Madame Bovary

Madame Bovary

Madame Bovary, in älteren Übersetzungen auch Frau Bovary, ist ein von Gustave Flaubert verfasster Roman. Er gilt als eines der großen Werke der Weltliteratur aufgrund der seinerzeit neuartigen realitätsnahen Erzählweise. Ein Zeitungsbericht über den Selbstmord einer jungen Ehefrau veranlasste Flaubert zur Ausgestaltung dieses Gesellschaftsromanes, der den Untertitel Ein Sittenbild aus der Provinz trägt.

Der Roman wurde zunächst 1856 in der Zeitschrift La Revue de Paris zensiert veröffentlicht; daraufhin wurde Flaubert von der Zensurbehörde wegen „Verstoßes gegen die guten Sitten“ angeklagt; unter anderem wurde ihm „Verherrlichung des Ehebruchs“ vorgeworfen. Im folgenden Prozess wurde der Autor allerdings freigesprochen. 1857 erschien die vollständige Romanausgabe in Buchform.[1]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Hauptperson des Romans ist Emma, die nach dem Tod der Mutter allein mit ihrem Vater auf dessen Hof lebt. Sie heiratet den Landarzt Charles Bovary, der die schöne, gebildete Frau verehrt. Sie verspricht sich von der Heirat ein gesellschaftlich aufregenderes Leben, ist dann aber rasch von dem Dorfalltag und ihrem eher einfach strukturierten Mann gelangweilt. Die Sorge um ihren sich verschlechternden Gesundheitszustand und ihre Klagen über ihren Wohnort veranlassen ihn, in eine größere Ortschaft umzuziehen. In Yonville angekommen, freunden sich beide schnell mit dem Apotheker Homais und dessen Familie an. In Homais’ Haus lebt auch der Kanzlist Léon, mit dem Emma eine Art Seelenverwandtschaft, begründet in ihrer beider Interesse für Literatur und Musik, verbindet.

Auch die Geburt der Tochter Berthe ändert nichts daran, dass Emma zunehmend unzufrieden ist, unter Depression und Stimmungsschwankungen leidet. Als Léon nach Paris umzieht, trauert sie ihm hinterher wie einer verlorenen Liebe und steigert sich, um den Verlust zu kompensieren, in eine Luxussucht hinein, weshalb sie sich bei dem Händler Lheureux immer mehr verschuldet.

Sie lernt den Grundbesitzer Rodolphe kennen, der seinen Diener von Charles behandeln lässt. Bei einem Ausritt lässt sie sich von ihm verführen. Sie steigert sich in eine kopflose Liebe zu Rodolphe hinein, der in ihr allerdings nur eine nette Abwechslung sieht. Durch teure Geschenke für ihren Liebhaber und luxuriöse Kleidung und Einrichtungsgegenstände verschuldet Emma die Familie immer mehr und schreckt auch nicht davor zurück, Charles diesbezüglich zu hintergehen. Sie plant, mit Rodolphe zu fliehen, dieser verlässt sie allerdings kurz vor der geplanten Flucht, woraufhin Emma schwer erkrankt. Sie erholt sich wieder, und Charles fährt mit ihr zur Abwechslung ins Theater nach Rouen, wo sie Léon wiedertreffen. Emma beginnt eine Affäre mit Léon und lügt Charles vor, Klavierstunden zu nehmen, um ihren Geliebten treffen zu können.

Währenddessen hat der Händler Lheureux, dem sie zahlreiche Wechsel unterschrieben hat, diese weitergegeben. Den Bovarys droht die Pfändung, doch Emma belügt Charles noch immer und bittet Léon um das Geld, der ihr aber nicht helfen kann. Also sucht sie Rodolphe auf und bietet sich diesem sogar an, allerdings kann oder will auch er ihr nicht aus der finanziellen Notlage helfen. In ihrer Verzweiflung verschafft sich Emma mit einem Trick Zutritt zu dem Giftraum des Apothekers Homais, wo sie Arsen schluckt. Nach einem grauenvollen Todeskampf stirbt Emma.

Charles kommt nicht über Emmas Tod hinweg, zudem sorgen die noch offenen finanziellen Forderungen und Pfändungen dafür, dass er mit Tochter Berthe bald in Schmutz und Armut lebt. Als er die Briefe von Léon und Rodolphe an Emma findet, ist er endgültig ein gebrochener Mann und stirbt kurze Zeit später. Die Tochter wird zuerst zur Großmutter geschickt, die aber auch bald verstirbt, weshalb das Mädchen bei einer verarmten Tante landet, die es zum Geldverdienen in eine Baumwollspinnerei schickt.

Personen

  • Emma Bovary (Geburtsname: Rouault) - Tochter von Monsieur Théodore Rouault, zweite Ehefrau von Charles Bovary
  • Charles Bovary - Ehemann von Emma Bovary
  • Berthe Bovary - Tochter von Emma und Charles Bovary
  • Charles-Denis-Bartholomé Bovary - Vater von Charles Bovary
  • Madame Bovary - Mutter von Charles Bovary, verheiratet mit Charles-Denis-Bartholomé Bovary
  • Madame Héloïse Dubuc - Erste Ehefrau von Charles Bovary
  • Monsieur Homais - Apotheker
  • Lestiboudois - Totengräber und Küster
  • Madame Lefrançois - Gasthauswirtin des Lion d'Or
  • Monsieur Binet - Steuereinnehmer
  • Monsieur Léon Dupuis - Kanzlist, zweiter Liebhaber von Emma Bovary
  • l'abbé Bournisien - Pfarrer
  • Monsieur Lheureux - Tuchhändler
  • Monsieur Guillaumin - Notar
  • Rodolphe Boulanger - Gutsherr, erster Liebhaber von Emma Bovary
  • Monsieur Tuvache - Bürgermeister
  • la mère Rollet - Amme

Form

Flaubert verzichtet in seinem Werk auf den Ich-Erzähler, wie er seit der Romantik vorherrschte, und bedient sich stattdessen einer personalen Erzählweise. Wichtig ist ihm dabei die impartialité, also die Unparteilichkeit des Erzählers. Er verzichtet daher auf Kommentare, Bewertungen oder Schlussfolgerungen. Trotz der Wahl der neutralen Erzählsituation entsteht bei der Darstellung seiner Romanfiguren der Eindruck einer Innenperspektive, was das Resultat einer subtilen Leserlenkung ist, die durch die Verwendung des style indirect libre erzielt wird.

