Machart

Machart

Unter Machart versteht man im Schuhbau die Verbindung von Schuhschaft (Oberteil) und Schuhboden (Sohle). Die Machart ist sehr entscheidend für Preis, Haltbarkeit, Reparaturfreundlichkeit und Passformstabilität des Schuhs. Sie gilt neben dem verwendeten Material als Hauptkriterium zur Qualitätsbeurteilung eines Schuhs. Bei einigen Schuhmodellen ist sie besonders charakteristisch, beispielsweise Mokassins und Opanken.

Inhaltsverzeichnis

Historisches

Die Konstruktionsweisen der Schuhe (Macharten) entwickelten sich aus überlieferten Verfahren und wurden durch neue technische Möglichkeiten erweitert. So ist beispielsweise das Befestigen der Laufsohle mit einer seitlichen Flechtnaht (wie beim Schuhmodell der Opanke üblich) schon seit keltischer Zeit überliefert. Dahingegen kam das Verkleben der Sohle mit dem Schaft erst in nach der Erfindung eines passenden Klebstoffes in den 1920er-Jahren auf, und das Anspritzverfahren fand erst nach der Entwicklung entsprechender thermoplastischer Kunststoffe seit den 1950er-Jahren Verbreitung.

Formen von Macharten

Die verschiedenen Originalmacharten werden grob in vier Gruppen unterteilt:

direktangesohlte Macharten

Die Direktansohlung ist typisch für Sportschuhe und niedrigpreisige Halbschuhe.

  • anvulkanisierte Sohle
Die meist fertig vorgepresste, aber noch formbare plastische Sohle wird auf das Schuhoberteil aufgebracht und danach durch Vulkanisation zu einer elastischen, festeren Form umgewandelt und mit dem Oberteil verbunden. Diese Methode wurde durch die Entwicklung neuer thermoplastischen Kunststoffe seit den 1940-er Jahren stärker verbreitet.
  • angespritzte Sohle
Der Oberschuh wird in eine Gussform gestellt. Die Sohle wird durch Auffüllen der Gussform mit Kunststoff hergestellt und gleichzeitig direkt mit dem Oberschuh verbunden. Diese Methode ist erst seit dem Beginn wirklicher Massenproduktionen (Mitte der 1950er Jahre) rentabel, da hier für jede Schuhgröße teure Formen hergestellt werden müssen. Eine Investition, die sich erst bei hohen Stückzahlen rentiert. Dann handelt es sich aber um das kostengünstigste Produktionsverfahren im Vergleich zu den anderen Macharten.

AGO-Machart

Bei dieser Produktionsform wird die Sohle mit dem Oberteil verklebt. Francesco Rampichini erntwickelte 1911 einen Klebstoff, der erstmals auch Leder mit Leder verkleben konnte. Diese neue Verbindungsmöglichkeit (AGO = another great opportunity) sparte viel Zeit. Es dauerte noch einige Jahrzehnte, bis die Klebstoffe so weit entwickelt waren, dass sie keine zu unflexible Schicht mehr darstellten, um den Anforderungen eines Schuhs gerecht zuwerden.

genähte Macharten

Durchgenähte Machart (Querschnitt)
Einblick in die rahmengenähte Machart von unten (ohne Ausballung)

Bei dieser traditionellen Methode wird der Oberschuh mit der Sohle vernäht - entweder händisch oder maschinengenäht. Im Detail wird unterschieden, wie diese Naht geführt wird - was gewisse Vorteile (z.B. schnellere und einfachere Produktion) und Nachteile (z.B. Wasserdurchlässigkeit) mit sich bringen kann.

  • durchgenähte M. (typische M. für Loafer)
Die Naht wird direkt durch die Sohle und Brandsohle (die Innensohle des Oberschuhs) geführt.
  • rahmengenähte M. (typische M. für hochwertige Businessschuhe)
Hier wird zuerst der Schaft mit der Brandsohle mittels einer Einstechnaht von außen vernäht, wobei aber gleichzeitig auch auf der Außenseite des Oberschuhs ein schmaler Lederstreifen aufgenäht wird. Dieser sogenannte Rahmen wird dann in einem zweiten Schritt von unten mit der Laufsohle vernäht. Diese aufwändigere Methode bietet den Vorteil, dass kein Wasser in das Schuhinnere eindringen sollte, da die Innensohle ja nicht durchstochen wurde.
zwiegenähte M. (typische M. für genähte Bergschuhe)
Veldtschoen-M. (typische M. für englische Country- und Bergschuhe)
  • Mokassin-M. (die typische M. für Mokassins und auch für viele Loaferschäfte – auch für die durchgenähten Loafer)
  • flexibelgenähte M. (typische M. für genähte Freizeitschuhe; bekanntes Modell: Clarks Desert-Boot)
  • wendegenähte Machart (typisch für Hausschuhe)

