Liudprand von Cremona

Liudprand von Cremona

Liutprand von Cremona (auch Luitprand, Liudprand) (* 920; † 972), war ein Historiker, Diplomat und seit 961 Bischof von Cremona.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Liutprand entstammte einer vornehmen italienischen Familie und wurde am königlichen Hof in Pavia erzogen und ausgebildet. Wie sein Vater und Stiefvater, so schlug es auch Liutprand, nachdem er zum Diakon geweiht war, in diplomatischen Diensten des neuen Herrschers in Oberitalien Berengar II. nach Konstantinopel an den Hof des Kaisers Konstantin VII. (Antap. VI, 4-10). Liutprand schildert seine Erlebnisse am Kaiserhof voller Bewunderung. Bedauerlicherweise bricht der Bericht abrupt ab. Nach seiner Rückkehr fiel Liutprand schließlich bei Berengar aus unbekannten Gründen in Ungnade. Er stellte sich nun in den Dienst des sächsischen Königs Ottos I. In dessen Gefolge kehrte er nach Italien zurück und wurde 961 zum Bischof von Cremona ernannt.

In Italien war Liutprand an diversen politischen Ereignissen beteiligt, wie beispielsweise der Kaiserkrönung Ottos I., der Absetzung Papsts Johannes XII., der Wahl Leos VIII., der Absetzung Benedikts V., der Wahl Johannes XIII., der Synode von Ravenna und der Kaiserkrönung Ottos II..

Zeugnisse seiner kaiserfreundlichen Einstellung sind in seinen Schriften zu finden, speziell im Liber antapodoseos, dem "Buch der Vergeltung", das Schmähungen insbesondere gegen Berengar II. und dessen Frau Willa sowie gegen einige Päpste enthält. Außerdem enthält die Antapodosis Schilderungen aus Deutschland, Italien und Byzanz sowie ein wenig Papstgeschichte. Der ungefähre Zeitraum von 888 bis 950 wird im Werk behandelt. Bei der Erstellung des Werks wurde kein Wert auf Vollständigkeit und lückenlosen Zusammenhang gelegt.

Liutprands Gesandtschaft nach Konstantinopel im Jahre 968

Im Kontext des Zweikaiserproblems und in der Frage um die Suzeränität über die langobardischen Fürstentümer Süditaliens geriet der westliche Kaiser Otto I. in einen Konflikt mit dem byzantinischen Kaiser Nikephoros II. Phokas. Die Zwistigkeiten konnten trotz mehrerer Versuche nicht mit diplomatischen Mitteln gelöst werden. Nach einem gescheiterten Feldzug Ottos gegen die süditalischen Provinzen des Byzantinischen Reiches bemühte sich dieser wiederum um eine friedliche Regelung.

Als Gesandter wurde der Cremoneser Bischof gewählt, ein bewährter Diplomat und Kenner des byzantinischen Hofes. Er war im Jahre 949 in den Diensten Berengars in Byzanz. Auch sein Vater und sein Stiefvater waren 927 als Gesandte in Byzanz. Die Verhandlungen scheiterten.

Otto verlangte eine „im Purpur geborene“ Prinzessin als Gattin für seinen Sohn. Für den byzantinischen Kaiser war die Abtretung der langobardischen Fürstentümer Capua und Benevent eine conditio sine qua non für einen Frieden. Für die von Otto gewünschte Ehe verlangte er noch weiter reichende Zugeständnisse. Nach mehrmonatigem Aufenthalt in Konstantinopel kehrte Liutprand nach Italien zurück. Eine militärische Auseinandersetzung war die Folge.

