Lowland Scots

Lowland Scots
Robert Burns schrieb seine Lyrik in Scots

Mit dem Begriff (Lowland) Scots (auch „Lallans“) wird eine Sprache oder eine Reihe von Dialekten bezeichnet, die in Schottland im Tiefland – nicht jedoch im (ehemaligen) gälischen Sprachgebiet der Highlands and Islands – gesprochen werden und im bergigen Südschottland (Southern Uplands), im Central Belt (Glasgow-Edinburgh) und in einem Landstreifen entlang der Ostküste bis nach Aberdeen beheimatet sind. Eine Untersuchung des General Register Office ergab 1996 eine Sprecherzahl von ca. 1,5 Millionen Menschen (ca. 30 % der Einwohner Schottlands). Außerdem wird Scots in den Teilen Nordirlands und Donegals gesprochen, die im 17. Jahrhundert von Schotten besiedelt wurden; hier wird es sowohl von Protestanten als auch von Katholiken gesprochen, aber aus ethnopolitischen Gründen als eine Sprache der protestantischen Bevölkerung gefördert.

Lowland Scots ist vom Schottischen Englisch – der heutigen Amts- und Bildungssprache Schottlands – deutlich zu unterscheiden. Manche betrachten das Scots heute als eine Einzelsprache.

Inhaltsverzeichnis

Dialekte

Scots wird in mindestens fünf Dialektgruppen unterteilt:

  • Nordschottisch: die Dialekte nördlich Dundees, auch Doric genannt
  • Mittelschottisch: die Dialekte in Mittel- und Südwestschottland
  • Südschottisch: die Dialekte im Grenzgebiet
  • Inselschottisch: die Orkney- und die Shetland-Dialekte
  • Ulster Scots: in Nordirland und Donegal gesprochene Dialekte (Ullans), die sprachwissenschaftlich betrachtet als Unterdialekt des Mittelschottischen gelten

In den Städten Aberdeen, Dundee, Edinburgh und Glasgow sind die Dialekte weniger stark ausgeprägt, aber durchaus vorhanden.

Eine standardisierte, überdialektale Form hat es nie gegeben. Wer Scots schreibt, schreibt entsprechend seinen eigenen Sprachgewohnheiten. Für die Schreibweise gibt es einige wenige Konventionen, ansonsten ist sie weitgehend phonetisch.

Textprobe

Die Weihnachtsgeschichte (Mt 1,18ff EU) aus der Lorimer Bible (20. Jh., Ostmittelschottisch).

This is the storie o the birth o Jesus Christ. His mither Mary wis trystit til Joseph, but afore they war mairriet she wis fund tae be wi bairn bi the Halie Spírit. Her husband Joseph, honest man, hed nae mind tae affront her afore the warld an wis for brakkin aff their tryst hidlinweys; an sae he wis een ettlin tae dae, whan an angel o the Lord kythed til him in a draim an said til him, “Joseph, son o Dauvit, be nane feared tae tak Mary your trystit wife intil your hame; the bairn she is cairrein is o the Halie Spírit. She will beir a son, an the name ye ar tae gíe him is Jesus, for he will sauf his fowk frae their sins.”

Aa this happent at the wurd spokken bi the Lord throu the Prophet micht be fulfilled: Behaud, the virgin wil bouk an beir a son, an they will caa his name Immanuel – that is, “God wi us”.

Whan he hed waukit frae his sleep, Joseph did as the angel hed bidden him, an tuik his trystit wife hame wi him. But he bedditna wi her or she buir a son; an he caa’d the bairn Jesus.

