Gegenüber einer Neuroleptikaverschreibung gibt es einige sehr kritische Stimmen wie die des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener e.V. und der Anti-Psychiatrie-Bewegung. Auch unter den Anhängern evidenzbasierter Medizin gibt es eine Reihe von Kritikpunkten. Einige Aspekte sollen hier nur kurz dargestellt werden.

  • Die Indikation für eine langdauernde Neuroleptika-Therapie sollte auf Grund der möglichen schwerwiegenden, teilweise irreversiblen Nebenwirkungen nach Ansicht der Kritiker sehr viel strenger gestellt werden: Chronische Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Dyspepsie, Schlafstörungen und chronischer Schwindel gehören ihrer Meinung nach nicht dazu.
  • Einseitige Information: Informationen über Neuroleptika, vor allem zu deren Nebenwirkungen, werden von Betroffenen häufig als lückenhaft und unverständlich empfunden. Diese Verunsicherung vermindert die Akzeptanz der Einnahme.
  • Vernachlässigte Grundlagenforschung: Das Wissen zu Neuroleptika ist noch unzureichend und die Forschung wird nahezu ausschließlich durch Hersteller finanziert. Mangels besserer Behandlungsformen und aufgrund des hohen Handlungsdrucks bei Behandelnden und Angehörigen fehlt in der Praxis gelegentlich der Wille, kritische Fragen zu stellen. Eine unabhängige Grundlagenforschung wäre wünschenswert.
  • Frage der möglichen Abhängigkeit: Nach Meinung der meisten Mediziner führen Neuroleptika zu keiner Gewöhnung und Abhängigkeit. Diese Tatsache wird u. a. dadurch bekräftigt, dass es für diese Substanzen keinen Schwarzmarkt gibt. Noch bis 1999 galten in der Schweiz Probleme beim Absetzen als klares Zeichen einer vorhandenen schizophrenen Grunderkrankung. Dem widersprechen Berichte von unzufriedenen Patienten, die vor allem Probleme beim Reduzieren und Absetzen der neuen atypischen Neuroleptika beklagen. Bekannt ist, dass bei einer Umstellung auf ein anderes Neuroleptikum sich der Gesundheitszustand derart verschlechtern kann, dass selbst bei einer Rückkehr auf das ursprüngliche Präparat die Störung nicht mehr oder nur mit einer anhaltend erhöhten Dosis kontrollierbar ist. Weshalb das so ist, ist ungeklärt.
  • Probleme beim Absetzen und Reduzieren von Neuroleptika sind bislang wenig erforscht, allerdings gibt es viele Berichte von Betroffenen. Auf keinen Fall sollten Neuroleptika ohne ärztlichen Rat abgesetzt werden. Die Risiken und Probleme beim Absetzen können durch ganz langsame Reduktion unter engmaschigem Kontakt zum behandelnden Arzt vermindert werden.

Im Jahr 2008 deuteten Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten, England, den Niederlanden und Deutschland auf einen besorgniserregenden Anstieg der Off-Label-Verschreibungen an Kindern hin.[4]

Missbrauch von Neuroleptika

Neuroleptika hinterlassen bei Gesunden meist unangenehme Wirkungen: Menschen werden passiv, oft müde, teilnahmslos oder dysphorisch. Beispielsweise wurden in der UdSSR Regimekritiker mit Schizophreniediagnose und Neuroleptika ruhiggestellt, wenn die Sachlage nicht für einen Prozess reichte.

Siehe auch

Quellen

  1. Fachinformation Droperidol® Sintetica des Arzneimittel-Kompendiums® der Schweiz
  2. PSYCHIATRIE: Abschied vom Kettenhemd, in Der Spiegel, Ausgabe 52/2002
  3. Abschlussbericht der Bund-Länder Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“
  4. faz.net: Rosa Pillen für Kinder. 17. September 2008, abgerufen am 4. März 2009.

Literatur

  • Hans Bangen: Geschichte der medikamentösen Therapie der Schizophrenie. Berlin 1992, ISBN 3-927408-82-4.
  • Axel Elsaesser: Wirkungen von Psychopharmaka auf das Sexualverhalten des Menschen. Diss. München 1974.
  • Cornelia Krause-Girth: Schein-Lösungen. Bonn 1989.
  • Peter Lehmann: Psychopharmaka absetzen. ISBN 3-925931-12-0. (Stellungnahme gegen den Einsatz von Neuroleptika - z. T. heftig umstritten)
  • Möller u. a.: Psychopharmakotherapie. ISBN 3-17-014297-6.
  • Möller, Müller, Bandelow: Neuroleptika, Pharmakologische Grundlagen, klinisches Wissen und therapeutisches Vorgehen. Wiss. Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2001. ISBN 3-8047-1773-X.
  • O. Benkert, H. Hippius: Psychiatrische Pharmakotherapie. Springer, ISBN 3-540-58149-9.

Weblinks

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