Werke

Von Liutprand sind folgende Schriften erhalten:

  • Liber antapodoseos, deutsch Das Buch der Vergeltung.
  • Historia Ottonis, deutsch Buch von König Otto.
  • Relatio de legatione Constantinopolitana, deutsch Bericht über die Gesandtschaft in Konstantinopel.
  • Homilia paschalis

Relatio de legatione Constantinopolitana

Darstellungsabsicht

Der Gesandtschaftsbericht des Bischofs Liutprand von Cremona ist in der Forschung durchaus umstritten. Schon die Frage, welche Absicht der Cremoneser Bischof mit dieser Schrift verfolgte, ist sehr unterschiedlich beantwortet worden. Diskutiert wird vor allem die erstmals von Martin Lintzel vertretene These, Liutprand habe seinen Herrn und Auftraggeber Otto zu einem Krieg gegen Nikephoros aufrufen wollen. Als ein Schriftstück politischer Propaganda interpretiert auch Werner Ohnsorge die Relatio, allerdings vermutet er, Liutprand habe damit Otto, der eigentlich das Modell des nicht-römischen, fränkischen Kaisertums bevorzugte, zur Übernahme des römischen Kaisertitels überreden wollen. Damit habe Liutprand die Auffassung des Papstes vertreten. Zuletzt hat Henry Mayr-Harting die These vertreten, die Relatio sei eigentlich an die langobardischen Fürsten Süditaliens gerichtet (trotz der ausdrücklichen Anrede, etwa in der Einleitung), um diese von einer Parteinahme zugunsten Ottos zu überzeugen. Diese Überlegungen gründen auf einigen Passagen der Relatio, in denen das Herrschaftsverständnis Ottos sowie des byzantinischen Kaisers Nikephoros II. Phokas kontrastierend einander gegenüber gestellt werden. So betont Liutprand z. B. Ottos Wertschätzung der Langobardenfürsten, während er Nikephoros sie seine Sklaven nennen lässt. Freilich kann dieser Kontrast auch auf einen Vergleich Ottos mit dem byzantinischen Kaiser herauslaufen, der geradezu ein Leitmotiv der Schrift zu sein scheint.

Dagegen wird z. B. von Jon N. Sutherland („Mission to Constantinople“) die Ansicht vertreten , es handele sich bei dieser Schrift eher um den Versuch Liutprands, das Scheitern seiner Mission zu rechtfertigen.

Essen und Trinken in der Relatio

Ungewöhnlich für einen Gesandtschaftsbericht sind zweifelsohne die häufigen Klagen und der permanente Spott Liutprands über die Speisen und Getränke, die man ihm anlässlich mehrerer Bankette vorsetzte. Die rhetorische Frage Lintzels, was dies mit einem Gesandtschaftsbericht zu tun habe, versuchte Detlev Zimpel durch Verweis auf den friedens-, bündnis- und gemeinschaftsstiftenden Charakter des Mahles (nach Gerd Althoff) in Liutprands Kulturkreis zu beantworten. Sein Fazit: Aus dem gemeinsamen Mahl hätten sich nach abendländischem Denken Verpflichtungen freundschaftlicher Art ergeben, die letztlich nicht im Interesse seines Auftraggebers gewesen seien.

Mit dem Thema Essen und Trinken in der Relatio haben sich außerdem Michael Rentschler und vor allem Thomas Weber beschäftigt.

Rezeption

Liutprand schilderte in seinen Schriften geschichtliche Ereignisse auf sehr lebendige, aber auch sehr voreingenommene Weise. Das unvollendete Liber antapodoseos, das die Geschichte Europas von 888 bis 958 beschreibt, enthält Schmähungen gegen Berengar II., während die Historia Ottonis eine Lobpreisung seines Patrons Ottos I. ist. Die Relatio de legatione Constantinopolitana, der Bericht seiner Reise an den byzantinischen Hof, ist voller Polemik gegen die Byzantiner. Trotz seiner Voreingenommenheit stellen die Werke Liutprands eine wichtige Quelle für die Geschichtsschreibung des 10. Jahrhunderts dar, die allerdings mit Vorsicht interpretiert werden müssen.

