Loya Dschirga

Loya Dschirga
Delegierte der Loja Dschirga 2002

Die Loja Dschirga, Loya Jirga(h) oder Loya Gerga Pashtu bzw. (‏لويه جرگه‎), ist die große Versammlung, die in Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und sogar heute noch in der Mongolei zur Klärung der großen nationalen und ethnischen/tribalischen Fragen abgehalten wird.

Der aus „Loja“ (auf pashtu |لويه, zu deutsch groß) und „Dschirga“ (persischجرگه‎), zu deutsch Zelt, Kreis, Rat, Versammlung, Treffen, Disput) Begriff zusammengesetzte Begriff stammt ursprünglich aus dem Altaischen.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Solche Versammlungen haben ihren Ursprung in den altaischen Kulturen, so auch aus dem mongolischen Reich. So erhoben z.B. die mongolischen Stammesfürsten Temüdschin (Dschingis Khan) im Jahre 1206 in einer "Ger" (gesprochen wie 'J' auf französisch)" zu ihrem Oberhaupt bzw. Großkhan.

Unter den Timuriden und den Moghulen, obwohl sie türkische als auch mongolische Wurzeln hatten, war die Loja Dschirga in Vergessenheit geraten. Einerseits weil sie „persifiziert“ waren, andererseits weil sie Wesire und Diplomaten hatten, die sich mit Problemen befassten, die das Gesellschaftsleben betrafen, ganz zur Zufriedenheit des Herrschers.

Jüngere Geschichte

Paschtunen

In der paschtunischen Gesellschaft werden die Loja Dschirgas heute noch sehr stark praktiziert und gepflegt und vor und mit Stammesfürsten abgehalten, in denen gesellschaftlich interne oder externe Konflikte mit anderen Stämmen zu beseitigen versucht wird. Der Grund für die Existenz der Loja Dschirga bei den Paschtunen liegt eindeutig daran, dass einige Stämme nicht-iranischer Herkunft sind. So war der Zadranstamm (von den Nicht-Paschtunen heute noch als Jadran bezeichnet) ursprünglich ein mongolischer Stamm, der mit der Zeit der Islamisierung durch die Paschtunen in den nördlichen Regionen der Sulaimangebirgsketten paschtunisiert wurde. Weitere nicht-iranische Paschtunenstämme mit türkischem oder mongolischem Hintergrund sind die Ghalzais, Nachfahren der Khaljis oder die Zazais (von Nicht-Paschtunen als Jajis bezeichnet).

Als Paschtunenfürsten die Macht übernahmen, versuchten sie, durch diese Versammlungsart ihre Macht zu legitimieren. Während Anfangs nur Paschtunen von Gerga bzw. Jirga Gerbrauch machten, wurden später auch andere ethnische Gruppen einbezogen, jedoch ohne die Nicht-Paschtunen wirklich zu berücksichtigen. Die Teilnehmer sind Stammes- oder Regionalführer, Politiker, Militärs oder religiöse Führer, Mitglieder der Köngisfamilie und der Regierung. König Amanullah Khan institutionalisierte die Loya Jirga. Er war auch der einzige König, der drei Mal von ihr Gebrauch machte. Seit Amanullah Khan bis zur Herrschaftszeit von Zaher Khan (1933-1973) und Daud Khan (1973-1978) verstand man unter Loya-Jirga eine gemeinsame Sitzung aus regionalen paschtunischen Stammesführern.

Die Treffen finden in unregelmäßigen Abständen statt. Einige Historiker vermuten, dass diese Tradition schon 1000 Jahre alt ist.

Es gibt keine Zeitbeschränkung in einer Loja Dschirga, und sie tagt solange, bis Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen werden in Übereinstimmung getroffen. Viele verschiedene Probleme werden beraten, wie Außenpolitik, Kriegserklärung, Legitimierung von Führern oder die Einführung neuer Ideen und Regeln.

Chorasan

Folgende Loja Dschirgas fanden in der Geschichte Chorasans (bis 1857/58) statt. Die ersten Versammlungen dieser Art sollen ab 1414 unter dem Titel Jirga e Safa (Reinigungsversammlung) abgehalten worden sein.