Ein Zitat Flauberts verdeutlicht seine Anschauungen über das Verhältnis von Autor bzw. Erzähler und Roman: «L’auteur, dans son œuvre, doit être comme Dieu dans l’univers, présent partout et visible nulle part.» („Der Autor muss in seinem Werk wie Gott im Weltall sein, überall anwesend und nirgends sichtbar.“) (Brief vom 9. Dezember 1852). Diese Auffassung half ihm auch bei seiner Verteidigung vor Gericht, vor dem er sich wegen "Verstoß gegen die guten Sitten" verantworten musste, da sein Werk für die damalige Zeit zu viel Aufsehen erregte. So könne man ihm nichts vorwerfen, da er nur zitiert und beschreibt, aber keine eigene Meinung im Buch äußert.

Flauberts erzählerischer Realismus lebt von seiner Liebe zum Detail. Seine Beschreibungen sind dabei so gut formuliert und miteinander verbunden, dass der Leser scheinbar seine eigenen Schlüsse über die beschriebenen Personen oder Gegenstände zieht. Bereits in der ersten Szene beschreibt Flaubert die Mütze des Schülers Charles Bovary auf eine Art, dass man den Menschen, der so etwas trägt, genau zu kennen meint. Interessant hierbei ist, dass Flaubert selbst es strikt ablehnte, seine Romane dem Realismus zuordnen zu lassen.

Darüber hinaus ist Flaubert imstande, Szenen so zu schildern, dass Kommentare durch einen Erzähler überflüssig werden. Der Sprach- und Literaturwissenschaftler Wolfgang Lehmann analysiert Flauberts Stil ebenfalls in dieser Richtung: „Flaubert selbst nennt drei Grundsätze für seine eigene Beziehung zu den Figuren und der Handlung: impersonnalité, impassibilité, impartialité.“[2]

Autobiografische Bezüge

  • Chirurgie – Gustave Flauberts Vater war ein angesehener Chirurg. Auch Charles Bovary war als Arzt tätig, jedoch fehlte ihm das Ansehen.
  • Kindheit – Gustave Flaubert war ein ungewolltes Kind und erfuhr nie viel Liebe. Berthe Bovary war ebenso ein Fehlschlag für Emma Bovary, denn sie hatte sich einen Jungen gewünscht. Berthe verbrachte sehr viel Zeit bei einer Amme und wurde von ihrer Mutter nie wirklich geliebt.
  • Jura – Der Autor begann ein Jurastudium. Auch Monsieur Léon studierte Jura.
  • Nervenkrankheit – Aufgrund einer Nervenkrankheit musste Gustave Flaubert das Studium abbrechen. Auch Emma Bovary litt unter einer Art Nervenkrankheit.
  • Rouen – Der Ort, in dem Gustave Flaubert geboren wurde, ist auch ein Schauplatz in dem Roman.

Neben den autobiografischen Bezügen enthält der Roman verschiedene Hinweise auf tatsächliche Ereignisse und Orte, die zum Teil verschlüsselt sind. Beispielsweise steckt im Namen der Titelheldin die Ortschaft Ry, wo die Arztehefrau Delphine Delamare gelebt hat, deren tragische Lebensgeschichte die Grundlage des Romanes bildet.

Übersetzungen ins Deutsche

  • Josef Ettlinger, Berlin/Leipzig 1902
  • René Schickele, Minden i. Westf. 1907
  • Hedda Eulenberg, Leipzig 1914
  • Arthur Schurig, Leipzig 1919
  • Margarete Miltschinsky, Leipzig 1923
  • Ella Bacharach-Friedmann, Berlin 1924
  • Wilhelm Cremer, Berlin 1924
  • Ernst Sander, Berlin 1924
  • A. Winterstein, Berlin um 1925
  • Karl Pfannkuch, Berlin 1925
  • Walter Heichen, Berlin 1928
  • Alfred Wolfenstein, Zürich 1939
  • Georg Carl Lehmann, Berlin 1948
  • Hans W. Hoff, Wien/Frankfurt am Main 1951
  • Hans Reisiger, Reinbek 1952
  • Gertrud Dahlmann-Stolzenbach, München 1952
  • Albert von Jantsch-Streerbach, Wien 1957
  • Walter Widmer, Hamburg 1959
  • Oswald Richter-Tersik, Berlin 1960
  • Ingrid Kollpacher, Wien 1965
  • Wolfgang Techtmeier, Berlin 1970
  • Ilse Perker und Ernst Sander, Stuttgart 1972
  • René Schickele und Irene Riesen, Zürich 1979
  • Maria Dessauer, Frankfurt am Main 1996
  • Cornelia Hasting und Caroline Vollmann, Zürich 2001

Verfilmungen

Der Roman wurde mehrfach verfilmt:

Vertonung

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. www.literaturwissenschaft-online.uni-kiel.de
  2. http://www.wolfgang-brinkmann.de/sprachlit/bovary.pdf

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