Literatur

Werkausgaben und Übersetzungen

  • Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 41: Die Werke Liudprands von Cremona (Liudprandi Opera). Herausgegeben von Joseph Becker. Hannover 1915 (Digitalisat).
  • Liudprands Werke. Lateinisch/deutsch. In: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Herausgegeben von Albert Bauer und Reinhold Rau. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe VIII. Darmstadt 1971, ISBN 3-534-01416-2

Sekundärliteratur

  • Michael Rentschler: Liutprand von Cremona. Frankfurt a.M. 1981.
  • Jon N. Sutherland: Liutprand of Cremona, bishop, diplomat, historian. Spoleto, Centro Italiano di Studi sull'Alta Medioevo, 1988.
  • Johannes Koder u. Thomas Weber: Liutprand von Cremona in Konstantinopel. Untersuchungen zum griechischen Sprachschatz und zu realienkundlichen Aussagen in seinen Werken. Wien 1980 (Byzantina Vindobonensis 13).
  • Wolfgang Huschner: Transalpine Kommunikation im Mittelalter. Diplomatische,kulturelle und politische Wechselwirkungen zwischen Italien und dem nordalpinen Reich (9.-11. Jahrhundert). Bd. II, (Monumenta Germaniae Historica, Schriften, Bd. 52), Hannover 2003, S. 510–623.
  • ADB XIX 19 f. (W. Wattenbach).
  • NDB XIV, 721 f. (R. Schieffer).
  • Lexikon für Theologie und Kirche, zweite, völlig neu bearbeitete Auflage, Bd. 6, Freiburg 1961, 1105f.
  • Ernst Karpf: Liutprand von Cremona. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München und Zürich, 2041f.
  • Girolamo Arnaldi, Liudprando e la Storiografia contemporanea nell'Italia Centro-Settentrionale. In: La Storiografia Altomedievale, 10-16 aprile 1969, Bd. 17, Spoleto 1970, S. 497–519.

Zur Relatio

  • Martin Lintzel: Studien über Liudprand von Cremona Berlin 1933, S. 371-384
  • Werner Ohnsorge: Die Anerkennung des Kaisertums Ottos I. durch Byzanz. In: Ders.: Konstantinopel und der Okzident. Darmstadt 1966, S. 29-52
  • Henry Mayr-Harting: Liudprand of Cremona's Account of his Legation to Constantinople (968) and Ottonian Imperial Strategy. In: English Historical Review 116, 2001, S. 539-556.
  • Jon N. Sutherland: The Mission to Constantinople in 968 and Liudprand of Cremona. In: Traditio 31, 1975, S. 54-81.
  • Constanze Schummer: Liudprand of Cremona - a diplomat?. In: Jonathan Shepard/Simon Franklin (eds.), Byzantine diplomacy. Aldershot 1992, S. 197-201.
  • Michael Rentschler: Liudprand von Cremona. Frankfurt a.M. 1981, bes. S. 17-30, 47-62.
  • Thomas Weber: Essen und Trinken in Konstantinopel des 10. Jahrhunderts nach den Berichten Liutprands von Cremona. In: Johannes Koder/Thomas Weber: Liutprand von Cremona in Konstantinopel. Untersuchungen zum griechischen Sprachschatz und zu realienkundlichen Aussagen in seinen Werken. Wien 1980, S. 71-99.
  • Johannes Koder: Subjektivität und Fälschung in der byzantinischen Geschichte. Liudprand von Cremona als Historiograph und als Objekt der Historiographie. In: Byzantiaká 15, 1995, S. 107-132.
  • Wolfram Brandes: Liudprand von Cremona (legatio cap. 39-41) und eine bisher unbeachtete west-östliche Korrespondenz über die Bedeutung des Jahres 1000 A.D. In: Byzantinische Zeitschrift 93, 2000, S. 435-463.
  • Detlef Zimpel: Zur Bedeutung des Essens in der „Relatio de legatione Constantinopolitana“ des Liutprand von Cremona. In: Historische Zeitschrift 269, 1999, S. 1-18.

Weblinks


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