In diesem Textauszug kommt kein Lexem vor, das der englischen Sprache völlig fremd ist, doch mehrere Formen entsprechen veralteten oder seltenen englischen Vokabeln, oder werden leicht anders eingesetzt als in der Schriftsprache: tryst (Abmachung), ettle (versuchen, beabsichtigen), kithe (zeigen), bouk (Bauch), bairn (Kind). Hidlinweys ist eine nur im Dialekt vorkommende Bildung aus englisch hidden und way (etwa: verborgenerweise), mit der Bedeutung „heimlich“. O und wi sind abgeleitet von of und with, doch frae ist mit from nicht direkt verwandt, sondern entspricht englisch fro. Die Negation bedditna (englisch: bedded not) wirkt altertümlich. Ansonsten beobachtet man in diesem Text vor allem die Effekte des Tudor Vowel Shifts, einer Vokalverschiebung der frühen Neuzeit, die in Schottland und Nordengland anders verlaufen ist als im Süden. Wo Englisch ein stummes <gh> hat, wird in Scots <ch> geschrieben und wie im Deutschen gesprochen: micht (englisch might, deutsch möchte); wo das nicht vorkommt, lässt dieser Dialektschreiber die Konsonanten ganz weg: throu (gesprochen genau wie Standardenglisch through).

Weitere Textproben findet man im Artikel zu Robert Burns.

Weitere Beispiele

Scots besitzt einige wenige Lehnwörter aus dem Gälischen. Ein Beispiel ist braw (schön). Scherzend lassen die Schotten gerne englische Besucher folgenden Satz probieren, in dem der für diese schwierige ch-Laut mehrfach vorkommt: It's a braw bricht muin-licht nicht the nicht („Heute abend ist der Mondschein schön hell!“, wörtlich: „Es ist eine schöne helle Mondlichtnacht diese Nacht.“). Auch aus dem Gälischen kommt glen (Tal).

Der nordhumbrische Dialekt des Altenglischen, dem die heutigen schottischen und nordenglischen Dialekte entstammen, hatte aufgrund kultureller Kontakte eine gesteigerte Anzahl an dänischen Lehnwörtern. So hat Scots beispielsweise die ursprünglich nordische Form kirk für „Kirche“ (englisch church).

Andere beliebte Dialektwörter sind wee (klein), was in der schottischen Kindersprache eine interessante Verdoppelung als verharmlosendes Toilettenlexem erfährt: wee-wee (Harnstrahl); bonnie (hübsch), ein Lehnwort aus dem Französischen (bonne), das vielleicht aus der Zeit des „Auld Alliance“ zwischen Schottland und Frankreich gegen England hervorgeht; und loch (See), meistens ein Süßwassersee, aber auch in der Verbindung sealoch als Bezeichnung für die westschottischen „Fjorde“.

Typisch nordschottisch (Aberdeen und Gegend) sind die Bezeichnungen loun (Knabe) und quean (Mädchen), letztere verwandt mit altnordisch kvinn (Frau) und englisch queen (Königin), aber schon im Altenglischen ein getrenntes Lexem. Auch nordschottisch ist der Wandel des behauchten /wh/ zu einem /f/: fit = englisch what (Grußformel in Aberdeen: fit like?, etwa „wie geht's?“).

Die typischen Beispiele sind jedoch meistens tendenzielle Präferenzen. Man zieht gern die Gleichung: englisch know = Scots ken. Dies trifft zu, verbirgt aber die Tatsache, dass ken auch im Standardenglischen existiert, während auch knaw im Concise Scots Dictionary steht. Was stimmt, ist, dass die Schotten ken häufig benutzen, die Engländer seltener. In Nordost-Schottland wird die Floskel Ken this? gerne als Satzeinleitung verwendet, wie etwa englisch Know what?.

Andere Wörter, die gemeinhin als Scots gelten, doch ebenfalls zur Dichtersprache des Standardenglischen zählen, sind aye (ja), lad(die) (Knabe), lass(ie) (Mädchen).