andere Macharten

  • holzgenagelte Machart (früher für stark beanspruchtes Schuhwerk wie zum Beispiel Militärstiefel verwendet)
  • geschraubte Machart (früher für stärker beanspruchtes Gebrauchsschuhwerk verwendet)

Varianten

Legende für die Querschnittzeichnungen (Querschnitt)
Original-Handmachart: Rahmengenäht mit Einstechdamm (handeingestochen) (Querschnitt)

Originalmachart

Original-Maschinenmachart: Rahmengenäht mit Risslippe (Original Goodyear)
variierte Machart: Rahmengenäht mit Gemband (Variiert Goodyear)

Man spricht von einer Originalmachart, wenn die Bodenbefestigung mit den Originalmaschinen, Werkzeugen und Materialien geschieht, wie es bei der Einführung dieser Machart vorgesehen war. Die oben vorgestellten Formen von Macharten stellen somit jede für sich gesehen eine Originalmachart dar.

Beispiel: Bei der original zwiegenähten Machart (maschinengenähte Variante nach Eppler-Verfahren) sorgt eine Risslippe (von innen nach außen geschnitten) an der Brandsohle für die Schaftbefestigung mit der Einstechnaht und der Außenschaft wird nach außen auf die Zwischen- oder Laufsohle umgeschlagen und dort mit der Doppelnaht mit der Sohle verbunden (beides geschieht mit der Eppler-Maschine). Zwiegenähte Macharten, bei denen der Schaft nicht nach außen umgeschlagen, sondern vorher abgeschnitten wird, oder wo statt der Risslippe ein Gemband verwendet wird, entsprechen nicht der Originalmachart.

variierte Machart

Bezeichnet eine Originalmachart oder eine kombinierte Machart (siehe unten) die mit anderen Werkzeugen und Werkstoffen ausgeführt wird.

Beispiel: Wenn bei der rahmengenähten Machart statt eines Einstechdamms (handrahmengenähte Originalmachart) oder einer Risslippe (Goodyear-genähte Originalmachart) ein Gemband unter die Brandsohle geklebt wird, spricht man von einer variierten Machart. Insofern sind fast alle heute mit der Maschine rahmengenähten Schuhe nach einer variierten Machart gefertigt. Die übliche Bezeichnung Goodyear welted weist nur auf den Gebrauch der Einstech- und Doppelmaschine der Firma Goodyear hin.

kombinierte Machart

Um eine kombinierte Machart handelt es sich in den Fällen, bei denen mindestens zwei verschiedene Macharten zur Bodenbefestigung eines Schuhs eingesetzt werden.

Beispiel: Der Schaft wird mit der Einstechnaht an der Brandsohle befestigt (rahmengenähte Machart) und die Laufsohle anschließend aufgeklebt (geklebte Machart).

Begriffsverwirrungen

Es gibt nicht allzu viele Originalmacharten. Doch zur Umgehung von Lizenzen und dadurch anfallende Gebühren bei der Herstellung wurden viele Macharten variiert und unter neuen, eigenen Bezeichnung propagiert. Hinzu kommt, dass ein und dieselbe Machart unter Umständen je nach Land unter verschiedenen Bezeichnungen geläufig ist. Das bekannteste Beispiel ist die durchgenähte Machart, die auch nach ihrem Erfinder Lyman R. Blake Blake-Machart (Blake-genäht) oder nach ihrem Verbreiter Gordon McKay McKay-Machart (McKay-genäht) genannt wird. Mit allen drei Bezeichnungen ist jeweils exakt die gleiche Machart gemeint.