Kabulistan & Afghanistan

Folgende Loja Dschirgas fanden in der Geschichte Kabulistans oder auch Das Königreich von Kabul genannt statt:

Folgende Loja Dschirgas fanden in der Geschichte Afghanistans (seit 1911) statt: König Amanullah Khan (1919-1929) machte Loya Jirga zu einer politischen Institution, da er die große Versammlung gleich drei Mal einberief:

  • 1920 in Dschalalabad Provinzhauptstadt Negarhar: Verabschiedung der Gesetze zu politischen und sozialen Reformen; erste Verfassung, Abschaffung von Sklaverei vorwiegend aus Ethnie der Hazara und des Zwangssteuers, vorwiegend von Einwohnern der hinduistischen Glaubensrichtungen Hindu und Sikhs
  • 1922 in Paghman, Kabul (Provinz) : Verabschiedung von Gesetzen zu Wirtschaftsreformen
  • 1924 in Paghman, Kabul (Provinz) : Verabschiedung von Gesetzen zum Aufbau des Parlaments und zu Reformen des Militärs und Verwaltungswesens.
  • 1930, einberufen von Mohammed Nadir Schah, um seine Thronbesteigung zu legitimieren
  • 1941, einberufen von Mohammed Sahir Schah, um Neutralität im Zweiten Weltkrieg zu vereinbaren
  • 1964, (452 Teilnehmer), einberufen von Mohammed Sahir Schah, um eine neue Verfassung zu verabschieden
  • 1974, Daud Khan ruft eine Sitzung ein mit der Absicht Pakistan mit der Duran-Line-Frage zu konfrontieren (mit schweren Folgen, denn Pakistan schickte den paschtunischen Heerführer Gulbuddhin Hekmatyar nach Kabul, der die Stadt fast vollständig zerbomben ließ)
  • 1977, verabschiedete die neue Verfassung von Mohammed Daoud Khan, die einen Einparteienstaat für die Republik Afghanistan vorsah
  • 1985, verabschiedete die neue Verfassung der Demokratischen Republik Afghanistan
  • 2001 gab es vier verschiedene Loja Dschirgas, die das Ende der Taliban-Herrschaft diskutierten:
    • Die erste in Rom um Mohammed Sahir Schah. Sie forderte die Interessen der Paschtunen aus dem Südosten Afghanistans, genau der Gruppe, die die Taliban viel unterstützten. Roms Initiative verlangte angemessene Wahlen für alle, Unterstützung der Regierung, Achtung der Menschenrechte und Unterstützung des Islams als ein Teil afghanisches Fundament.
    • Die zweite traf sich in Zypern, geführt von Homayoun Jarir, dem Schwager des Warlords und Taliban-Kämpfers Gulbuddhin Hekmatyar. Die Mitglieder der in Zypern gehaltenen Jirga waren zum größten Teil der königlichen Familie angehörig oder unabhängige Adelige paschtunischer Abstammung.
    • eine dritte und wichtigste war die sog. Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn,
    • und die vierte in Pakistan.
  • 2002, 11. Juni, einberufen von der Übergangsverwaltung von Hamid Karzai, mit 1.500 Delegierten, die entweder durch Wahlen in den verschiedenen Landesteilen bestimmt wurden oder von politischen, kulturellen oder religiösen Gruppen entsandt wurden. Sie wurde in einem großen Zelt auf dem Campus der Polytechnischen Hochschule Kabul abgehalten. Sie etablierte die Übergangsregierung.
  • 2003, am 14. Dezember trafen sich 502 Delegierte, darunter 114 Frauen, in Kabul, um über eine neue Verfassung für Afghanistan zu beraten. Andere Diskussionspunkte waren die Frage nach der offiziellen Sprache (Persisch (Dari) oder Paschtu), ob der ehemalige König Mohammed Sahir Schah den Titel „Landesvater“ behalten solle, die Rechte der Frauen und ob Afghanistan eine freie Marktwirtschaft haben solle. Ursprünglich sollte diese Loja Dschirga nur 10 Tage dauern. Doch die Auseinandersetzungen waren langwierig, in Afghanistan wurde die Loja Dschirga deshalb auch loja dschagra (Großer Kampf) genannt. Am 4. Januar 2004 verabschiedete die Loja Dschirga die neue Verfassung für Afghanistan.

Belutschen

Am 29. April 2006 bot der belutschische Minister Mir Taj Muhammad Jamali dem pakistanischen Präsidenten Pervez Musharaf ein Treffen (Loya Jirga) an, mit der Absicht, die Provinz Belutschistan wieder friedlicher zu machen. Eine weitere Große Jirga wurde im September 2006 in Kalat abgehalten, bei der es um die Rechte der Belutschen ging.

Am 9. August bis 11. August 2007 fand die dreitägige Jirga e Amen (Friedensversammlung) in Kabul statt. Die Hälfte der Mitglieder dieser Versammlung kam aus Pakistan.

Einzelnachweise

  • 1.^ The Nation, 3 October 2006 Jirga rejects mega projects
  • 2.^ Daily Times, 4 October 2006 Baloch jirga to form supreme council to implement decisions
  • This article contains material from the Library of Congress Country Studies, which are United States government publications in the public domain.- Afghanistan

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