Schrifttum

Schottland hat zur englischen Literatur einen verhältnismäßig starken Beitrag geleistet, doch hauptsächlich in der englischen Standardsprache. Scots wird vergleichsweise selten in der Literatur verwendet. Im Mittelalter hat natürlich jede Gegend nur die eigene Sprachform geschrieben, so schrieben die Renaissance-Dichter Robert Henryson und William Dunbar eine Frühform von Scots (die sie aber inglis nannten). Seit Einführung des Buchdrucks wird Scots jedoch nur dann geschrieben, wenn man aus romantischen Gründen eine ländliche Idylle heraufbeschwören will, oder die Nostalgie oder die Heimatverbundenheit zum Ausdruck bringen will. Folglich ist Scots vor allem eine Sprache für die Lyrik; Dialektdichtung gewann zum ersten Mal breitere Beliebtheit, als Robert Burns im späten 18. Jahrhundert Volkslieder in der bäuerlichen Volkssprache veröffentlichte und diese in seinen eigenen Gedichten nachahmte. Burns gilt als der größte Dialektschreiber Schottlands. In anderen Formen wird Scots sehr selten benutzt. In schottischen Romanen findet man typischerweise Scots in den Dialogen, aber nicht in der Erzählung – das klassische Beispiel ist hier Sir Walter Scott. Als die Bibelübersetzung von Lorimer (siehe oben) 1983 erschien, fand sie einen großen Anklang, wurde jedoch vor allem in nostalgischen, volkstümlichen Versammlungen vorgelesen, selten in den Kirchen.

Im frühen 20. Jahrhundert versuchte die Lallans Society, Elemente der verschiedenen Dialekte zusammenzutragen, um eine auch für formelle Zwecke schriftfähige Sprache zu produzieren. Bewusst versuchte man, veraltetes Wortgut wieder lebendig zu machen, um die Unterschiede zwischen Scots und Englisch frappanter zu machen. Hugh MacDiarmid ist das bekannteste Beispiel eines Schreibers, der sein Scots nicht nur aus dem eigenen Umfeld zieht, sondern aus Wörterbüchern ausschmückt. Es ist jedoch bezeichnend, dass MacDiarmid nur wegen seiner Lyrik berühmt ist. Insgesamt fand die Lallans Society wenig Anklang, da die Mehrzahl der Sprecher die Sprachform als Schriftsprache ablehnte.

Seit der Eröffnung des schottischen Parlaments (1999) scheint es erneute Versuche zu geben, Scots für formelle Zwecke einzusetzen. So trägt die Website des Parlaments versuchsweise Übersetzungen einiger juristischen Texte ins Scots. Es bleibt abzuwarten, wie diese Texte von der Bevölkerung aufgenommen werden. Von der Presse werden sie im großen und ganzen belächelt.

Scots als eigene Sprache

Scots wird traditionell als Dialekt(gruppe) des Englischen eingestuft, aber seit dem frühen 20. Jahrhundert besteht eine wachsende Anzahl von Sprechern, die lieber an eine eigenständige Sprache denken. Ein Konsens zu dieser Frage wurde noch nicht erreicht.

Das Vereinigte Königreich hat Scots als eine Regionalsprache im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen anerkannt.

In Nordirland gewinnt Ulster Scots seit den 1990er Jahren im Zuge des Friedensprozesses einen neuen Status. Da der katholisch-republikanischen Bevölkerung eine erweiterte Anerkennung des Irischen eingeräumt wurde, bestand die protestantisch-unionistische Seite auf eine Gleichstellung ihrer besonderen Sprache, die dadurch plötzlich einen brisanten politischen Stellenwert annahm.

Literatur

  • William Grant, James Main Dixon: Manual of Modern Scots, Cambridge 1921 (detaillierte, noch immer Maßstäbe setzende Übersicht).
  • Billy Kay: Scots, The Mither Tongue, London 1986 (eine Sprachgeschichte; seither erneut aufgelegt).
  • Eugen Dieth: A Grammar of The Buchan Dialect (Aberdeenshire), Vol. 1 Phonology – Accidence), Diss. Zürich, Cambridge 1932 (bis heute die ausführlichste Darstellung der Grammatik eines schottischen Dialekts).
  • The Scottish National Dictionary. Designed partly on regional lines and partly on historical principles, and containing all the Scottish words known to be in use or to have been in use since c. 1700, hg. von William Grant und David D. Murison, Bde. I–X Edinburgh 1929–1976 (das umfassendste Wörterbuch der schottischen Mundarten).
  • The Concise Scots Dictionary, leitender Herausgeber: Marie Robinson, Aberdeen 1985, Edinburgh 1996.

Weblinks


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