Lustgarten (Potsdam)

Lustgarten (Potsdam)
Historischer Lustgarten um 1900 zwischen Havel, Stadtschloss und Garnisonskirche

Der Lustgarten ist die älteste Gartenanlage in Potsdam. Er entstand, unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und der Federführung des Statthalters Johann Moritz von Nassau-Siegen, um 1660. Als Vorbild dienten die Gartenanlagen der Stadt Kleve, dessen Ensemble aus Park und Schloss eine große Menge von Besuchern angezogen hatte. Der Lustgarten selbst war Teil eines Ensembles aus Stadtschloss, Altem Markt und Havelufer. Er stellte einen in sich geschlossenen Raum dar, der aber durch die offene Ringer- sowie Havelkolonnaden dennoch leicht zu begehen war und somit Transparenz ausstrahlte. Seine Hauptachse erstreckte sich von einer Fläche vor der Südseite des Schlosses, der sogenannte Gartenseite, bis zur Havel. Im Norden bildete der langgestreckte Marstall eine Abgrenzung zur Stadt, während nach Westen hin eine Mauer die Soldaten am Desertieren hindern sollte. Hier befand sich bis Anfang des 18. Jahrhunderts die natürliche Stadtgrenze, denn dahinter begann das brache Sumpfland, wo sich Fischer in der Siedlung Kiez niedergelassen hatten (heutiger Verlauf der Breiten Straße, stadtauswärts).

Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ den Lustgarten als Exerzierplatz planieren. Sein Sohn Friedrich II. gestaltete die südliche Hälfte wiederum zum Park und errichtete die Ringerkolonnaden, während auf der verkleinerten Freifläche die Garnison weiterhin exerzierte und paradierte. Lange Zeit durch Boskette gegliedert erfolgte ab 1829 eine Vereinfachung des Parks nach Plänen des Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné zu Baumalleen und Heckenbepflanzung. Das Neptunbecken, von Friedrich I. als Schiffsanleger geschaffen, wurde durch die langsame Fließgeschwindigkeit der Havel und damit zunehmende Versandung von ihr getrennt und so zum Bassin. Dazu trug auch der Bau der Berlin-Magdeburger-Eisenbahn bei, die den Lustgarten bei ihrer Fertigstellung 1838 zwar nur südlich tangierte, nach ihrer Höherlegung Ende des 19. Jahrhunderts aber ganz von der Havel abschnitt. 1885 stellte man ein Bronzestandbild Friedrich Wilhelms I. von Carl Hilgers gegenüber dem Marstall an der Parkseite des Lustgartens auf. In dieser Form bestand der Lustgarten bis 1945 nahezu unverändert.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der Bau eines Sportstadions auf der Fläche des Lustgartens, wodurch dieser großflächig zerstört wurde. Das unbeschädigte Denkmal Friedrich Wilhelms I. wurde demontiert und 1950 auf Anordnung der Brandenburgischen Landesregierung als Buntmetallschrott zusammen mit anderen Potsdamer Bronzestandbildern eingeschmolzen.[1]

Im Jahre 1960 kam es auf Initiative der SED im Zusammenhang mit der geplanten aber nie realisierten Errichtung eines Karl-Liebknecht-Forums innerhalb des neuen sozialistischen Stadtzentrums zu weiteren einschneidenden Veränderungen. Das schmiedeeiserne klassizistische Gitter, das den Lustgarten nach Westen abschloss, wurde entfernt und später eingeschmolzen, das noch erhaltene Neptunbassin mitsamt der wenig beschädigten Neptungruppe zugeschüttet und das 1945 ausgebrannte Stadtschloss gesprengt.[2] In den Jahren 1966 bis 1969 erfolgte der Bau des Interhotels (heute Hotel Mercure). Ein wenig beschädigter Teil der Ringerkolonnaden und ein Giebelrelief, Kapitelle und Putti des Schlosses fanden 1970 am unmittelbar angrenzenden, neu errichteten Hafen ihren Platz.

Anlässlich der Bundesgartenschau 2001 wurde das ehemalige Sportstadion beseitigt und der Lustgarten in Anlehnung an die historische Formgebung neu gestaltet. Die Ringerkolonnade und das Neptunbassin wurden restauriert, wobei nur ein kleiner Teil der ursprünglich dafür verwendeten Figuren wieder aufgefunden werden konnte. Es entstanden ein Stadtplatz und Gartenanlagen für Sportveranstaltungen und Erholung. Weiterhin präsentiert sich am Havelufer eine vollständig erneuerte Schiffsanlegestelle mit Hafengebäude und Kaianlage, Gastronomie- und Servicebereichen, die einen Startpunkt für zahlreiche Ausflugsfahrten ins Havelland und nach Berlin darstellt.

Ein Großteil des Lustgartens wurde speziell für Volksfeste, Jahrmärkte und Messen befestigt und erhielt deshalb helle Betonplatten als Untergrund. Seitdem hat sich der Lustgarten als zentraler Veranstaltungsort zwischen dem Havelufer, dem Filmmuseum Potsdam und der Nikolaikirche in der Stadt Potsdam etabliert.

Einzelnachweise

  1. Frank Bauer, Hartmut Knitter, Heinz Ruppert: Vernichtet.Vergessen.Verdrängt. Militärbauten und militärische Denkmäler in Potsdam, E. S. Mittler & Sohn, Berlin, Bonn, Herford 1993, S. 137, Dokumente des behördlichen Schriftverkehrs zur Denkmalvernichtung 1945-1950 S. 186-196
  2. Hans Berg: Die verlorene Potsdamer Mitte, Eigenverlag, Berlin 1999, S. 3/4 und 12

Weblinks

 Commons: Lustgarten Potsdam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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