Ähnlich verwirrend sind die gängigen Bezeichnungen für die rahmengenähte Machart: Ist von Goodyear welt die Rede, so handelt es sich um die von Andreas Eppler erfundene und von Charles Goodyear Junior patentierte, maschinelle Fertigungsmethode. Hierbei werden die Goodyear Einstechmaschine und die Goodyear Aufdoppelmaschine zum Nähen der beiden Bodennähte verwendet. Letztlich das Gleiche bezeichnet aber auch schlicht der Begriff rahmengenäht, denn fast alle rahmengenähten Schuhe sind auf dieses Weise hergestellt, es sei denn, es handelt sich um einen von Hand rahmengenähten Schuh. Dann sind Begriffe wie handeingestochen oder handrahmengenäht für die rahmengenähte Machart gebräuchlich. Die Bezeichnung rahmenvernäht ist hingegen eine Fantasiebezeichnung, die meist nur eine rahmengenähte Machart vortäuschen soll und in Wirklichkeit kombiniert durchgenähte Schuhe bewirbt.

Insgesamt hat die Begriffsvielfalt und die verschiedenen variierten Macharten auch unter Schuhhändlern das Verständnis erschwert. Inzwischen erkennen auch Fachleute, nur von dem Namen einer (variierten) Machart ausgehend, diese nicht mehr; obwohl sie natürlich die dieser variierten Machart zugrunde liegende Originalmachart kennen. Einige Schuhhersteller werben gerne mit der Vielzahl von Macharten, mit denen sie ihre Schuhe fertigen. Bei einer genaueren Betrachtung stellt sich aber regelmäßig heraus, dass variierte oder kombinierte Macharten gemeint sind, bei denen nur eine Naht etwas anders verläuft, eine zusätzliche Klebung angebracht wird, oder Ähnliches. Ein paar Begriffsbeispiele: Bologna-Machart (= Tubolare-Machart), California-Machart (Variante der geklebten Machart), Go-Well-Machart (Variante der geklebten Machart), Kaura-Machart (kombiniert rahmengenähte Machart), Silhou-Welt-Machart (ebenfalls eine kombiniert rahmengenähte Machart).

Verwechslungsgefahr

Die kombinierten Macharten sorgen selbst unter Fachleuten gelegentlich für Diskussionen. So ist einigen nicht klar, welches der angewendeten Bodenbefestigungsverfahren denn nun die Hauptmachart ist. Die Definition ist aber eindeutig: Die Bestimmung der (Haupt-)Machart wird durch die zuerst zum Einsatz kommende Machart definiert.

Kombiniertdurchgenähte Machart (Querschnitt)
Beispiel: Im Bereich höherpreisiger genähter Herrenschuhe sind kombiniert durchgenähte Schuhe verbreitet. Bei diesen wird der Schaft zunächst unter der Brandsohle mittels des Durchnähverfahrens befestigt. Dabei wird gleichzeitig ein so genannter Sohlenkeder (ein breiter Lederstreifen, der später wie ein normaler Einstechrahmen seitlich des Schafts hervorschaut) mit vernäht. Im zweiten Schritt wird dann an diesen Sohlenkeder eine Laufsohle angenäht (fachsprachlich: aufgedoppelt). Dadurch gleicht der fertige Schuh vom äußeren Erscheinungsbild einem rahmengenähten Schuh. Über die Durchnähnaht der Brandsohle wird noch eine Deckbrandsohle geklebt, wodurch diese Naht nicht mehr sichtbar ist. Doch handelt es sich nicht um eine rahmengenähte Machart, sondern um eine kombinierte Durchnähmachart, da ja das erste Befestigungsverfahren die durchgenähte Machart war und erst danach die Laufsohle an den Keder genäht wurde. Diese kombinierte Machart ist in der Variante des Blake-Rapid-Verfahrens relativ verbreitet.

Literatur

Helge Sternke: Alles über Herrenschuhe. Nicolai Verlag, Berlin, 2006, 560 S., 450 Abb., ISBN 3-89479-252-3.

Ein ganzes Kapitel stellt verschiedene genähte Macharten mit jeweils detaillierter Zeichnung vor. Mehrere Dutzend weiterer Varianten werden im ausführlichen Glossar beschrieben.

Links

Siehe auch

Schuh, Mokassinmachart


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